Glaubwürdige Wandlung?Xavier Naidoos heiß diskutiertes Video: So heftig reagiert das Netz
Xavier Naidoo gibt sich in einem Video geläutert und sagt Verschwörungstheorien Lebwohl. Die Reaktionen im Internet darauf sind mehr als durchwachsen.
Viele Jahre lang galt Xavier Naidoo (50) als einer DER Verschwörungstheoretiker Deutschlands, verbreitete in (w)irren Videos und Telegram-Postings seine kruden Theorien. Nun erklärte der Deutschsoul-Barde in einem Video seine Läuterung. Er habe sich verrannt, sei falschen Thesen aufgesessen und instrumentalisiert worden. Vom Saulus zum Paulus? Das wollen, zumindest in den Weiten des Internets, längst nicht alle glauben.
Gespaltene Reaktionen zu Naidoo-Läuterung
Ein wenig Angst schien Naidoo (der im Video mal ausnahmsweise die Sonnenbrille abgenommen hatte) vor den Reaktionen ja durchaus zu haben — die Kommentarfunktion bei seinem Video, das er auf YouTube veröffentlichte, war nämlich deaktiviert. Die Angst dürfte nicht ganz unbegründet sein — denn viele wollten seine Läuterung nicht ganz glauben. „Und jetzt ist alles wieder gut und Naidoo wird wieder ein gefeierter Musiker?“ schrieb etwa ein User in den Kommentaren zu einem Artikel der „Zeit“.
„Nö, nicht automatisch. Aber sich auf der gleichen Plattform, auf der er seine Verschwurbelungsfangemeinde hatte, hinzusetzen und so ein Video zu machen, ist doch ein erster Schritt“, antwortet ein anderer Leser.
Xavier Naidoo im Video: „Ich entschuldige mich und bitte um Verzeihung“
Dann fährt er fort: „Hoffen wir, dass er es ernst meint und diesen Weg weiter geht. Dann ist er vielleicht wieder irgendwann ein akzeptierter und gefeierter Musiker. Begnadet talentiert ist er. Ob Sie ihm dann verzeihen können, müssen Sie natürlich selbst wissen. Aber Menschen, die Fehler eingestehen können, möchte ich persönlich ganz gerne die Hand reichen.“
„Von rehabilitiert ist er Meilen weit entfernt. Dafür hat er einfach zu viel Mist erzählt, gespaltet, geleugnet und gehetzt. Und mal ehrlich, nimmt Ihm diesen plötzlichen Sinneswandel eigentlich jemand ab? Ich nicht“, meint eine andere Person. Andere spotten auch mit Memes und spielen auf die zahlreichen abgesagten Konzerte an, die Naidoo wegen seiner früheren Aussagen zu verkraften hatte.
How it started How it‘s going#xaviernaidoo pic.twitter.com/ivkpDHWAmx
— krittfromhtown (@krittfromhtown) April 20, 2022
Ein einfaches YouTube-Video wird bei Naidoos vergangenen Meinungsäußerungen nicht reichen, meint ein Twitter-User:
Xavier Naidoo hat über Jahre übelste Verschwörungsmythen verbreitet, Reichsbürgerzeug, Homophobie, Antisemitismus. Ich hoffe sehr, dass er sich zu seiner vermeintlichen Kehrtwende mehr überlegt hat als ein Drei-Minuten-Statement. https://t.co/BJ7NrD6hlM
— Hanning Voigts (@hanvoi) April 20, 2022
Heftige Kritik an Naidoos Nachricht: „Antisemitische Hetze“ als Wahrheitssuche
Ein anderer Nutzer der Kurznachrichtenplattform geht in seiner Fundamentalkritik aber noch viel weiter — und postet eine Nachricht, die Naidoo vor einiger Zeit auf Telegram geteilt hatte. Darin sah der Sänger eine Art jüdische Weltverschwörung. Der User kommentiert kritisiert, dass Naidoo sich in seinem Läuterungsvideo nicht reumütig über seine antisemitischen Aussagen zeigt. „Stattdessen bleibt er allgemein und beschönigt seine rechtsextreme Ideologie als ‚Wahrheitssuche‘“, heißt es darin.
https://twitter.com/Alert4_Alert4/status/1516546664022093827
In der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ gibt es mehrere Kommentatoren, die Naidoos Sinneswandel ebenfalls nicht glauben wollen. „Ich sags mal so, ich bin mehr als skeptisch was die Ehrlichkeit bzw. Dauerhaftigkeit seiner Einsicht betrifft. Von der grundsätzlichen Einstellung, welche den Glauben an Verschwörungstheorien speist, wird man nicht so leicht geheilt“, erklärt eine Person.
Video News
Ein anderer Leser meint, dass Naidos Verschwörungstheoretikerszene einfach kein kaufkräftiges Publikum sei und Naidoo eben Geld im Sinne habe: „Seine neue ‚Fangemeinde‘ ist a) geizig, b) zu deppert [österreichisch für dumm, Anm.] um seine ‚tiefen‘ Gedankengänge zu verstehen und c) hört lieber Fascho-Gruppen und Volksmusi. Nix zu ernten da…“
Viele sehen Naidoos Wandel positiv
Viele sind der Meinung: Man sollte Menschen die Gelegenheit zur Läuterung geben — schließlich tut es das Gesetz auch (und das bei schwereren Fällen).„Wenn es lebenslang nicht im Strafrecht gibt, warum sollte es dies in der Kulturszene geben?“, schreibt eine Person. „Für ihn spricht, dass er diesen Sinneswandel ohne konkreten Druck zeigt. Wenn jemand unter der Drohung mit direkten Nachteilen seine Ansichten vorgeblich ändert, ist das in der Regel fraglich“, mein ein „Zeit“-Leser.
Xavier Naidoo sagt Tour für 2022 ab
„Obwohl ich weder Fan von seiner Musik noch von seiner Person bin, muss ich schon sagen, dass ich mir eine Abkapselung von solchen Kreisen extrem belastend vorstelle“, schreibt ein „Standard“-Leser. „Sich selbst einzugestehen, die letzten Jahre nur Verschwörungserzählungen gelebt und verbreitet zu haben und das öffentlich auch noch zuzugeben schaffen wohl die wenigsten, die so tief im Rabbithole gehaust haben.“ Viele finden: Naidoo könnte für viele andere „Aluhüte“ und Verschwörungstheoretiker als gutes Beispiel vorangehen – andere könnten seinem Beispiel folgen!
Xavier Naidoos: Infos zum Läuterungsvideo
Xavier Naidoo hatte am 19. April 2022 völlig überraschend ein Video veröffentlicht, in dem er von seinen Äußerungen der letzten Jahre deutlich distanzierte. „Ich war von Verschwörungserzählungen geblendet und habe sie nicht genug hinterfragt“, erklärt der Sänger in dem Video. Anlass für sein Überdenken war der Russland-Krieg. „Dazu müsst ihr wissen: Meine Frau kommt aus der Ukraine. Und ihre, unsere Familie lebt dort. […] Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt. Und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte“, erzählt er in dem Video. Naidoo war in den letzten Jahren zur Persona-non-grata geworden, da er immer wieder mit oft sehr waghalsigen Verschwörungstheorien von sich reden machte. Von der Corona-Leugnung über zu„ Adrenochrom“ bis zur angeblichen jüdischen Weltverschwörung war alles dabei, was das Aluhut-Herz begehrte. Bei der Querdenkerszene sorgte das für Begeisterung, bei allen andere für Empörung, aber auch für Spott.