Berliner Kult-KomikerKurt Krömer wird 50: Anarchie und Entertainment

Will sich in Zukunft netter und verletzlicher geben: Anarcho-Entertainer Kurt Krömer. (tj/spot)
Will sich in Zukunft netter und verletzlicher geben: Anarcho-Entertainer Kurt Krömer. (tj/spot)

imago/Stefan Schmidbauer / STEFAN_SCHMIDBAUER

SpotOn NewsSpotOn News | 20.11.2024, 06:45 Uhr

Seit über drei Jahrzehnten mischt Kurt Krömer mit anarchistischem Humor und Berliner Schnauze die deutsche Comedy-Szene auf. Am heutigen 20. November wird er 50 Jahre alt.

Kurt Krömer (50) ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Comedy-Szene. Statt sein Publikum mit gut vorbereiteten Pointen zum Lachen zu bringen, setzte er von Anfang an auf subversiven Schabernack und spontane Interaktion mit Publikum und Bühnengästen. Dabei bringt er seine bissige Berliner Schnauze wie eine Waffe zum Einsatz.

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Wie Krömer, der am 20. November 1974 in West-Berlin als Alexander Bojcan zur Welt kam, in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" berichtete, begann er seine schrille Komiker-Karriere bereits als Jugendlicher. Seinen berüchtigten trockenen Humor und die Eigenart, sein Gegenüber mit dreisten Unverschämtheiten auflaufen zu lassen, habe er in seiner Schulzeit in rauen Arbeiterbezirken wie Neukölln und dem Wedding auch als Überlebensstrategie entwickelt.

Große Klappe als Überlebensstrategie

"Ich war dick gewesen in der Pubertät", erklärte Krömer in dem Gespräch. "Und damals, so in der siebten Klasse, wirst du natürlich aufgezogen damit. Und da habe ich gemerkt, dass ich mir durch meine Sprüche Respekt verschaffe. Ich konnte verbal unheimlich gut kontern, und dann ist Ruhe eingekehrt. Das habe ich natürlich auch bei den Lehrern angewandt."

Mit seiner todesmutigen Dreistigkeit habe er sich selbst bei den knallharten Jungs an seiner Schule Respekt verschaffen können, die mit Messern rumgelaufen seien und anderen Mitschülern Geld abgezockt hätten. "Ich war nicht so der Schlägertyp", so der heutige Star-Comedian. "Jacken wurden mir auch nicht weggenommen, meine Sachen wollte eh keiner haben. Ich war mit meiner Mutter immer bei C&A oder H&M. Den anderen haben sie die Jacken abgezogen und dann mir geschenkt, damit ich was Anständiges zum Anziehen hatte".

Möglicherweise war dies einer der Gründe dafür, dass Alexander Bojcan nach seinem Schulabgang nach der zehnten Klasse erst einmal eine Ausbildung als Herrenausstatter begann. Nach einer kurzen Weile brach er diese jedoch wieder ab, um sich mit Jobs als Hilfsarbeiter auf dem Bau oder in Putzkolonnen über Wasser zu halten.

Von der Baustelle auf die Comedy-Bühne

In dieser Zeit, Anfang der 1990er Jahre, habe er damit angefangen, seine kauzigen Pöbeleien auf die Bühne zu bringen. Zunächst in dem winzigen Varieté-Theater "Scheinbar", wo er ohne Honorar und mit zunächst nur bescheidenem Erfolg auftrat. "Am Anfang ging es den Zuschauern am Arsch vorbei. Dann gehst du am nächsten Tag wieder auf den Bau…" erinnert sich Krömer. "Aber irgendwie dachte ich mir: Mach weiter, das wird schon. Außerdem hatte ich ja auch meine Lehre abgebrochen und mir alles verbaut, da konnte nur noch die Bühne kommen."

Seinen Künstlernamen habe er seinerzeit kurzerhand von seinem ehemaligen Deutschlehrer übernommen. Kurt Krömer habe man sich einfach besser merken können, außerdem habe dieser Name einfach einen perfekt piefigen Klang gehabt. Dem "Stern" erklärte er dazu in gewohnter Offenherzigkeit: "Ich sehe aus wie Leute, die seit 50 Jahren in der Stadtsparkasse Paderborn in einer leitenden Position arbeiten, ein bisschen miefig und piefig, die aber dennoch den Punk verbreiten. Man sieht aus wie Heintje, spricht aber wie Marilyn Manson".

Mit Kurt Krömer hatte er eine unterhaltsame Kunstfigur entwickelt, deren Übergänge zu der bürgerlichen Person Alexander Bojcan bewusst fließend gehalten wurden. Wie der Komiker zugibt, sei es ihm selbst nicht immer leichtgefallen, die beiden Charaktere auseinanderzuhalten. Mit einiger Beharrlichkeit gab er so lange auf kleinen Bühnen den schrägen Anarcho-Clown, bis er sich in seiner Heimatstadt Berlin endlich einen Namen gemacht hatte.

Durchbruch mit der "Kurt Krömer Show"

Den großen Durchbruch feierte er schließlich 2004 mit seinem ersten TV-Format "Die Kurt Krömer Show", die bis 2005 beim Sender "rbb" ausgestrahlt wurde. Für seine nächste Sendung "Bei Krömers" wurde der neue Shootingstar der Comedy-Szene 2006 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, was ihn dazu inspirierte, noch mehr in die Vollen zu gehen und mit "Krömer – Die internationale Show" im Nachtprogramm der ARD weiterzumachen.

Nach einem Ausflug in die Filmwelt, unter anderem mit einer Hauptrolle in der Filmkomödie "Eine Insel namens Udo" (2011), folgten weitere TV-Spektakel wie "Krömer – Late Night Show" (2012-2014) und zuletzt ab 2019 seine berühmt-berüchtigte Interview-Show "Chez Krömer", in die der Komiker nach eigener Beschreibung "Freunde und Arschlöcher" einlud, um mit ihnen in einer Art Verhörraum extrem konfrontative Gespräche zu führen. Für Schlagzeilen sorgte im Dezember 2022 seine letzte Sendung, bei der das Gespräch mit dem Comedian Faisal Kawusi (33) derartig eskalierte, dass Krömer die Show kurzerhand genervt abbrach und seinen Gast allein in den Kulissen sitzen ließ.

Neustart nach Beschäftigung mit Depressionen

Zu diesem Zeitpunkt hatte Krömer bereits sein autobiografisches Werk "Du darfst nicht alles glauben, was du denkst" veröffentlicht, in dem er die Depressionen beschrieb, unter denen er eigenen Angaben zufolge bereits seit Jahrzehnten leide. Seine Therapie und seine Beschäftigung mit der Krankheit habe ihn auch dazu gebracht, seine Bühnenfigur Kurt Krömer neu zu überdenken. "Mit der Therapie wurde das Korsett, entweder ein Arschloch oder ein netter Typ sein zu müssen, für mich zu eng", verriet er dazu dem "Spiegel".

Mit neuen Bühnenprogrammen abseits der Fernsehkameras und in seinem neuen Podcast "Feelings" wolle er sich zukünftig weniger provokativ und dafür verletzlicher und privater geben. Zu seiner letzten Bühnenshow "Die Gönnung steigt" sagte er in dieser Hinsicht: "Das Programm ist zu 90 Prozent autobiografisch, jeder Gag hat einen echten Kern. Wäre ja öde, wenn ich mit knapp 50 Jahren noch die Witzchen machen würde, die ich vor 20 Jahren gemacht habe." Und er fügte hinzu: "Man muss sich als Komiker weiterentwickeln."