"Verlässlichkeit und Überraschung"Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl erklären das „Tatort“-Erfolgsrezept
Was ist das "Tatort"-Erfolgsrezept und wie hat sich das Krimiformat in 50 Jahren verändert? Das sagen Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec dazu.
Die Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec, 66) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, 62) ermitteln gemeinsam mit den Dortmunder Kommissaren in den beiden zusammenhängenden Crossover-Folgen „Tatort: In der Familie“ (1 und 2), die an den nächsten beiden Sonntagen (29.11./6.12., 20:15 Uhr, das Erste) ausgestrahlt werden. Mit den Schauspielerin Wachtveitl und Nemec („Eine Weihnachtsgeschichte“) sind also zwei Stars und echte Urgesteine der Krimireihe bei den Jubiläumskrimis dabei. Regelmäßig landen sie unter den Top 3 in Beliebtheitsumfragen.
Nach Ulrike Folkerts (59) als Kommissarin Lena Odenthal (seit 1998) ermitteln sie seit 1991 und damit am zweit längsten in der Sonntagskrimireihe. Ganz oben auf dem Treppchen landen die Münchner Ermittler sogar bei der Anzahl der ausgestrahlten Folgen – und kein Ende ist in Sicht. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news anlässlich des großen „Tatort“-Jubiläums erklären die beiden Experten, was ihrer Ansicht nach das Erfolgsrezept der Reihe ist und wie diese sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
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Der „Tatort“ feiert 50-jähriges Jubiläum. Zurecht? Warum ist kein Ende in Sicht?
Miroslav Nemec: Dass er sich so lange hält, bestätigt wohl, dass die Leute es mögen. Ob das berechtigt ist oder nicht, entscheiden nicht wir, sondern die Zuschauer. Wir machen es so, wie wir glauben, dass es am besten ist. Wenn die Leute dem Format so lange treu bleiben, dann kommt es zurecht zu einem solchen Jubiläum.
Udo Wachtveitl: Es liegt wohl auch daran, dass im „Tatort“ oft die richtige Balance getroffen wurde. Auf der einen Seite die berechtigte Erwartung der Zuschauer, einen spannenden Krimi erzählt zu bekommen. Also im Grunde ein Mord, der nach 90 Minuten aufgeklärt ist, das ist das Schema, das für fast alle Folgen gilt. Auf der anderen Seite muss dieses Muster immer wieder neu interpretiert und variiert werden, der Zuschauer muss überrascht werden. Verlässlichkeit und Überraschung, dieser Balanceakt ist wohl relativ oft gelungen. Deshalb sind die Zuschauer auch geneigt, es am nächsten Sonntag wieder zu probieren.
Seit 1991 sind Sie Teil des „Tatorts“. Wie hat sich der Krimi seitdem verändert?
Nemec: Insgesamt ist alles qualitativer geworden – der Schnitt, die Drehbücher, die Dialoge. Das liegt auch daran, dass die Sehgewohnheiten der Zuschauer anspruchsvoller geworden sind.
Wachtveitl: Die Professionalität am Set ist auf jeden Fall gestiegen. Auch das Filmhandwerk hat sich verbessert. Ob damit durchgängig eine höhere Qualität der Drehbücher einhergeht, das will ich nicht beurteilen, dazu müsste ich noch ein paar hundert „Tatorte“ mehr anschauen. Aber auf jeden Fall hat die Aufrüstung bei den Endgeräten etwas verändert. Bild und Ton sind technisch viel besser und detailreicher geworden. Auch das größere Format hat einen Wandel mit sich gebracht. Schließlich muss man links und rechts 30 Prozent mehr inszenieren, mehr ausstatten, mehr Komparsen hinstellen.
Nemec: An den eigenen „Tatorten“ kann man das sehr gut erkennen. Wenn ich zum Beispiel einen 20 Jahre alten Fall anschaue – da sind allein das Schnitttempo, der Erzählpuls und leider da und dort auch unser eigenes Spiel völlig anders. Das hat auch mit den Regisseurinnen und Regisseuren zu tun, die jünger sind und es anders umsetzen. Auch die Kameraleute und Drehbuchautoren sind heute sehr innovativ. Es wird insgesamt einfach eine bessere Qualität geliefert. Selbst bei unserem eigenen Spiel.
Wachtveitl: Da habe ich eine leicht abweichende Meinung. Wie gesagt, das filmhandwerkliche Niveau hat sich gehoben, musste es auch, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Aber gute Geschichten und Dialoge gab es auch früher schon.
Können Sie sich an den ersten „Tatort“ erinnern, den Sie je gesehen haben?
Wachtveitl: Ich weiß nicht, welcher es war. Aber ich weiß, dass ich mit aufgestütztem Kinn auf dem Teppich vor dem Fernseher lag und es ganz aufregend und toll fand.
Nemec: Das war einer mit Zollfahnder Kressin [überregionale Ermittlungen, gespielt von Sieghardt Rupp (1931-2015), A.d.R.]
Wachtveitl: Ja, den kenne ich auch noch.
Welcher Alt-Kommissar hat für Sie Kultstatus?
Nemec: Das ist Kommissar Finke [ermittelte in Schleswig-Holstein] alias Klaus Schwarzkopf [1922-1991]. Der war sehr gut.
Wachtveitl: Blöd, dass du schneller warst als ich. Ich hätte auch Finke gesagt. Was ich bei dem so besonders fand: Der war sehr persönlich, ohne privat zu sein. Er hat nicht irgendwelche Privatmätzchen erzählt, von dem wusste man fast gar nichts. Aber allein der Tonfall, wie er eine Frage gestellt hat, was er alles in einen Blick legen konnte. Das ist ein erstrebenswertes Ziel, sich nicht in Privatangelegenheiten zu ergehen und trotzdem die ganze Persönlichkeit zu zeigen.
Nemec: Ich muss noch den Gustl Bayrhammer [1923-1993, ermittelte als Kommissar Veigl in München] nennen. Den kannte ich persönlich und der Gustl hatte auch dieses Potenzial als Figur.
Wachtveitl: Stimmt, der Gustl hatte das auch.
(amw/ili/spot)