Die Schauspielerin im InterviewNatalia Wörner: „Wir sollten aufhören, uns selbst zu zensieren“
"Ich sehe es als eine Verpflichtung an, sich für Themen einzusetzen, die einem nah am Herzen liegen", erklärt Natalia Wörner im Interview. "Mein Thema sind und bleiben hier die Frauen: Gleichberechtigung, Gleichstellung, gesellschaftliche Toleranz und Solidarität."
Schauspielstar Natalia Wörner (54) setzt sich schon seit vielen Jahren leidenschaftlich für Frauenrechte ein. Erst vor Kurzem erschien ihre Dokumentation „A Women’s Story“, in der sie auf starke, selbstbewusste Frauen trifft. Auch für die aktuell laufende International Anti-Street Harassment Week (03.-09. April), mit der auf Belästigungen in der Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden soll, macht sich die 54-Jährige stark und unterstützt unter anderem die „StandUp“-Initiative von L’Oréal Paris.
„Ich sehe es nahezu als eine Verpflichtung an, sich für Themen einzusetzen, die einem nah am Herzen liegen“, erklärt die Schauspielerin im Interview und verrät, wie prägend ihre Kindheit für Ihren heutigen Kampf war.
Sie sind in einem Vier-Generationen-Haushalt unter Frauen aufgewachsen. Wie sehr hat Sie das in Ihrem heutigen Kampf für Frauenrechte und Gleichberechtigung geprägt?
Natalia Wörner: Ich denke, dass die Tiefe der Prägung, so aufgewachsen zu sein, sich über die Jahre vollkommen entfaltet hat. Die Tatsache, dass ich in einem Vier-Generationen-Haushalt ohne Geschlechterhierarchien aufgewachsen bin, hat meine ureigene DNA definiert. Bei uns in der Familie lag die Autorität rundum bei den Frauen, bei meiner Schwester, Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Mir wurde von Anfang an eine eher unideologisch geprägte Emanzipation vorgelebt und damit geschenkt. Ich sehe es nahezu als eine Verpflichtung an, sich für Themen einzusetzen, die einem nah am Herzen liegen und für die man brennt. Mein Thema sind und bleiben hier die Frauen: Gleichberechtigung, Gleichstellung, gesellschaftliche Toleranz und Solidarität.
Video News
Welche Rolle hat Ihr Vater in Ihrer Erziehung gespielt?
Wörner: Mein Vater war nicht Teil unseres Alltags, mit ihm verbrachten wir Wochenenden und Ferien. Ich möchte allerdings seinen Einfluss nicht unterschätzen, in künstlerischen Bereichen gab es früh einen intensiven Austausch mit ihm.
Welche Frauen sind bis heute Ihre großen Vorbilder?
Wörner: Es ist für mich ein großes Geschenk, meine eigene Dokumentation „A Women’s Story“ realisieren zu können und da ging es mir unter anderem darum, Vorbilder zu zeigen. Frauen, die aus ganz unterschiedlichen Lebens- und Berufswelten kommen und die ihren eigenen Weg gehen. Die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, um nur ein Beispiel zu nennen, ist sicherlich ein Vorbild und dabei sehr nahbar und authentisch. Aber auch Andie MacDowell zuzuhören, wie sie über ihre Mutter spricht oder Helen Mirren, wie sie ihre Berufsanfänge skizziert, ist nicht minder interessant. Letztendlich geht es darum, Impulse zu setzen und Frauen Mut zu machen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Was macht für Sie eine starke Frau aus?
Wörner: Ich habe mit dem Begriff „starke Frau“ per se meine Mühen. Was ist denn das Gegenteil? Eine schwache Frau? Ich würde mir wünschen, dass wir aufhören, uns selbst zu zensieren, ohne beschönigen zu müssen oder in irgendeiner Form einem Narrativ hinterherlaufen, das nicht das eigene ist. Authentisch sein und darüber hinaus eine Großzügigkeit entwickeln, die auch anderen Menschen zuteilwird, ist sicherlich ein großer Schritt in die eigene Stärke.
Wie schätzen Sie die Generation der jungen Frauen aktuell ein?
Wörner: Ich finde, die Selbstverständlichkeit, mit der junge Frauen den Raum einnehmen und ausfüllen, der ihnen zusteht, wundervoll. Das ist eines meiner Hauptanliegen: jungen Frauen Mut zu machen, ihren Weg zu gehen.
Haben auch Sie Momente, in denen Sie an sich zweifeln, und was machen Sie dagegen?
Wörner: Natürlich habe ich Momente des Zweifelns, des Strauchelns, des Hinterfragens und ich versuche, mich dem so transparent wie möglich zu stellen. Nicht immer habe ich die richtigen Antworten – das auszuhalten und auch zu würdigen, lernt man im Laufe des Lebens. Ich glaube, ich bin mit mir am allerwenigsten geduldig.
Aktuell läuft die International Anti-Street Harassment Week gegen Belästigung in der Öffentlichkeit. Sie engagieren sich für viele soziale Projekte. Welche liegen Ihnen aktuell besonders am Herzen?
Wörner: Aktuell nutze ich gemeinsam mit L’Oréal Paris den Raum und die Zeit der Internationalen Anti-Street Harassment Week, um sich mit anderen Gruppen, Aktivisten und Aktivistinnen, sowie Initiativen weltweit vereint zu positionieren. Wir erheben gemeinsam die Stimme gegen Catcalling, sexistische Kommentare, Stalking oder körperliche Übergriffe. Das sind globale Probleme, die insbesondere für Frauen Bestandteil des Alltags sind. Die Initiative „StandUp – gegen Belästigung in der Öffentlichkeit“ ist eine tolle Möglichkeit, erst theoretisch Handlungsanweisung zu erhalten, um sie später praktisch umzusetzen. Wer sich dann sich in einer realen Situation wiederfindet und eine Grenzüberschreitung beobachtet, kann sich sinnvoll deeskalierend einbringen, um den betroffenen Frauen zu helfen. Das Prinzip ist einfach und überall anwendbar. Wichtig ist nur, dass sich auch die eingreifende Person keiner Gefahr aussetzt.
Mein gesamtes gesellschaftspolitisches Engagement hat sich natürlicherweise aufeinander aufbauend entwickelt. Ich habe 2004 den Tsunami erlebt und auf diesem Ereignis beruhend einen eigenen Verein gegründet. Daraus entwickelte sich mein Engagement für die Kindernothife, die ich nun seit 15 Jahren begleite. 2020 war ich Mitinitiatorin von #sicherheim, einer Initiative, die sich dem Thema häusliche Gewalt widmet. Die Erfahrung, dass die eigenen vier Wände schutzbedürftig und verletzbar sind, ist in Zeiten von Corona ein brennendes Thema.
Neben all diesen Engagements arbeiten Sie auch als erfolgreiche Schauspielerin. Viele arbeitende Mütter haben ständig mit schlechtem Gewissen zu kämpfen. Kennen Sie diese Momente?
Wörner: Ja, zumal ich als Schauspielerin ja in Blöcken weg bin, Dreharbeiten dauern in der Regel fünf bis sechs Wochen, das kann ein Mutterherz zerreißen. Da mein Sohn jetzt älter ist, sind die Themen andere und leicht fallen mir diese Zeiten auch heute noch nicht. Es ist ein Teil unseres Alltages, diese Lebensrhythmen zu integrieren und sie bleiben eine Herausforderung.
Welche Werte haben und wollen Sie Ihrem Sohn auf den Weg geben?
Wörner: Ich sehe, dass mein Sohn alles hat, was er braucht, um in einer Welt zu leben und sie zu gestalten, die das Miteinander aller Geschlechter auf Augenhöhe begreift.