Interview zu neuem BuchMiriam Höller nach Stunt-Unfall: „Joggen funktioniert nicht mehr“
Die ehemalige Stuntfrau Miriam Höller musste 2016 innerhalb weniger Wochen einen schweren Unfall und den Tod ihres Lebensgefährten verkraften. So geht es ihr heute.
Zwei schwere Schicksalsschläge kurz hintereinander haben Miriam Höller (37) 2016 den Boden unter den Füßen weggezogen: Bei einem Helikopter-Stunt in High Heels brach sie sich beide Füße und musste ihre Karriere als Stuntfrau beenden. Wenige Wochen später kam ihr Lebensgefährte Hannes Arch (1967-2016) bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Wie sie wieder auf die Beine gekommen ist, schildert die 37-Jährige in ihrem Buch "Das Leben ist ungerecht: Und das ist gut so" (Econ).
Im Interview mit spot on news sagt die ehemalige "Germany's next Topmodel"-Kandidatin, die gerade ihre neue Liebe zu Koch und Moderator Roland Trettl (53) öffentlich gemacht hat, über ihren verstorbenen Partner: "Hannes ist für mich mittlerweile sehr weit weg und das ist auch gut so." Außerdem verrät die Vortragsrednerin und Autorin, welche körperlichen Einschränkungen sie nach ihrem Unfall heute noch hat.
In "Das Leben ist ungerecht: Und das ist gut so" haben Sie Ihre Geschichte aufgeschrieben. Was bedeutet das Buch für Sie?
Miriam Höller: Das Buch ist in den vergangenen acht Jahren entstanden. Ich habe aus therapeutischen Zwecken angefangen zu schreiben, als ich im Krankenhaus lag, nachdem ich mir die Füße gebrochen hatte. Man merkt beim Lesen dieser Zeilen, dass das die Miriam ist, die damals geschrieben hat. Der letzte Abschnitt eines Kapitels ist schließlich immer die Miriam, die heute auf die Situation schaut und ihre Lehren teilt. Dadurch ist es eine sehr gute Mischung aus echter Lebensgeschichte und der reflektierten Miriam, die jetzt Menschen ermutigt.
Es bedeutet gleichzeitig für mich einen Abschluss von diesen Tiefschlägen, und vor allem auch ein Loslassen der Vergangenheit. Denn ich habe noch nie mit so viel Freude auf die Zukunft geblickt wie jetzt. Es war wirklich viel Arbeit zu heilen, ich hatte viele Kämpfe, habe mich intensiv mit mir und dem Leben auseinandergesetzt, aber jetzt freue ich mich so richtig auf das, was kommt.
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Wie lange haben Sie mit Ihrem Schicksal gehadert?
Höller: Ich habe immer darauf gehofft, irgendwann sagen zu können, dass ich Frieden mit der Vergangenheit geschlossen habe. Dieser Moment kam ganz unspektakulär zu Hause, nach sieben Jahren. Auch in der Zeit davor konnte ich glücklich sein und ein schönes Leben führen. Nur dieses tiefe Gefühl, Frieden mit dem Leben, mit mir und mit dem, was mir passiert ist, geschlossen zu haben – das hat wirklich Jahre gedauert. Deswegen kommt das Buch auch jetzt erst raus. Ich brauchte Zeit zu verstehen, zu verarbeiten, um es schlussendlich reflektiert weiterzugeben.
In dem Buch beschreiben Sie Ihren Tiefpunkt nach dem Tod Ihres Partners. Sie waren nahe dran, selbst mit dem Leben abzuschließen. Wie denken Sie heute über diese schwerste Phase?
Höller: Auch nach vielen Recherchen und nach allem, was ich gelesen und gelernt habe, weiß ich, dass suizidale Gedanken gar nicht so unnormal sind. Zugleich ist es für mich aber verrückt, heute auf die Miriam von damals zu schauen. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch, der so im Leben steht und so voller Lebensfreude ist, in kürzester Zeit so tief fallen kann. Dass im Leben etwas so Schlimmes passieren kann, dass ich an allem zweifele, hätte ich nicht für möglich gehalten. Dadurch, dass ich das erlebt habe, gehe ich heute ganz anders mit dem Leben und auch mit mir um. Ich bin viel sanftmütiger zu mir, weil ich weiß, wie zerbrechlich ich als Mensch bin und wie unsicher das Leben ist.
Sie haben schließlich einen Sinn in Ihrem Leid gefunden, machen anderen Menschen auch als Speakerin Mut. Wer hat Ihnen damals Halt gegeben?
Höller: Ich hatte und habe ein tolles Umfeld, sei es meine Familie, Freunde, aber auch Bekannte, die Ähnliches erlebt haben. Zugleich weiß ich heute aber auch: Du kannst noch so ein gutes Umfeld und noch so viel Unterstützung haben – wenn du nicht kämpfen willst, werden alle anderen um dich herum auch müde. Es hat mir geholfen, mir immer wieder die Frage zu stellen: Willst du in der Opferrolle sein oder Verantwortung übernehmen? Und das frage ich mich bis heute. Es liegt wirklich an dir selbst, mit welcher Haltung du durch das Leben gehst.
Wie haben Ihnen Fachleute und Selbsthilfegruppe geholfen?
Höller: An den Menschen, die Ähnliches erlebt haben, konnte ich mich orientieren und meinen Schmerz in Relation setzen. Mit der professionellen Hilfe habe ich darüber hinaus Antworten gefunden, unter anderem in Gesprächen, in denen mir gute Fragen gestellt wurden. Das kann ich jedem empfehlen.
Gab es einen Punkt, an dem Sie der Verbitterung nahe waren?
Höller: Auf jeden Fall. Der Punkt war ganz oft da. Es war nicht so, dass ich konstant einen Prozess durchlaufen habe, in dem es jeden Tag ein bisschen besser wird. Das ist ein ständiges Auf und Ab. In einem Moment glaubst du, es verstanden zu haben, und am nächsten Tag ist es wieder furchtbar. Am Ende wird man für das konstante Dranbleiben belohnt und für dieses immer wieder Aufstehen, für mutige Entscheidungen und für das Rausgehen ins Leben.
Wie unterscheidet sich die Miriam von vor den Schicksalsschlägen am deutlichsten von der von heute?
Höller: Die Miriam von früher war die Stuntfrau, die sich unaufhaltbar und zum Teil unsterblich gefühlt hat. Die sehr naiv und leichtfüßig, optimistisch durchs Leben gegangen ist. Die Tiefschläge haben vor allen Dingen eine Sache mit mir gemacht: An dem Tag, an dem die Nachricht kam, dass Hannes gestorben ist, bin ich von jetzt auf gleich erwachsen geworden. Es war das Gefühl: Jetzt ist es vorbei mit Spaß, jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Ich merke bis heute, dass diese Tiefschläge, weil sie so schnell hintereinander kamen, eine Ernsthaftigkeit in mein Leben gebracht haben. Das nehme ich aber nicht als negativ wahr, sondern als ein Eintauschen. Ich sehe mich heute als sehr starke, gereifte, souveräne Frau, die viel wertschätzender mit sich, mit den Menschen um sich herum und mit der Zeit umgeht. Ich bin gelassener, liebevoller und klarer geworden. Ich bin mir viel bewusster darüber, wie schnell alles vorbei sein kann und deswegen genieße ich das Leben und lebe das Leben heute auch anders als vorher.
Wie steht es um den körperlichen Heilungsprozess nach den Fußbrüchen?
Höller: Ich bin nie wieder die geworden, die ich früher war. Das wird auch nie wieder werden. Heute kann ich wieder so gehen, dass man mir die schweren Verletzungen nicht ansieht. Aber Joggen beispielsweise funktioniert nicht mehr. Auch damit habe ich lange gehadert. Aber geht es darum, in alte eigene Fußstapfen zu treten oder darum, sich weiterzuentwickeln und im entschiedenen Moment neu zu erfinden? Ich frage mich: Was steckt in meiner Vergangenheit an Wert für meine Zukunft? Sich neu zu erfinden, ist viel Arbeit, aber auch ein Prozess des Lebens. Ich möchte heute gar keine Stuntfrau mehr sein. Ich muss nicht mehr aus Flugzeugen springen. Aus meinem Schmerz ist auch Wertvolles entstanden, sodass ich heute Menschen beibringe, in ihrer eigenen Geschichte die Schönheit in der Zerstörung zu finden.
Haben Sie Rituale, mit denen Sie Ihrem verstorbenen Partner gedenken?
Höller: Hannes ist für mich mittlerweile sehr weit weg und das ist auch gut so. Ich habe jetzt Lust auf Zukunft. Jahrelang habe ich darauf gehofft, dass er vielleicht doch noch mal zurückkommt. Aber es ist sehr wichtig, zu verstehen, dass wir loslassen müssen, damit wir weiterziehen können. Hier und da denke ich, dass das jetzt Hannes gewesen sein könnte, der mir wieder eine neue Chance vor die Füße schmeißt oder mich vielleicht ein bisschen durchs Leben führt. Das sind schöne Gedanken, die mir das Leben leichter machen. Allerdings möchte ich den Fokus nicht mehr auf meine Vergangenheit richten. Das war eine wunderschöne Zeit, auf die ich mit Dankbarkeit und Wertschätzung blicke. Und jetzt geht es einfach nur noch nach vorne.
Hilfe bei Depressionen und Suizidgedanken bietet die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummer: 0800/111 0 111