Orthopäde im InterviewVorsicht, Glatteis und Matsch! So beugt man Verletzungen vor

Schnee, Eis und Matsch führen schnell zu gefährlichen Stürzen. (ncz/spot)
Schnee, Eis und Matsch führen schnell zu gefährlichen Stürzen. (ncz/spot)

FotoDuets

SpotOn NewsSpotOn News | 11.01.2025, 18:30 Uhr

Schnee, Matsch und Glatteis führen im Winter schnell zu Stürzen und Verletzungen. Wie lässt sich das vermeiden? Ein Orthopäde gibt im Interview hilfreiche Tipps.

Der Winter bringt nicht nur frostige Temperaturen, sondern auch glatte Straßen und Fußwege, die oft tückische Gefahren bergen. Ein falscher Schritt genügt, und schon kann ein Sturz auf Eis und Schnee erhebliche Verletzungen verursachen – von Prellungen und Verstauchungen bis hin zu Knochenbrüchen. Wie lassen sich solche Unfälle vermeiden? Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news gibt Orthopäde Dr. Martin Rinio hilfreiche Tipps, wie man sicher und verletzungsfrei durch den Winter kommt.

Video News

Welche Körperteile sind bei einem Sturz auf Glatteis am häufigsten betroffen?

Dr. Martin Rinio: Vielfach diagnostiziert der Orthopäde im Winter Verstauchungen an Handgelenk oder Fuß als Folge eines Ausrutschens auf Eis und Schnee.

Auch Prellungen sind nun besonders häufig. Während bei der Verstauchung das Gelenkband überdehnt und geschädigt wird, kommt es hierbei zu Verletzungen des unter der Haut liegenden Gewebes. Heftige Schmerzen und deutliche Hämatome, also Blutergüsse, sind typische Symptome. Was tun im Falle des Falles? Kühlen, das Bein hochlagern und pausieren, also die PECH-Regeln, sind hier bewährte Sofort-Maßnahmen.

Darüber hinaus kommt es im Winter besonders oft zu Umknickverletzungen der Sprunggelenke. Diese koordinieren die Bewegungen von Bein und Fuß und tragen bei jedem Schritt das Mehrfache des Körpergewichts. Ohne sie wären wir gar nicht in der Lage, aufrecht zu gehen.

Sind Rutschunfälle auf glattem Eis vermeidbar?

Dr. Rinio: Erheblich reduzieren lässt sich die Unfallgefahr bzw. das Risiko plötzlich wegzurutschen durch kleine, langsame und vorsichtige Schritte. Noch besser ist es, das Haus gar nicht zu verlassen, falls möglich. Dies gilt insbesondere für ältere und gebrechliche Menschen.

Kommt es zum Sturz, so ist auch bei scheinbar harmloseren Folgen Vorsicht geboten: Bitte auf jeden Fall den Arzt konsultieren, wenn die Schmerzen über mehrere Tage anhalten, intensiver werden oder die Belastbarkeit abnimmt.

Gibt es eine richtige "Technik", um beim Stürzen schlimmere Verletzungen zu vermeiden? Wie sollte man fallen, um den Aufprall möglichst abzufangen?

Dr. Rinio: Oftmals wird im Winter das Handgelenk verletzt, weil wir uns im Falle eines Sturzes damit abzustützen bzw. abzufangen versuchen. Dabei kann es zu Radiusfrakturen, also Handgelenkbrüchen, kommen. Wer besonders sportlich ist, der kann sich gegebenenfalls durch eine "Judo-Rolle" davor schützen, bei der der Kopf zum Kinn gezogen wird, man einen Katzenbuckel macht und geschmeidig über die Schulter abrollt.

Kann man sich auf die Gefahren des Glatteises irgendwie vorbereiten? Bestimmtes Training vor dem Winter oder die richtige Körperhaltung?

Dr. Rinio: Um das Risiko folgenschwerer Stürze zu vermeiden, rate ich Menschen im fortgeschrittenen Alter oder mit Gehbeschwerden zu Sturzprophylaxe-Kursen (über Physiotherapeuten, Sportvereine etc.). Ein intensives Aufwärmtraining mit Koordinationsübungen, Schulterkreisen etc. schützt Freizeit-Sportler vor Schäden an den Gelenken sowie Zerrungen – unabhängig vom Alter. Denn bei Kälte verkrampfen unsere Muskeln und sind deshalb auch besonders anfällig für Verletzungen. Dazu noch ein Tipp: Um Bänder und Muskeln zu schützen, empfehle ich Dehnübungen nach dem Laufen stets drinnen vorzunehmen. Das reduziert nämlich das Risiko einer Erkältung durch Auskühlen.

Zeigt das Thermometer minus neun oder zehn Grad, so sollte übrigens auf Sport im Freien ganz verzichtet werden. Denn bei extremen Minusgraden werden Bänder, Sehnen und Muskeln nicht ausreichend durchblutet.

Ältere Menschen sind oft besonders sturzgefährdet. Wie können sie ihr Risiko minimieren?

Dr. Rinio: Mit dem Winter steigt die Sturzgefahr rapide: Feuchtes Laub und glatte, nicht gestreute Wege führen oftmals dazu, dass wir ausrutschen oder umknicken. Wie bereits ausgeführt, sollten besonders gefährdete Menschen im höheren Alter oder mit Gehproblemen bei Glätte und Schnee möglichst gar nicht das Haus verlassen. Geht es nicht anders, so hilft es, sich bei einer Begleitperson unterzuhaken.

Besonders tückisch sind übrigens vereiste Außentreppen. Hier bitte Schritt für Schritt auf die Stufen achten und sich beim Hoch- oder Runtergehen am Geländer festhalten, falls vorhanden.

Haben Sie spezielle Tipps für die richtige Gehtechnik auf glattem Untergrund?

Dr. Rinio: Ja, hier hilft es, den Watschelgang einzulegen. Das heißt: Auf Schnee und anderen glatten Flächen nur kleine und langsame Schritte zu machen. Am besten den Körper etwas nach vorne neigen und dabei die Füße leicht nach außen drehen.

Worauf sollte man bei der Wahl des Schuhwerks achten?

Dr. Rinio: Schuhe mit glatten, dünnen Ledersohlen haben im Winter draußen nichts verloren. Ansonsten sind nasse Füße und ein Ausrutschen programmiert. Achten Sie beim Kauf bitte auf winterfeste Modelle mit gutem Sohlenprofil. Hilfreich sind auch Ausführungen mit einem höheren Schaft, um die Sprunggelenke vor einem Umknicktrauma zu schützen. Damit Schuhe nachher auch gut sitzen, kaufen Sie diese grundsätzlich am besten nachmittags. Dann sind unsere Füße größer. Wichtig ist auch eine gute Fütterung, damit die Füße mollig warm bleiben.

Bei Eisesglätte und rutschigem Untergrund helfen darüber hinaus – ähnlich wie Schneeketten – nachträglich unter die Sohle anzuschnallende Spikes. Und ganz pragmatisch kann man ein paar alte, übergroße Socken über die Schuhe ziehen – das kommt schon sehr nah an die Spikes ran.

Dr. Martin Rinio ist Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie sowie ärztlicher Direktor der Gelenk-Klinik Gundelfingen.