Am 19. Dezember wäre er 90 gewordenRudi Carrell: Einen wie ihn hat es vorher nicht gegeben

Kult-Showmaster Rudi Carrell wäre am 19. Dezember 90 Jahre alt geworden. (ln/spot)
Kult-Showmaster Rudi Carrell wäre am 19. Dezember 90 Jahre alt geworden. (ln/spot)

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SpotOn NewsSpotOn News | 19.12.2024, 06:15 Uhr

Rudi Carrell wäre am 19. Dezember 90 Jahre alt geworden. Ein Rückblick auf die lange Karriere und das Leben des Kult-Showmasters.

Tot ist tot. Das Ende, der Schluss. Rudi Carrell (1934-2006), der genialische Showmaster, hat das nicht so eng gesehen. Er riss Witze über den Tod, auch (und vor allem) über den eigenen: Er war schon schwer vom Lungenkrebs gezeichnet, als er über die Zeit nach seinem Sterben spottete: "Ich werde noch lange als Wiederholung weiterleben."

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71 Jahre alt ist Rudi Carrell geworden, er starb am 7. Juli 2006. Natürlich geisterte er nach seinem Tod als Wiederholung durchs Fernsehen, dem Publikum wurde in seltener Eintracht klar: Einen wie ihn wird es nicht mehr geben.

Dieser Rudi Carrell würde jetzt, am 19. Dezember, seinen 90. Geburtstag feiern. "Raubbau am eigenen Körper – Hingabe ans Publikum: Carrells Leben fand auf der Bühne statt. Mit Humor und Eigensinn hat er sie verlassen", schrieb der "Spiegel" nach seinem Tod.

Der leidenschaftliche Biertrinker hatte vorher prophezeit: "Wenn ich einmal sterbe, fallen die Aktien der Heineken-Brauerei in den Keller." Und seinen Kindern hatte er aufgetragen, dass er keine öffentliche Beerdigung wolle, "aus Angst vor den Jacob Sisters! Mit ihren komischen Pudeln zerstören sie doch jede Atmosphäre", wie er dem "SZ"-Magazin einmal sagte.

Er tritt in die Fußstapfen seines Vaters

Einen wie ihn hat es auch vorher nicht gegeben. Da kommt einer aus der holländischen Käsestadt Alkmaar, Jahrgang 1934, und will unbedingt eine Showkarriere machen. Ein schlaksiger Mann bei 1,84 Meter Körpergröße. Und dann noch der Name: Rudolf Wijbrand Kesselaar. Er nennt sich Carrell wie sein Vater André Carrell (1911-1968), der wie auch schon der Großvater ein bekannter Komiker, Bauchredner und Conférencier ist.

Conférencier, so nennt man seinerzeit Ansager von Revuen, Modenschauen und Varietés – und dieser junge Typ mit dem länglichen Gesicht und den wachen Augen hat es drauf. Er tritt mit seinem Vater auf, ist aber witziger, respektloser. Er kann singen, hat eine gute Stimme und ein rotzfreches Lachen. Und wenn er tänzelt, sieht das auch saukomisch aus. Er weiß das und spielt es aus – er kann mit dem Publikum umgehen.

Rudi Carrell ist zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt und vom Gymnasium ohne Abschluss abgegangen, auch eine Banklehre bricht er ab. Er will auf die Bühne, denn er ist die geborene Rampensau. Auch der Vater erkennt das Talent des Sohns und vermittelt ihn zum öffentlich-rechtlichen Rundfunksender AVRO.

Zwischen 1954 und 1964 wird der junge Rudi Carrell in den Niederlanden ein richtiger Radio- und TV-Star mit einer eigenen "Rudi Carrell"-Show: Er schreibt auch Songs, mit einem ("Wat een geluk!" – "Was für ein Glück") tritt er sogar 1960 beim Eurovision Song Contest in London für Holland an – und wird vorletzter. Anschließend veräppelt er sich selbst in seiner eigenen Radioshow. Seine TV-Sendung "De Robinson Crusoë Show" hingegen gewinnt 1964 bei der Silbernen Rose von Montreux einen der drei Hauptpreise.

Karrierestart in Deutschland

In Montreux lernt er den deutschen TV-Regisseur Mike Leckebusch (1937-2000) von Radio Bremen kennen. Der hat in Deutschland die äußerst populäre Jugend-Musiksendung "Beat-Club" ins Programm gebracht. Leckebusch produziert mit Carrell neun Ausgaben einer deutschen "Rudi Carrell Show", die zwischen 1965 und 1967 ausgestrahlt werden.

Zu diesem Zeitpunkt haben bereits zwei Holländer in Deutschland eine große Showkarriere gemacht: Der erste – Johannes Heesters (1903-2011) – wechselte schon 1936 nach Deutschland und wurde während der Nazizeit als Schauspieler und Sänger ein Star, was er auch in der Nachkriegszeit fortsetzen konnte. Der Zweite war kurzzeitig noch populärer und wurde im Volksmund "Onkel Lou" genannt: Der Sänger und Entertainer Lou van Burg (1917-1986) kam 1954 in die Bundesrepublik und moderierte mit großem Erfolg die ZDF-Show "Der goldene Schuß".

1967 ist damit Schluss, weil "Mister Wunnebar" seine Assistentin geschwängert hat, obwohl er anderweitig verheiratet ist. Das sittenstrenge ZDF feuert Onkel Lou und sucht verzweifelt einen Nachfolger. Rudi Carrell steht auf der Liste ganz oben, auch er ist Holländer, auch er spricht dieses lustige "Gouda"-Deutsch, das beim deutschen Publikum so gut ankommt.

Der Produzent soll sich mit Carrell schon einig gewesen sein. Am nächsten Morgen beschleicht den Niederländer aber das Gefühl, "Der goldene Schuß" würde für ihn in einer Katastrophe enden und seine Karriere "zu Grabe tragen". Er überredet den Chef seines holländischen Senders, er solle auf einen von ihm erfundenen Exklusivvertrag beharren, sodass eine Boulevardzeitung die Schlagzeile formuliert: "Holländisches Fernsehen verbietet Carrell die Übernahme vom 'Goldenen Schuß'".

Rudi Carrell ist ein Multitalent

Ab 1973 kann und will er sich dem großen bundesdeutschen Markt nicht mehr versagen. Er dominiert mit großen Shows wie "Am laufenden Band", "Rudis Tagesshow", "Herzblatt", "Die Rudi Carrell Show – Laß Dich überraschen" oder "7 Tage, 7 Köpfe" die Abendunterhaltung.

Er tanzt auf allen Hochzeiten, singt Schlager ("Wann wird's mal wieder richtig Sommer?", "Goethe war gut", "Du bist mein Hauptgewinn"), ist Star von Kinokomödien wie "Wenn die tollen Tanten kommen", "Tante Trude aus Buxtehude", "Rudi, benimm dich!", macht Werbung für Edeka.

"Carrell brachte sich auf Augenhöhe mit den einfachen Menschen. Wie das geht? Sich kleiner machen, als man ist. 'Können Sie singen?', fragte er die Kandidaten. 'Nicht? Ich kann es auch nicht, aber ich mache es schon zwanzig Jahre und kriege noch Geld dafür'", schreibt die "Süddeutsche Zeitung" über sein Erfolgsrezept. Er selbst sagt: "Witze kann man nur dann aus dem Ärmel schütteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat."

Allerdings kann der "antiautoritär wirkende Holländer" ("SZ") auch Zyniker, Macho und Choleriker sein. Doch das Publikum liebte seine unverschämt hingenuschelten Zischlaute, wenn er beispielweise Gott und die Welt als "Arschloch" titulierte – "Niemand konnte das so charmant beiläufig und vielseitig verwenden wie der Mann aus Alkmaar". ("SZ").

Bei der Arbeit ist für ihn Schluss mit lustig, alles muss nach seiner Pfeife tanzen, Carrell ist vernarrt in Perfektion und kann im Umgang mit Kollegen sehr beleidigend sein. "Dieser Mensch ist ein Unmensch, so was habe ich noch nie erlebt", sagt die Kabarettistin Gisela Schlüter (1914-1995). Er gesteht 1985 in einer Talkshow: "Ich war früher das größte Arschloch in Deutschland. Ich war widerlich."

Seine erste Ehefrau Truus de Vries (Töchter Annemieke, geboren 1958 und Caroline, geboren 1962) ließ sich 1973 von ihm scheiden. Die zweite Ehefrau Anke Bobbert (Sohn Alexander, geboren 1977) starb 2000 an den Folgen einer chronischen Rheumaerkrankung, die Lebensgefährtin und Drehbuchautorin Susanne Hoffmann 2003 an einem Gehirntumor. Seit 2001 war er mit der 36 Jahre jüngeren Köchin Simone Felischak aus Magdeburg verheiratet.

Rudi Carrell macht 2005 seine Krebserkrankung öffentlich

Im November 2005 gab Rudi Carrell bekannt, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei und nicht mehr lange zu leben habe. Diese Mitteilung erfolgte mit größter Gelassenheit. Die schlimme Diagnose habe ihn weder geschockt noch überrascht. "Hätte ich eigentlich schon längst haben müssen! Ich habe immer fünf Tage vor einer Show so gut wie ohne Essen gearbeitet, nach einer Show nur Bier getrunken und mindestens sechzig Lord Extra am Tag geraucht", sagte er in seinem letzten Interview im Angesicht seines Todes dem "SZ Magazin". Er habe gewusst, "das geht irgendwann schief".

In diesem bewegenden Gespräch fand die Spottdrossel Carrell auch rührende Worte für sein Gastland: "Wäre ich in Holland geblieben, wäre ich vielleicht Intendant eines Fernsehkanals geworden. Wie langweilig! Deutschland hat mir zehn Mal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe. Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben."

Nach seinem Tod im Klinikum Bremen-Ost schrieb der "Spiegel" in seinem Nachruf: "Rudi Carrell war ein Entertainer alter Schule mit stets neuen Ideen. Stil, Ironie, Eigensinn gaben ihm ein unverkennbares Profil. Man wird ihn schmerzlich vermissen." Noch nachhaltiger bleibt Carrells Urteil über die Branche im Gedächtnis: "Früher hieß es, das Fernsehen macht blöd. Heut machen Blöde Fernsehen."