Zehn Nummer-eins-ErfolgeFreddy Quinn wird 90: So wurde der Sänger zum Star
Zehn Nummer-eins-Erfolge kann er verbuchen, auch heute noch kennen viele seinen Namen: Schlagerstar Freddy Quinn feiert seinen 90. Geburtstag.
Der arme Kerl muss viel mitgemacht haben in seinen jungen Jahren. Im „brennend heißen Wüstensand, fern, so fern dem Heimatland“. Oder als ihm ein anderer die schöne Juanita ausspannte und ihm nur noch die Gitarre blieb und das Meer, derweil daheim das Mütterlein flehte: „Junge, komm bald wieder nach Haus‘!“
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Und immer dieses verfluchte Heimweh, denn „1000 Meilen von Zuhaus‘, sieht die Welt ganz anders aus, weil es keinen Menschen gibt, der dich liebt“. Es war schon ein bitteres Schicksal, „tagaus, tagein, kein Glück, kein Heim. Alles liegt so weit, so weit.“ Das waren noch Zeiten, als Freddy Quinn (90) von seinem Los als einsamer Seemann fern der Heimat sang und die ganze Nation wohlig mitstöhnte. So erkämpfte er sich sein Alleinstellungsmerkmal als Experte für Fern- und Heimweh, ein „Fachmann der Sehnsucht“, wie die „Zeit“ schrieb.
Sein Name bleibt präsent
Das alles ist mehr als ein gutes halbes Jahrhundert her. Obwohl Freddy Quinn – mit über 60 Millionen verkauften Tonträgern neben Udo Jürgens (1934-2014) und Peter Alexander (1926-2011) der erfolgreichste Schlagerstar in Deutschland und Österreich – seit weit über 60 Jahren keinen größeren Hit mehr hatte, ist sein Name auch bei jüngeren Generationen noch präsent. Er ist halt der Freddy, denn es gibt nur den einen. Das Idol der Väter, besser gesagt: der Großväter. Am 27. September wird er 90 Jahre alt.
Berichte über ihn könnten durchaus mit „Es war einmal…“ beginnen, vor allem seine Biografie, etwa bis zum 25. Lebensjahr, die romanhafte Vita eines Abenteurers. Gleich vorweg: Freddy, der Seemann mit dem unverkennbaren Hamburger Idiom, kommt überhaupt nicht von der Waterkant, sondern aus Österreich. In Wien wurde er auf den Namen Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl getauft.
Sein Vater nimmt ihn mit in die USA, wo der Junge in Morgantown, West Virginia, eingeschult wird. Englisch wird also die zweite Muttersprache. Als seine Mutter in Wien das Sorgerecht erhielt, kam das Kind zurück nach Österreich. Inzwischen hat die Frau Mama, mittlerweile Verlegerin der beiden Zeitschriften „Tierpost“ und „Die Glocke“, den unvermögenden Rudolf Anatol von Petz geheiratet, der für ihre Blätter Tiergedichte schreibt. Er adoptiert ihren Sohn, der nun mit Nachnamen Nidl-Petz heißt.
Er war beim Zirkus
Während der letzten Kriegsjahre kommt der Junge mit der Kinderlandverschickung nach Ungarn, wo er 1945 vor der einrückenden Roten Armee flüchtet und als 13-Jähriger in Pilsen strandet. Dort stößt er auf US-Soldaten, denen er erzählt, er sei Amerikaner. So landet er mit einem Militärtransport wieder in den USA. Dort erfährt er, dass sein leiblicher Vater Johann Quinn bereits 1943 bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.
Die Amerikaner schicken ihn nach Europa zurück, er landet in Antwerpen in einem Erziehungsheim, wo er die Volksschule abschließt und Flämisch und Französisch lernt. 1946/47 findet er nach Wien zurück, versteht sich aber nicht mit seinem Adoptiv- und Stiefvater. Als 16-Jähriger reißt er aus und geht zum Zirkus und lässt sich als Akrobat ausbilden, während ihn der Tierdichter Rudolf von Petz polizeilich suchen lässt.
Kontakt mit der Fremdenlegion
Der junge Mann flieht nun per Anhalter nach Rom. Später erzählt er dem Schriftsteller Heiner Link: „In Rom holte ich mir ein Visum für Tunesien, Algerien und Marokko… Ich habe mich dann bis Palermo durchgeschlagen, nahm ein Schiff nach Tunis, von dort ging es per Autostopp nach Algerien. Ich landete in der kleinen Stadt Sidi bel Abbès, dem Ausbildungszentrum der französischen Fremdenlegion, und spielte Gitarre in einer Bar, in der auch Legionäre verkehrten… Dort sprach mich ein Ausbilder an, und ich sagte so halb aus Jux, halb aus Ernst, ich wolle in die Fremdenlegion. Der Ausbilder schlug mir vor: ‚Du machst das Basistraining mit, nach drei Wochen sehen wir uns wieder, dann entscheidest du, ob du rein möchtest oder wieder raus. Ich bin dann tatsächlich wieder raus. Das ist einzigartig in der Geschichte der Fremdenlegion, und dann …“
… kommt er nach Deutschland, landet zunächst in Fürth und tritt mit Countrysongs vor US-Soldaten auf, später beim amerikanischen Militärsender AFN in Nürnberg. Schließlich macht er sich auf den Weg nach Hamburg, wird in der Washington-Bar auf St. Pauli als „Frederico Quinn“ entdeckt und nimmt 1956 für das Label Polydor die Single „Heimweh“ auf, die im Bayerischen Rundfunk als „Schnulze des Jahres“ vor offenem Mikrophon zerbrochen wird.
Seine Karriere nimmt Fahrt auf
Es ist der Startschuss für eine große Karriere. „Heimweh“ wird ein Nummer-eins-Hit, der meistverkaufte Titel des Jahres. Da singt einer von der Ferne. Dunkler, männlicher Bariton, bisweilen hat man den Eindruck, er stehe kurz vor dem Schluchzen. So ging es damals wohl vielen, denen der gerade mal zehn Jahre zurückliegende Krieg auch die Heimat geraubt hatte?
Der Song passt aber auch perfekt zu seinem Lebenslauf. Oder ist es eher umgekehrt? Diesen Verdacht hegt der Journalist Elmar Kraushaar, Autor des Buches „Freddy Quinn. Ein unwahrscheinliches Leben“ im Berliner „Tagesspiegel“: „Des Sängers ‚Heimweh‘ muss sich aus seiner Biografie erklären, Text und Interpretation müssen eins werden mit Freddy Quinn. Schließlich will man mehr, noch mehr Erfolg. Denn ist man nicht mit dem verschütteten ‚Heimweh‘-Gefühl der Massen mitten im nachkriegsdeutschen Wirtschaftswunder auf eine Goldader gestoßen?“
Tatsächlich gibt später der Komponist und Produzent Lotar Olias, der die meisten Freddy-Songs geschrieben hat, unverblümt zu: „Ich habe einen Monat gebraucht, um Freddys Geschichte in eine für die Presse greifbare Form zu bringen.“ Und der „Tagesspiegel“ stellt fest: „Die abenteuerliche Vita des neu erschaffenen Idols ist deutlich inspiriert von dem Musical ‚Heimweh nach St. Pauli‘, das Olias geschrieben hatte, lange bevor er Freddy Quinn kennenlernte.“
Seine großen Hits
Zwischen 1956 und 1966 landet er zehn Nummer-eins-Hits wie „Heimatlos“, „Der Legionär“, „Die Gitarre und das Meer“, „Unter fremden Sternen“, „La Paloma“, „Junge, komm bald wieder“. Und weil alle Freddy so lieben, werden die Songs zu Kinofilmen wie „Freddy unter fremden Sternen“, „Freddy, die Gitarre und das Meer, „Weit ist der Weg“ etc.
Dann, Mitte der 1960er-Jahre, kommen die Beatles und Rolling Stones, und aus ist es mit der Seemannsromantik. Doch nach wie vor ist Freddy der bekannteste Hamburger Seemann. Er singt nun den Song „Wir“, in dem er die Jugendbewegung als „Gammler“ beschimpft. Später sagt er, dass ihn seine Produzenten dazu gedrängt hätten, das Lied sei „idiotisch“ gewesen.
Dafür lernt das Publikum nun den Zirkusstar Freddy kennen. Er turnt live ohne besondere Sicherung auf dem Hochseil herum, bekommt den „Zirkus-Oscar“ verliehen. Doch es wird unaufhaltsam ruhiger um ihn, was er auch sehr schätzt, denn der Rummel um seine Person ist ihm eigentlich zuwider.
Ärger mit der Justiz
Dann wird es noch einmal grell um ihn, 2004 steht er wegen Steuerhinterziehung vor Gericht, weil er mit Hauptwohnsitz in der Schweiz gemeldet war, aber überwiegend in Hamburg lebte. Freddy zahlt 900.000 Euro zurück, dazu noch 150.000 Euro Strafe und wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Durch das Verfahren wird auch bekannt, dass er seit Jahrzehnten mit seiner langjährigen Managerin Lilly Blessmann, die 2008 mit 89 Jahren stirbt, glücklich verheiratet war.
Nun lebt er seit Jahren mit einer Dame namens Rosi zusammen. „Wir können morgens ohne Probleme zwei Stunden lang frühstücken. Uns wird nicht langweilig. Rosi malt sehr gern und sehr gut. Ich repariere Uhren“, verriet er im Juli der „Neuen Post“.
Richtig einsam ist er also immer noch nicht, und zur See ist er auch nie gefahren, wie er selbst zugibt. Da wird er sich kaum gegrämt haben, dass Stefan Remmler (74), ein Star der Neuen Deutschen Welle, ein Album von Freddy-Songs aufgenommen hat. Oder dass Karl Dall (1941-2020) den Riesenhit „Unter fremden Sternen“ etwas umgetextet hat. Bei Freddy heißt es: „Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong“. Die Dall-Version lautet: „Schifft ein weißes Pferd nach Hongkong…“