Neues AlbumKiefer Sutherland über Whisky, Pferde und dreckige Unterhosen

Kiefer Sutherland über Whisky, Pferde und dreckige Unterhosen
Kiefer Sutherland über Whisky, Pferde und dreckige Unterhosen

Foto: WENN.com

Paul VerhobenPaul Verhoben | 01.05.2019, 20:13 Uhr

Kiefer Sutherland über Whisky, Pferde, das Verhältnis zu seinem Vater Donald Sutherland, dreckige Unterhosen, eine Hollywood-Allstarband und seine nächsten Schauspielprojekte.

Kiefer Sutherland über Whisky, Pferde und dreckige Unterhosen

Foto: WENN.com

„Ich war der Einzige im Kindergarten, der ein Aerosmith-T-Shirt trug“, erzählt Schauspieler Kiefer Sutherland („Lost Boys“, „24“, „Designated Survivor“) beim Treffen in Hamburg mit unser großartigen Star-Autorin Katja Schwemmers amüsiert. Dieser Tage macht der 52-jährige Hollywood-Star immer öfter als Country-Musiker von sich reden, wenn er mit Cowboy-Hut, Akustikklampfe und Band die bluesigen Songs seines zweiten Albums „Reckless & Me“ vor Publikum zum Besten gibt. Im Interview erzählt er, warum er seine Zweitkarriere liebt, wie das Verhältnis zu seinem Vater und zum Whisky ist, und was Pferde mit alledem zu tun haben.

Mr. Sutherland, nicht viele Männer würden ein Album nach einem Pferd benennen!
(lacht) Mag sein. Aber ich habe mich in den Neunzigern als Rodeo-Reiter verdingt und verbrachte unglaublich viel Zeit damit, Pferde einzureiten und zu trainieren. Das war schon besonders. Mein Pferd hieß Reckless. Also schrieb ich über meine Erfahrung mit ihm ein Lied. Irgendwann konnte ich gar nicht mehr trennen, ob ich noch über das Pferd oder mich selbst schrieb. Denn ein Teil meiner Persönlichkeit ist reckless – also waghalsig.

Wie kamen Sie zu dem Rodeo-Job?
Ich bekam einfach keine Rollen mehr angeboten, die ich interessant fand. Also musste ich den Kopf frei bekommen. Ich zog von Rodeo zu Rodeo, die Stille der Nacht liebte ich besonders. Ich wurde richtig gut, gewann Preise, in 1994 und 1996 sogar die Meisterschaften. Fast zehn Jahre ziemlich erfolgreich im Rodeo-Betrieb gewesen zu sein, hatte etwas sehr Heilsames.

Reiten Sie heute noch?
Klar, aber Rodeo schon eine ganze Weile nicht mehr. Und ich wünschte, ich würde wieder mehr auf einem Pferd sitzen. Ich vermisse das wirklich.

Was haben Sie dabei gelernt?
Mal abgesehen von dem Umgang mit Pferden jede Menge über Amerika. Ich bin landauf landab gereist, entdeckte für mich New Mexico, Texas, Arizona, Utah, Washington, Oregon – davor war ich eigentlich nur in Los Angeles und New York gewesen. Ich bekam ein viel besseres Gefühl dafür, was Amerika wirklich ist. Und natürlich wurde die Americana-Musik zu meinem ständigen Soundtrack. Denn das ist die Musik, die man in besagten Bundesstaaten hört.

Und das hat Sie angestachelt?
Ja. Countrymusik war für mich eine Offenbarung! Drei Akkorde und die Wahrheit – mehr braucht sie nicht. Viele Cowboys, mit denen ich unterwegs war, mochten Johnny Cash und Kris Kristofferson. Es hat mich echt geprägt.

Ich las, Sie wünschten, mindestens 20 Jahre früher mit dem Musikmachen angefangen zu haben. Doch ohne die Lebenserfahrung von heute hätten Sie die Geschichten, die sie in Ihren Liedern erzählen, ja gar nicht parat, oder?
Das stimmt. Und ich glaube ja auch immer, dass Dinge aus einem bestimmten Grund passieren. Die Musik macht mir jedoch gerade so viel Freude, dass ich mir wünschte, diese Leidenschaft früher ausgelebt zu haben. Ich musste wohl erst an einen bestimmten Punkt im Leben kommen, wo ich das Gefühl hatte, etwas zu sagen zu haben, dass es wert ist, gehört zu werden. Großartige Künstler wie die Beatles, Bob Dylan oder David Bowie hatten bereits in ihren Zwanzigern großartige Sachen zu sagen. Aber so war es nicht bei mir.

Kiefer Sutherland über dreckige Unterhosen und mehr: Unser großes Interview

Foto: WENN.com

Den meisten Menschen mit einer Karriere wie Ihrer wäre es wohl zu mühsam, mit 50 noch mal neu anzufangen und sich etwas aufzubauen. Faul und bequem sind Sie offensichtlich nicht.
Nein, für Sachen, die man liebt, findet man Zeit. Ich liebe es, Geschichten zu erzählen. Das liebe ich auch an der Schauspielerei: Zusammen zu kommen mit einer Gruppe von Schauspielern, dem Regisseur, den Kameraleuten und der Crew und herauszufinden, wie der beste Weg ist, um die Geschichte rüberzubringen. Dasselbe gilt für die Musik. Die Songs, die ich schreibe, sind Stories. Und mit meiner Band finde ich den besten Weg, diese zu präsentieren.

Waren Sie immer schon so ein Erzähler?
Oh ja. Ich genieße es, mit Freunden in einer Bar abzuhängen und sich auszutauschen. Dass ich das ganz gut kann, liegt wohl auch an meiner Mutter und der Art, wie sie mir als Heranwachsender Geschichten erzählte: So warmherzig, dass es fast schon eine familiäre Atmosphäre kreierte. Da meine Band aus meinen besten Freunden besteht, ist es für mich nicht viel anders.

Es gibt auch eine musikalische Hommage an Ihre Mutter, Schauspielerin Shirley Douglas, auf der Platte.
Ja, „Saskatchewan“ – so hieß die kanadische Provinz, wo die Wurzeln unserer Familie liegen. 2017 hatte meine Mutter ihren dritten Schlaganfall. Ich saß im Flieger und dachte, ich sehe sie nicht mehr lebend wieder, und schrieb ihr dieses Lied darüber, wie viel sie mir bedeutet. Es war gefühlt die längste Reise, auf der ich je war. Als ich im Krankenhaus ankam, war ich mir sicher, dass sie verstorben sei. Es drang lautes Fluchen an meine Ohren. Und da lag sie – voll in ihrem Element. Es war trotzdem ein mühsamer Weg zurück ins Leben für sie. Irgendwann habe ich ihr den Song aus dem Flugzeug vorgespielt und fragte, wie sie ihn fände. Sie antwortete: „Du weißt aber schon, dass ich nicht in Saskatchewan begraben werden will, oder?“ Ich bejahte. Dann meinte sie: „Okay, dann liebe ich das Lied.“ (lacht)

Kiefer Sutherland über dreckige Unterhosen und mehr: Unser großes Interview

Foto: Warner Bros.

Gibt es auch Filme, die Sie zu Songs inspirierten?
Ja! Es war ein langweiliger Freitagabend. Ich schaute „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“. Da gibt es eine Szene mit einer ergreifenden Liebeserklärung, in der der Typ zu Bridget Jones sagt: „Du bist genau richtig so, wie du bist.“ Es traf mich wie ein Schlag, und ich wünschte mir, so was würde auch mal jemand zu mir sagen.

Hält Sie die Musik jung?
Meine Midlife-Crises hatte ich schon vor ein paar Jahren. (lacht) Aber ja, es hält mich jung. Denn live vor Leuten aufzutreten, ist eine Herausforderung und lässt dich konstant deinen Blickwinkel überprüfen. Und das ist alles, was ich will: Vom Leben herausgefordert werden, damit ich die Möglichkeit habe, zumindest jung im Herzen zu bleiben.

Sie sollen eine ausgeprägte Liebe zum Whisky haben. Da kommt Ihnen das Tourleben vermutlich sehr entgegen?
Oh, ich würde das mit dem Whisky gerne mehr strapazieren und die ganze Nacht in Bars rumhängen. Denn ich treffe dort immer interessante Leute. Und natürlich finde ich all die verrückten Geschichten, die ich über The Who und Led Zeppelin im Suff hörte, großartig. Aber die Wahrheit ist: Du kannst es nicht tun. Wenn du vier Shows am Stück spielen sollst, tötet der Whisky deine Stimme. Zu meinem großen Bedauern komme ich also nicht so viel in den Genuss davon wie mir lieb wäre. Auch wenn der Whisky meine erste Liebe war. Und ich meinen ersten Lovesong folgerichtig in einer Bar schrieb.

Also lieber mit O-Saft zu Bett?
Nein, so schlimm ist es nun auch nicht. Ich gönne mir schon ein, zwei Whisky nach dem Konzert. Ich trinke am liebsten J&B Scotch. Und ich trinke ihn so wie beim ersten Mal; damals war ich 15 Jahre alt und spielte Theater. Und der Scotch war so stark, dass ich ’ne Cola hinterher gießen musste. Das mache ich heute noch so.

Und wie sieht’s mit dem anderen Laster aus, dem Rauchen?
Das ist leider etwas, wovon ich es noch nicht geschafft habe, mich zu verabschieden. Ich würde es lieben, einfach irgendwo rumzustehen, ohne ständig eine Zigarette in der Hand zu halten. Aber ich rauche schon mein ganzes Leben. Aber ich arbeite dran.

Fühlen Sie sich wie ein Rockstar?
Nein, wo denken Sie hin!

Warum nicht?
Weil ich es nicht bin. Wir spielen Konzerte vor 1500 Leuten. Es ist eine absolute Ehre und ein Privileg, dass überhaupt jemand bei irgendeiner Show auftaucht. Es ist immer noch alles so neu. Die meisten Leute, denen ich begegne, wissen nicht mal mehr, dass ich Musik mache. Das muss sich also noch rumsprechen und entwickeln, bis ich mich Rockstar nennen darf. (lacht)

Fühlen Sie sich sexy auf der Bühne?
Nein, so gar nicht.

Kiefer Sutherland über dreckige Unterhosen und mehr: Unser großes Interview

Foto: Michael Wright/WENN.com

Könnten Sie sich vorstellen, eine Allstar-Band zu gründen mit Kevin Costner, Kevin Bacon, Steve Martin und all den anderen schauspielernden Country-Musikern, die Sie vermutlich alle persönlich kennen?
Nein, ich glaube nicht, dass ich mir das vorstellen könnte. Ich bin mit Costner und Bacon befreundet. Ich halte Steve Martin für einen unglaublich guten Banjo-Spieler. Aber all diese Leute machen Musik, die sehr persönlich für sie ist. So ist es auch bei mir. Und so sollte es bleiben. Ich wäre überrascht, wenn sich unsere Wege auf die Art kreuzen würden.

Was sagt denn Ihr Vater, der Ehren-Oscar-Preisträger Donald Sutherland, zu Ihrer späten Musikkarriere?
Ich habe noch nie mit ihm darüber gesprochen. Ich weiß nicht mal mehr, ob er überhaupt meine Musik gehört hat, um ehrlich zu sein.

Kommt das, weil sie nicht so eine enge Bindung zu ihm haben, da Sie nach der Scheidung Ihrer Eltern bei der Mutter aufwuchsen?
Er arbeitet einfach jede Menge, momentan ist er Tschechien. Und ich war für drei Jahre mit der Netflix-Serie „Designated Survivor“ beschäftigt. Wir haben uns seit über einem Jahr nicht mehr gesehen – aber so war es ja fast unser Leben lang. Und wenn wir uns dann sehen, sprechen wir im Allgemeinen über meine Brüder oder meine Kinder, und wie es uns und ihm geht – weniger über die Arbeit. Aber wenn ich ihn wiedersehe, werde ich bestimmt mit ihm über meine Musik reden. Ich würde es lieben, ihn bei einem meiner Konzerte zu sehen – so ist das nicht.

Haben Sie Kindheitserinnerungen an Ihren Vater?
Bei meinem Vater gab es keine Regeln, bei meiner Mutter war das komplett anders. Ein Bild meines Vaters hat sich bei mir eingeprägt: Er drehte gerade „Mash“ und trug diese langen Haare. Er besaß einen roten Ferrari Roadster mit einer Acht-Spur-Tonbandmaschine, auf der er in Dauerschleife Bob Dylan abspielte. Er tat dies die ganzen Siebziger lang, denn er hatte nur diese eine Platte. Es war eine schöne unschuldige Zeit mit meinem Dad.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Red Stitch The Actors’ Theatre (@redstitch) am Nov 8, 2017 um 12:39 PST

Sie haben ein Lied für Ihre 31-jährige Tochter Sarah Sutherland geschrieben (Foto oben), die Ihnen in den Schauspielberuf gefolgt ist. Wie findet Sie ihren Vater als Musiker?
Sie war bei vielen meiner Shows. Sie ist auch sehr gut befreundet mit meinem Drummer. Sie hat es also von Anfang an verfolgt und ist stolz, dass ich es ausprobiert habe. Mir sagt sie immer, sie mag meine Musik. Ich will es ihr mal glauben. (lacht) „Song For A Daughter“ habe ich geschrieben, als ich sehr emotional wurde, weil ich so wenig zu Hause war und damit sie sich daran erinnert, wie sehr ich sie liebe, selbst wenn ich eines Tages nicht mehr da sein sollte.

Sie sagten mal, Arbeit und Liebe wären die zwei essentiellen Dinge im Leben. Sie arbeiten viel, aber was ist mit der Liebe?
Ich bin sehr verliebt und eng mit meiner Familie, mit meinen Kindern und meinen Nichten und Enkeln. Ich habe eine Gruppe von Freunden, die mir sehr am Herzen liegt. Die großen Lieben, die ich hatte, waren Menschen. Und ich habe viel Glück gehabt mit den Leuten, die in mein Leben traten.

Fällt Ihnen das Kontakthalten auf Tour schwer?
Einige Freunde sind ja bei mir, in meiner Band. Andere sehe ich leider nicht so oft wie ich es mir wünschen würde. Das macht es dann aber auch noch mal extraschön, nach Hause zu kommen.

Genießen Sie das Tourleben trotzdem?
In vollen Zügen! Wenn wir unterwegs sind, sind wir eher selten in Hotels. Wir schlafen normalerweise im Bus! Die Gitarre ist nie weit weg von mir und wenn ich irgendwie Zeit und Ruhe habe, findet sie automatisch den Weg in meine Hände. Ich bin mittlerweile ziemlich gut an dem Instrument.

Was muss bei Auftritten in Ihrer Garderobe vorhanden sein?
Socken und Unterhosen! Denn die Möglichkeiten, Wäsche zu waschen, sind auf Tour sehr limitiert. Es ist mir egal, wenn ich schmutzige Jeans tragen muss. Aber bei Unterwäsche und Socken hört der Spaß auf.

Und bei schlechtem Essen?
Genau. Wenn ich mal nicht auf Tour bin, dann gehe ich zum Markt und bereite daraus die Speisen selbst zu. Kochen habe ich durch meine Kinder gelernt. Ich war ein junger Vater und hatte keinen Plan. Also beschloss ich, es auszuprobieren. Auf Tour geht das natürlich nicht.

Ist es nicht ein sehr viel stressigeres Leben verglichen mit dem des Schauspielers?
Mich erinnert es an die Zeit, als ich 2011 am Broadway mein Theater-Debüt in dem Drama „That Championship Season“ gab. Die Tagesstruktur war sehr ähnlich. Alles konzentriert sich auf die zweieinhalb Stunden, die man abends spielt. Nur muss ich beim Musikmachen dabei auch noch von Stadt zu Stadt reisen, was ich wiederum vom Rodeo kenne. Aber sobald die Tour erst mal läuft, ist es Leben ein sehr einfaches Leben.

Werden Sie auch wieder Schauspielern?
Aber selbstverständlich! Vor anderthalb Monaten haben wir die nächste Staffel von „Designated Survivor“ abgedreht, die Anfang Juni auf Netflix zu sehen sein wird. Mit der bin ich diesmal echt glücklich. Ich hoffe, den Leuten gefällt’s auch.

Welcher Charakter ist denn schwieriger zu spielen: Tom Kirkman aus „Designated Survivor“ oder Jack Bauer aus der TV-Serie „24“?
Jack Bauer war eine der großen Privilegien in meinem Leben und eine Ehre für mich als Schauspieler. Die Rolle kam genau im richtigen Moment. Ich wünschte, ich selbst wäre ein bisschen mehr wie Jack Bauer, aber nicht mal an einem sehr guten Tag bin ich so wie er. Ich habe wesentlich mehr mit Tom Kirkman gemeinsam, den ich ebenfalls gerne spiele. Es ist allerdings eine große Herausforderung einen Nobody, der plötzlich US-Präsident wird, authentisch rüberzubringen, auch wenn es dafür ja gerade reale Vorbilder gibt.

Stimmt es, dass eines Ihrer Tattoos auf Jack Bauer verweist?
Nein, es gab ein Tattoo, das ich aus persönlichen Gründen haben wollte. Ich hab es mir also stechen lassen. Und es war auf meinem Unterarm. Aber immer, wenn sie mich in einem kurzärmligen Shirt filmten, sah man es. Damit wir es nicht jeden Tag überschminken mussten, schrieben sie eine Geschichte ins Script, warum da ein Tattoo ist.

Das Album von Kiefer Sutherland „Reckless & Me“ ist seit letzter Woche zu haben.