Er wäre 60 Jahre alt gewordenMichael Westphal: Ein Tennisstar wie eine Sternschnuppe
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Action Press / United Archives GmbH
Tennisstar Michael Westphal starb 1991 mit nur 26 Jahren. Erst zehn Jahre nach seinem Tod wurde die Todesursache publik. Am heutigen 19. Februar wäre er 60 Jahre alt geworden.
Es war einmal ein junger Mann, der wollte unbedingt ein Tennisheld werden. Das schaffte er auch – dann starb er. So als hätte er alles erreicht, was man im Leben erreichen kann.
So könnte man, stark verkürzt, in drei Sätzen Michael Westphal (1965-1991) beschreiben, der kurze Zeit ein Liebling der Deutschen war. Sein Tod mit nur 26 Jahren war der tragische Schlusspunkt des Lebens eines Sportlers, dessen Name allmählich in Vergessenheit gerät. Am 19. Februar wäre er 60 Jahre alt geworden.
Michael Westphal gab sich kühnen Träumen hin
"Die Deutschen wollen endlich einen Weltklassespieler. Ich will ihnen den Gefallen tun", hatte Michael Westphal gesagt. Das war 1983, und er war gerade mal 18 Jahre alt. Der gebürtige Pinneberger hatte die Schule nach der Mittleren Reife verlassen, um Tennisprofis zu werden – und gab sich kühnen Träumen hin.
Er galt als Riesentalent, hatte 1980 die U-16-Junioren-Europameisterschaft gewonnen, stand 1984 im Finale des ATP-Turniers von Livingston (US-Bundesstaat New Jersey) und schaffte es bis ins Halbfinale in München, bei dem er einen gewissen Boris Becker (57) schlug. Seine beste Platzierung in der Tennisweltrangliste erreichte er 1986 mit Platz 49.
Becker war zwei Jahre jünger, dessen erster, sensationeller Wimbledon-Sieg von 1985 versetzte Deutschland in einen kollektiven Tennisrausch, der mit Assen wie Becker, Steffi Graf (55) und Michael Stich (56) weit über ein Jahrzehnt anhielt.
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Vom potentiellen Weltranglistenersten zum "Versager"
In diese sportlichen Sphären ist Michael Westphal nie aufgestiegen. Doch im Davis-Cup, dem wichtigsten Wettbewerb der Tennis-Nationalmannschaft, wurde er ein Held mit einem dramatischen Fünf-Satz-Sieg gegen den tschechoslowakischen Weltstar Tomáš Šmíd (68). Mit diesem Match trat er aus Beckers Schatten heraus. Für einige Experten war es nur eine Frage der Zeit, dass das Ausnahmetalent Michael Westphal irgendwann die Weltrangliste anführt.
Bis 1986 bestritt er 19 Davis-Cup-Einzelpartien für Deutschland, danach setzte eine rätselhafte Serie von Niederlagen ein. Michael Westphal verlor fast jedes Spiel, bei 13 Grand-Prix-Turnieren schied er bereits in der ersten Runde aus und rutschte ab auf Platz 285 der Weltrangliste.
Schnell begann in den Medien das böse Wort "Versager" zu kursieren, Kritiker hielten ihm vor, seinen Beruf nicht mit dem nötigen Ernst und Engagement auszuüben. Und weil Westphal einmal gesagt hatte, dass "Tennis nicht alles im Leben" sei, wurde ihm vorgehalten, er sei trainingsfaul und nicht bereit sich zu quälen.
Schließlich ließen ihn seine Werbepartner und Ausrüster fallen, ebenso sein Verein Blau-Weiß Neuss. Mit 24 musste Michael Westphal von seinen Ersparnissen leben. "Am meisten schmerzte, dass ich ausgezählt wurde wie ein k.o. geschlagener Boxer", sagte er.
Der 1,91 Meter große, lockige Athlet mit dem Aussehen eines Filmstars spürte, dass es ihm nicht nur körperlich immer schlechter ging. Er litt unter Herzrhythmusstörungen, Haarausfall und Hautallergien, unterzog sich Chemotherapien und längeren Krankenhausaufenthalten, magerte bis auf 55 Kilo ab. In der Öffentlichkeit sprach er von einem "Infekt".
"Rätselhaftes Virus" – Jessica Stockmann bricht das Schweigen
Am 20. Juni 1991 starb Michael Westphal mit 26 in der Hamburger Uniklinik. In einigen Nachrufen ist von einer Infektion mit einem "rätselhaften Virus" die Rede.
2001 gab seine frühere Lebensgefährtin, die Schauspielerin Jessica Stockmann (58), die mittlerweile mit Westphals Freund und Kollegen Michael Stich (56) verheiratet war, bekannt, dass eine Aids-Erkrankung die Todesursache war. Der Schwerkranke wollte sich nicht der massiven Ausgrenzung und Stigmatisierung aussetzen, mit der die Gesellschaft der 1980er- und 1990er-Jahre auf Aids-Infizierte reagierte. Stockmann berichtete außerdem, dass ihr Westphal das Versprechen abgenommen habe, zehn Jahre lang seine tatsächliche Krankheit zu verschweigen.
Sensationsheischende Schlagzeilen und wilde Spekulationen
"Doch auch ein Jahrzehnt später löst die Nachricht von der wahren Ursache für Westphals frühen Tod immer noch Raunen, sensationsheischende Schlagzeilen und wilde Spekulationen aus. Hatte sich Westphal als 16-Jähriger bei einer drogenabhängigen Mitschülerin infiziert oder auch sexuelle Erfahrungen mit Männern gehabt?", schreibt das Magazin der Deutschen Aidshilfe.
Diesen und ähnlichen Gerüchten begegnete Jessica Stockmann mit einem Interview. Michael sei ein "einziges Mal fremdgegangen. Das muss Anfang oder Mitte der 1980er gewesen sein. Ich habe das nicht weiterverfolgt und weiß auch nicht, wer die Frau war".
So bleibt von Michael Westphal, dessen sportlicher Ruhm schon zu seinen Lebzeiten wie eine Sternschnuppe verglüht ist, die Erinnerung an ein tragisches Sterben. Oder wie es der NDR formulierte: "ein Schattendasein."