ABBA: Benny Anderson im großen Interview

ABBA: Benny Anderson im großen Interview
ABBA: Benny Anderson im großen Interview

© Knut Kolvisto

Paul VerhobenPaul Verhoben | 07.01.2018, 18:25 Uhr

Mit „Happy New Year“ veröffentlichte die schwedische Popgruppe ABBA (380 Mio. verkaufte Tonträger) im Jahr 1980 einen weiteren Musik-Klassiker. Denn auch zum diesjährigen Jahreswechsel durfte das Stück auf keiner guten Party fehlen.

ABBA: Benny Anderson im großen Interview

© Knut Kolvisto

Der Song findet sich auch auf dem „Piano“-Album von ABBA-Mitglied Benny Andersson (71), für das er wichtige Stücke seiner Karriere als Klavierversionen neu eingespielt hat.

klatsch-tratsch.de-Autorin Katja Schwemmers traf die Legende in Hannover, wo Andersson seinen trockenen Humor durchscheinen ließ, als er über eine Reunion von ABBA auf der Bühne, den Film „Mamma Mia! 2“, sein Hotel in Stockholm und seine Vorliebe für schnelle Fortbewegungsmittel plauderte.

Mr. Andersson, Sie sind das dritte Mitglied von ABBA, das ich zum Interview treffe, und das zweite B!
Genau genommen bin ich das erste B! Ich bin das B, das auf einigen Albumcovern rückwärts guckt. Wir hatten mal ein Fotoshooting mit Bubi Heilemann für die „Bravo“, da hielt ich mein B versehentlich verkehrt rum. Daraus hat sich das dann entwickelt. Ich war also das erste B.

Und nun steht das B für sich allein.
Ich fand es war an der Zeit, dass ich ein Soloalbum mache. „Piano“ beinhaltet Musik aus 50 Jahren. Nicht nur von ABBA – da ist auch vieles anderes dabei, was ich gemacht habe. Ich bin froh, dass ich diese Klavier-Versionen aufgenommen habe. Ich fühle mich gut damit, ich erkenne mich darin wieder, und das nicht nur, weil ich die Lieder selbst eingespielt habe. Ich war dabei, als sie das erste Mal passierten. Und ich bin immer noch da. Es fühlt sich richtig an – egal, ob es 1973, 1987 oder 2018 ist.

Mit dem anhaltenden Erfolg nie  gerechnet

Ist es für Sie wichtig, der Nachwelt etwas zu hinterlassen?
Ach, nein. Niemand von uns Vieren hat überhaupt damit gerechnet, dass nach so vielen Jahren ein Bedürfnis nach ABBA bestehen könnte und die Musik immer noch relevant ist. Als wir 1982 aufhörten, dachten wir, dass wir vielleicht noch in den Genuss von Tantiemen aus Spanien, Argentinien oder Japan in den nächsten zwei, drei Jahren kommen könnten. Pop war damals schon kurzlebig. Aber bei uns hörte es nie auf. Man kann nur dankbar, bescheiden und glücklich darüber sein, dass wir auf unsere Art immer noch da sind.

Wie erklären Sie sich den andauernden Wunsch des Publikums nach einer Wiedervereinigung von ABBA?
Mir gefällt der Gedanke, dass es diesen Wunsch gibt, weil wir damals gut waren. Viele Songs und Aufnahmen waren gut. Und wir hatten Hits über einen ausreichend langen Zeitraum von zehn Jahren. Es hilft natürlich, dass die Lieder in Filmen wie „Muriels Hochzeit“ auftauchten, dass Erasure und Madonna sich Songs annahmen und große Hits damit hatten. Dann kam vor 18 Jahren das Musical dazu. Vieles hat also für unseren Song-Katalog gearbeitet, obwohl ABBA seit 1982 nicht mehr existierten. Das ist ein bisschen wie bei den Beatles, die auch zehn Jahre durchgezogen haben und bis heute präsent sind.

Die Rolling Stones gehen sogar immer noch auf Tour. Fragen Sie sich manchmal, wie Mick Jagger das macht?
Ich kann es nicht fassen – der Typ ist einfach unglaublich! Es muss daran liegen, dass die Stones wirklich mögen, was sie tun. Sie lieben es, auf der Bühne zu stehen. Anders ist das nicht zu erklären. Ich habe mir ihr Konzert in Stockholm angesehen und hallo gesagt. Das war ein toller Abend.

Es schlägt also immer noch ein Rocker-Herz in Ihrer Brust, so wie in Ihren musikalischen Anfängen in den Sechzigern als Mitglied der Band The Hep Stars?
Ja, absolut! Eine Vorliebe für die alten Typen im Rockbusiness habe ich immer noch.

ABBA: Benny Anderson im großen Interview

© Knut Kolvisto

Video News

Die Hologramm-Tour ist ein Missverständnis

Was ist dran an den Gerüchten um eine ABBA-Hologramm-Tour?
Das ist ein Missverständnis. Denn ob das in Form von Hologrammen geschehen wird, wissen wir noch gar nicht. Es sind digitale Versionen von uns Vieren, so viel ist sicher. Unsere Körper wurden dafür sogar schon vermessen. Die Technik erlaubt uns verschiedene Möglichkeiten, auf der Bühne zu stehen, ohne wirklich da zu sein. Wir sondieren das gerade. Es ist mehr Arbeit, als wir am Anfang annahmen. Aber es soll ja auch etwas Unvergleichbares werden. Es soll so nah dran sein am ursprünglichen Konzerterlebnis wie nur möglich.

Ist es ein komisches Gefühl, dass die Show Sie überleben wird?
Das ist ein interessanter Aspekt, nicht wahr? Deshalb wollten wir es tun, so lange wir leben, um Einfluss darauf nehmen zu können. Es wird eine höchst technologische Angelegenheit, in der wir mit der Zukunft flirten. Und doch ist es ein bisschen wie in den Siebzigern, wo wir, anstatt selbst zur „Starparade“ oder zu irgendeiner TV-Show nach Australien zu reisen und aufzutreten, ein Video von uns schickten. Wir waren mit solchen Platzhaltergeschichten also eh früh dran. Und nun wollen wir etwas machen, was noch nie zuvor gemacht wurde.

Ein Museum in Stockholm haben ABBA ja bereits. Dort steht ein Telefon in den Besucherräumen, auf dem angeblich die vier ABBA-Mitglieder ab und zu anrufen. Hand aufs Herz: Wie oft ist das bei Ihnen vorgekommen?
Drei Mal! Einmal hatte ich einen Museums-Besucher aus Venezuela am Hörer, ein anderes Mal einen aus Deutschland. Es ist nie geplant, ich mache es einfach. Ich habe die Nummer in meinem Handy gespeichert – es gibt nur drei weitere Personen auf dem Planeten, die sie auch haben. Eine ziemlich lustige Idee, oder?

Apropos Telefon: Was ist das letzte Foto, dass Sie mit Ihrem iPhone aufgenommen haben?
Lassen Sie mich mal nachschauen. (blättert im Handy) Schauen Sie, das ist Jessica. Ich züchte Rennpferde. Und Jessica ist die derzeitige Trainerin. Sie und ihr irischer Ehemann haben uns letztes Wochenende Zuhause besucht. Das Bild entstand, bevor sie wieder wegfuhren.

Ist das ein Hobby von Ihnen? Oder wie ernst nehmen Sie das mit der Rennpferdezucht?
Sehr ernst! Es ist weit mehr als ein Hobby für mich. Ich mache das ja auch schon seit 25 Jahren und guck mir regelmäßig die Rennen an.

Ist der Mann mit den leisen Tönen am Klavier im Privaten also eher ein Geschwindigkeits-Junkie?
Nein, aber es ist schon zwei Mal vorgekommen, dass sie mir den Führerschein abgenommen haben! Es ist immer verlockend, wenn ich mit meinem Porsche Macan unterwegs bin. Aber ich bemühe mich, jetzt immer ganz entspannt hinterm Steuer zu sein, denn ich will den Führerschein nicht noch einmal abgeben müssen.

Wo wohnen Sie in Stockholm?
Ich lebe nah am Zentrum auf einer Insel, die sehr grün ist. Nicht viele Leute wohnen da, es gibt vielleicht 100 Häuser. Es ist eine sehr nette Gegend von Stockholm. Ich bin ein glücklicher Junge.

Sie besitzen seit 2003 das Hotel „Rival“ in der Stockholmer Innenstadt! Wie laufen die Geschäfte?
Gut, denn ich habe sehr gute Geschäftsführer. Sie rufen mich jede Woche an. Aber eigentlich ist das nur erforderlich, wenn sie mal nicht wissen, was zu tun ist. Und wenn sie Dinge verändern wollen, die man als Gast wahrnimmt, will ich das natürlich wissen und lege gegebenenfalls ein Veto ein. Ansonsten läuft alles geschmeidig. Wir haben sehr gutes Personal, das jedem das Gefühl gibt, willkommen zu sein – was der wichtigste Faktor bei einem Hotel ist.

Was ist das Beste, wenn man ein Hotel hat?
Man hat immer ausreichend Platz, um eine Party zu feiern, und muss den Dreck später nicht wegmachen. Ich habe im „Rival“ meinen 70. Geburtstag gefeiert. Wir waren 25 Leute – meine Familie, Kinder und Enkelkinder und einige Freunde waren dabei. Es ist so schön einfach, dort zu feiern. Ich bekomme Prozente auf alles. (lacht)

Wenn Mick Jagger in der Stadt ist, übernachtet der dann auch im „Rival“?
Ich weiß gar nicht, ob er das schon getan hat. Ich vermute, die Stones steigen eher im Grand Hotel ab. Aber viele Schauspieler und Musiker übernachten bei uns, weil es so ungezwungen und entspannt zugeht.

Sie haben mit ABBA-Kollege Bjorn Ulvaeus einen Song für das Hotel geschrieben: „2nd Best To None“.
Ja, für das Personal des „Rival“. (lacht) Sie performen das Lied als The Rivals. Erst sollte es nur ein Jingle für die Hotel-Webseite werden, dann wurde es eine Single mit Video. Das Lied war sogar ein Mini-Hit in den schwedischen Charts.

Warum ist der dann nicht mit auf Ihrem „Piano“-Album?
(lacht herzhaft) Das wär’s gewesen! Alle Songs, die eine Rhythmussektion aus Bass, Schlagzeug und Gitarre benötigen, sind nicht auf diesem Album. Deshalb kamen auch „Dancing Queen“, „Waterloo“ oder „Take A Chance On Me“ nicht in Frage, weil man dafür eine Band braucht, um denen gerecht zu werden. Die Songs sind also so ausgesucht, dass sie nur mit dem Piano funktionieren.

Ist „Dancing Queen“ der perfekte Popsong?
Ja, der ist ganz ok.

So bescheiden?
Es gibt viele Songs, auf die ich stolz bin. Sie sind alle anders. Aber ich stimme zu, „Dancing Queen“ ist ein echter Popsong. Er hat einen guten Anfang, der sich eher wie die Mitte eines Liedes anhört. Das Stük hat einen netten Groove. Aber „Knowing Me, Knowing You“ ist auch ein echt guter Song. „Take A Chance On Me“ macht Spaß. Ich mag „The Winner Takes It All“. Von „The Day Before You Came“, was der letzte ABBA-Song war, habe ich für die „Piano“-Platte eine sehr schöne, melancholische Version aufgenommen. Ich kann deshalb nicht sagen, dass „Dancing Queen“ mein Favorit ist.

Momentan arbeiten Sie am zweiten Teil des Musikfilms „Mamma Mia!“ Die meisten bekannten ABBA-Songs haben Sie doch schon im ersten Teil verbraten. Was kann da noch kommen?
Es wird einen ganzen Song und zwei halbe aus dem früheren Film geben, weil diese so gut zur Story passen. Der Rest, es sind 18 Songs, dürfte für Leute, die keine Hardcore-ABBA-Fans sind, nicht unbedingt geläufig sein. Es sind Lieder wie „When I Kissed The Teacher“, „I Wonder“ und „Angeleyes“. Sie funktionieren in dem Kontext des Films prima, um die Geschichte zu erzählen. Und sie bringen eine Menge Spaß.

Pierce Brosnan postete stolz ein Foto von Ihnen beiden im Studio. Wie ist es für Sie, mit Nicht-Sängern an dem Soundtrack zu arbeiten?
Pierce kann singen, er hat eine angenehme Stimme und gibt alles. Die Leute kriegen bei ihm nur den James Bond nicht aus dem Kopf. Die behaupten dann, dass ihm so was Romantisches wie „SOS“ nicht stünde. Meryl Streep kann definitiv singen. Amanda Seyfried ist eine großartige Sängerin. Und Lily James, dass Mädchen, das die Hauptfigur spielt, die junge Donna und damit Meryl Streeps Rolle, denn der Film erzählt ja die Story vor dem ersten Teil, ist sogar unglaublich gut bei Stimme! Man tut diesen Leuten also unrecht. Mir machen sie im Studio gar keine Probleme.

Ist es komisch, wenn Sie all die Hollywood-Legenden im Studio haben?
Nee, das macht Spaß. Denn sie sind ja raus aus ihrer Komfortzone, sie sind in einer Umgebung, die ihnen nicht wirklich vertraut ist. Und mir sind diese Leute auch nicht wirklich vertraut. Beide Seiten sind also gleichermaßen gespannt, was passiert. Der Umgang wird dann ganz schnell cool und easy, und alle geben ihr Bestes.