Der Schauspieler wird 70Hansi Kraus: Geheimnisse eines ewigen Lausbuben
TV-Star Hansi Kraus bleibt für die meisten der Lausbub - dabei stand er in seiner Karriere in rund 90 Kino- und TV-Produktionen vor der Kamera. Am Sonntag feiert er seinen 70. Geburtstag.
Jan Christoph Krause ist der vermutlich einzige Mensch in Bayern und womöglich in ganz Deutschland, der seinem Ruf als Kind nicht entkommen kann. Der Mann ist Land auf, Land ab als Lausbub bekannt, ach was: berühmt. Das geht seit weit über 50 Jahren so und wird wahrscheinlich auch so bleiben.
Am Sonntag (26. Juni) feiert Jan Christoph Krause seinen 70. Geburtstag. Seine „Lausbubengeschichten“ werden bis heute regelmäßig im Fernsehen wiederholt – unter dem Namen, der Millionen von Kinogängern und TV-Zuschauern seit Generationen geläufig ist: Hansi Kraus. Der ewige Lausbub - ein deutsches Schicksal.
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Der Lausbub in der Literatur
Der Lausbub, wie man vor allem im süddeutschen Raum und Österreich einen frechen, stets zu Streichen aufgelegten Jungen nennt, hat die Literatur schon lange beschäftigt. Allerdings verstand zum Beispiel Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) darunter einen jungen Menschen, der zwar „kein übles Ingenium hat, aber sich durch einen schäbigen Willen unnütz macht“. Dementsprechend sahen die Gebrüder Jacob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) im Lausbuben einen „unreifen, schäbigen Menschen“.
Die beiden Übeltäter „Max und Moritz“ des Zeichners und Dichters Wilhelm Busch (1832-1908) wurden auch von Bösartigkeit angetrieben und nahmen deshalb ein schreckliches Ende, wogegen der US-Schriftsteller Mark Twain (1835-1910) einen anderen Typus erfand: witzig, träumerisch, intelligent. Sein Waisenjunge Tom Sawyer wurde der berühmteste Lausbub der Welt und „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ ein Meisterwerk der Weltliteratur.
Nicht ganz so berühmt, aber in seiner Heimat mindestens ebenso populär wurden die „Lausbubengeschichten“ des bayerischen Autors Ludwig Thoma (1867-1921), die 1905 erschienen. Thoma beschreibt darin – authentisch und fiktiv – seine eigene Kindheit um 1886 als Lateinschüler, der es faustdick hinter den Ohren hat: Ein Zwölfjähriger mischt Schule und Erwachsene auf in einem unermüdlichen Kampf gegen Verlogenheit, Scheinheiligkeit und aufgeplusterte Autorität.
Der Lausbub Jan Christoph Krause
1964 wird Thomas erfolgreichstes Buch verfilmt. Der Produzent Franz Seitz kann dafür den renommierten Regisseur Helmut Käutner sowie die Crème de la Crème der damaligen Kino- und Volksschauspieler wie Michl Lang, Beppo Brem, Franz Muxeneder, Carl Wery, Harald Juhnke, Ernst Fritz Fürbringer, Rosl Mayr, Heidelinde Weis, Michael Verhoeven und die große Elisabeth Flickenschildt gewinnen. Nur die Hauptrolle fehlt: der Lausbub Ludwig Thoma. Damit beginnt das Schicksal von Jan Christoph Krause.
Der wurde 1952 in Gliwice, Polen, geboren, das war bis 1945 deutsch und hieß Gleiwitz, eine oberschlesische Industriestadt. 1958 kam die Familie mit dem klassischen preußischen Nachnamen Krause nach München, Bayrisch war für sie eine Fremdsprache. Der junge Jan Christoph hat sich schnell eingelebt und den Münchner Dialekt auf der Straße und in der Schule gelernt, für ihn „die Sprache, in der ich mich wohlfühle“, wie er in einem Gespräch mit dem Theaterverein Tussenhausen einmal erzählt. Zu Hause habe man mehr Polnisch beziehungsweise Oberschlesisch gesprochen.
Als die Filmgesellschaft für die „Lausbubengeschichten“ in der „Abendzeitung“ einen Hauptdarsteller sucht, meinen die Krauses, ihr Sohn sei der Richtige. Das Kind ist jedoch weniger begeistert, weil es ein Bewerbungsschreiben verfassen muss – und damit eine erste wichtige Qualifikation verrät: Ein echter Lausbub ist faul.
Hansi Kraus macht erste Schritte am Filmset
Etwa 200 Kinder melden sich zum Vorstellungstermin im Restaurant „Franziskaner“. Schließlich bleibt der junge Krause übrig. Nicht zuletzt, weil er eine schalkhafte Mimik hat, intelligent und witzig ist und ein Hochdeutsch mit einer sehr schönen oberbayerischen Färbung spricht. Hätten die Verantwortlichen von vornherein gewusst, dass der Hauptdarsteller dieses urbayerischen Filmstoffs aus Polen kommt, wer weiß …
Am Set bekommen sie schnell mit, was für ein Früchtchen ihr Hauptdarsteller auch in echt ist. Gleich am ersten Drehtag merkt der Junge, dass Filmen nicht besonders lustig ist, sondern harte Arbeit. Er sagte: „Leckt’s mich am Arsch, da kann ich ja gleich in die Schule gehen, dann habe ich wenigstens am Nachmittag frei.“ Der Regisseur habe ihm danach viele Freiheiten gewährt, die er „auch schamlos ausgenutzt“ habe, erzählt er später dem Münchner „Merkur“. Einige seiner echten Streiche, zum Beispiel das Juckpulver auf dem Klopapier der Pauker, hätten sogar den Weg ins Drehbuch gefunden.
Der Film wird ein großer Erfolg, das Kinopublikum ist vor allem von der typisch bayerischen Schlitzohrigkeit des Lausbuben begeistert. Allerdings bekommt Jan Christoph Krause einen Schock: Auf dem Filmplakat sieht er nicht seinen Namen, da steht als Hauptdarsteller: Hansi Kraus. Filmproduzent Franz Seitz erklärt es ihm: Ein Mensch mit einem derart preußischen Namen könne doch nicht den bayerischen Nationaldichter Ludwig Thoma spielen. Er sei eben jetzt der Hansi Kraus, das klinge doch viel besser.
Vom Kinderstar zum Erzieher
Insgesamt fünf Filme nach Motiven der Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma werden bis 1969 gedreht. Danach verkörpert Hansi Kraus den Schüler Pepe Nietnagel in der siebenteiligen Reihe „Die Lümmel von der ersten Bank“.
In rund 90 Kino- und TV-Produktionen hat er mitgewirkt. Außer einigen Krimis („Derrick“, „Der Alte“, „Rosenheim-Cops“, „Hubert und Staller“) sind es vorwiegend Komödien oder Heimatfilme aus dem bayerischen oder österreichischen Raum. Und er spielt beim Komödienstadel Theater und ist seit 2006 Ensemblemitglied bei der beliebten Münchner Iberl-Bühne. Ein Schauspieler durch und durch?
Er habe während seiner Filmzeit festgestellt, dass er gut mit Kindern umgehen könne. Deshalb habe er nach dem Fachabitur an der Fachoberschule für Design zunächst den Beruf des Erziehers gewählt, sich aber doch für die Schauspielerei entschieden. „Ich bin zufrieden mit meiner Wahl und würde rückblickend in meinem Leben nichts anders machen. Trotz aller Durststrecken. Ich liebe meinen Beruf“, sagt er im Gespräch mit dem Magazin „Forum“.
Finanziell hat sich die Filmkarriere als Lausbub nicht sehr gelohnt, denn Hansi Kraus sagt, dass ihn seine Eltern „abgezockt“ hätten. „Die haben mir meine Filmgagen vorenthalten und für sich selbst verwendet. Das bekam ich erst alles so richtig mit, als ich selbst eine Familie gegründet hatte. Ich fragte meine Eltern, wo mein Geld ist. Und sie sagten: Dir gehört gar nichts. Da hatten sie sich bereits ein Reihenhaus in Taufkirchen gekauft“, sagte er dem „Merkur“. Er habe einen Rechtsanwalt beauftragt, „der klamüserte alles auseinander und empfahl mir zu klagen. Doch ich habe das nicht gemacht. Es waren trotz allem ja die Eltern.“ Immerhin habe er von einem Teil seiner früheren Gagen seine Eigentumswohnung anzahlen können.
„Dschungelcamp? Nix für mich!“
An seinem Beruf beklagt er, dass die Branche härter geworden sei. Man werde schnell in eine Schublade gesteckt. „Ich habe mal einen Pfarrer gespielt, und dann war ich die nächsten drei Rollen auch wieder ein Pfarrer. Bei dem Film mit Hannelore Elsner (1942-2019) und Uschi Glas (78) habe ich einen Handwerker gespielt. Danach habe ich einige Anfragen für eine Handwerkerrolle bekommen“, sagte er dem Theaterverein Tussenhausen.
Er sei halt der Hansi, der ewige Lausbub. Damit könne er gut leben, ohne sich verstellen zu müssen. So einer wie er passe auch nicht ins RTL-„Dschungelcamp“, obwohl sie viermal bei ihm angefragt hätten, so Hansi Kraus zum „Merkur“. „Wenn es um sportliche Anforderungen ginge, wäre ich dabei. Aber Scheißdreck fressen und Tieren den Kopf abbeißen, nur damit für die Zuschauer der Ekelfaktor steigt? Nix für mich!“