Spazierengehen ist gesundRaus an die frische Luft! Warum Gehen das neue Laufen ist

Ob in der Stadt oder der Natur und egal zu welcher Jahreszeit: Spazierengehen hat zahlreiche Vorteile. (ncz/spot)
Ob in der Stadt oder der Natur und egal zu welcher Jahreszeit: Spazierengehen hat zahlreiche Vorteile. (ncz/spot)

gbh007

SpotOn NewsSpotOn News | 11.02.2025, 19:31 Uhr

Vitamin D, Glücksgefühle und mehr Energie: Mit Spaziergängen können wir unsere Gesundheit fördern - körperlich und mental. Dr. Thomas Schneider gibt im Interview Tipps für den optimalen Spaziergang.

Spätestens seit den Corona-Lockdowns erlebt Spazierengehen ein wahres Comeback. Die Lust am Gehen zieht sich durch alle Altersgruppen. Und das aus gutem Grund! Denn Spazierengehen ist weit mehr als nur eine entspannte Freizeitbeschäftigung: Die sanfte Bewegung kann Körper und Geist gleichermaßen stärken – und ist für viele Menschen eine bessere Wahl als Joggen. Einige Studien zeigen sogar, dass Spaziergänge das Risiko, an Krebs oder Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken, verringern kann. Warum das so ist und wie man den Spaziergang optimal gestaltet, erklärt Dr. Thomas Schneider, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Video News

Spazierengehen ist spätestens seit den Corona-Lockdowns wieder sehr beliebt geworden. Woran liegt das?

Dr. Thomas Schneider: Wer es sportlich langsamer angehen möchte, der ist als Spaziergänger gesundheitlich auf dem besten Weg: Körper und Seele profitieren rundum – und das ohne großen Aufwand oder erhebliche Kraftanstrengung. Lässt es der Job zu, so ist die Mittagspause ideal für etwas Bewegung an der frischen Luft: Der kleine "Ausflug" ins Grüne senkt den Blutdruck, macht den Kopf frei und bietet Entspannung pur.

Welche körperlichen Vorteile hat das Spazierengehen?

Dr. Schneider: Spazierengehen ist Wellness pur für Körper und Geist: Sich bewusst und konsequent zu Fuß fortzubewegen, stärkt Immunsystem, Psyche und Muskulatur, bringt Herz und Kreislauf sanft in Schwung und entschleunigt Schritt für Schritt. Kurzum: Wer mehrmals die Woche längere Strecken läuft, der erhöht Lebensqualität und Kondition und kann seine Lebenszeit wesentlich verlängern, wie Studien belegen. Dabei gilt allerdings gerade für untrainierte Anfänger: Überfordern Sie sich bitte nicht. Starten Sie langsam und steigern Sie dann Strecken und Tempo gegebenenfalls moderat – aber nur, wenn Sie dazu Lust und Kondition haben.

Kann Spazierengehen effektiver bzw. gesünder als andere Ausdaueraktivitäten wie Joggen sein?

Dr. Schneider: Ich denke, solche Vergleiche sind wenig zielführend. Wichtig ist es, sich kontinuierlich zu bewegen. Litten früher viele Menschen unter den harten Bedingungen körperlicher Arbeit, so sind die meisten Arbeitnehmer heute reine "Schreibtischtäter" – und genau das ist das Problem: Verspannte Nacken und Schultern, aber auch Arthrose, Hexenschuss und Bandscheibenvorfälle sind mögliche Folgen des Dauersitzens, der Zwangshaltung und permanenter Bewegungslosigkeit. Spazieren gehen bietet eine gute und praktische Möglichkeit, dem gesundheitlich entgegenzuwirken. Regelmäßige Spaziergänge fördern das Immunsystem, stärken Herz und Kreislauf sowie Blutgefäße und senken die Cholesterinwerte – ohne Gelenke und Muskeln zu überfordern. Außerdem nehme ich bei regelmäßigen zügigen Spaziergängen ab, wenn auch weniger als beim Joggen. Wechsle ich vom Schlender-Modus in eine schnellere Gangart, so ist Spazierengehen zudem auch als Ausdauertraining ideal.

Eine moderate Schrittgeschwindigkeit vorausgesetzt, eignen sich regelmäßige Fußmärsche übrigens auch für ältere Menschen und Arthrose-Patienten – insbesondere in der kalten Jahreszeit. Denn dann bewegen wir uns oft viel zu wenig und der Stoffwechsel wird gebremst. Spaziergänge sind da ein exzellentes "Gegenmittel", selbst bei beginnendem Knie-Verschleiß – vorzugsweise auf weichem Untergrund wie etwa Waldboden oder Wiesen.

Warum ist es selbst in geringer Intensität so effektiv?

Dr. Schneider: Selbst bei langsamen Spaziergängen fördere ich meine Gesundheit erheblich. Denn die gesteigerte Sauerstoffeinnahme fördert den Stoffwechsel, Sonnenstrahlen helfen der Vitamin-D-Produktion und der Effekt, den "Kopf frei zu kriegen", ist auch nicht zu unterschätzen. Ich stärke Gefäße und Immunsystem. Die Gefahr, an Krebs oder Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken, nimmt ab, wie Studien zeigen.

Was passiert, wenn wir regelmäßig Spazieren gehen?

Dr. Schneider: Wer kontinuierlich zu Fuß geht, der stärkt nicht nur Herz- und Kreislaufsystem, sondern unter anderem auch Bauch- und Rückenmuskulatur. Muskelverspannungen in Schultern und Rücken lösen sich und die Gelenke werden mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgt – und somit am Leben erhalten.

Außerdem sind kontinuierliche Spaziergänge bei Sonnenlicht die beste Osteoporose-Prävention: Durch das Licht im Freien bildet sich Vitamin D in der Haut, was die Einlagerung von Kalzium im Knochen fördert. Der Handlungsbedarf ist erheblich: Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung unterschreitet mehr als die Hälfte aller Männer und Frauen den Grenzwert zur empfohlenen Vitamin-D-Konzentration im Blut.

Was halten Sie von den 10.000 Schritten am Tag, von denen wir oft hören?

Dr. Schneider: Es kommt weniger auf die zurückgelegten Distanzen an, als vielmehr auf regelmäßige und altersgerechte Bewegung. Auch wer regelmäßig nur 3.000 oder 4.000 Schritte absolviert, tut viel für seine mentale und körperliche Fitness. Empfehlenswert ist zügiges Gehen, aber es muss nicht ein Tempo sein, bei dem man außer Atem kommt. Empfehlenswert ist es, Leistungsdruck zu vermeiden und mit Spaß und Freude durch die Natur zu gehen.

Was ist eine optimale Dauer/Strecke für einen täglichen Spaziergang?

Dr. Schneider: Ideal ist ein täglicher Spaziergang von etwa einer halben Stunde. Wer aus dem Spaziergang ein Fitness-Training machen möchte, der kann zwischendurch beispielsweise Kniebeugen etc. machen oder es einmal auf kurzen Strecken mit Rückwärtsgehen probieren. Diese ungewöhnliche Gehvariante ist – wie auch das Rückwärtslaufen – empfehlenswert, um Rücken- und Beinmuskulatur zu stärken. Die Koordination wird besonders geschult, das Zusammenspiel der Muskeln lässt sich gezielt verbessern. Die sonst übliche, immer gleiche Belastung des Körpers wird komplett geändert. Wichtig ist aber auch hierbei ein Training mit Maß und Ziel – insbesondere für Anfänger: Besser erst einmal nur für ein paar Meter in den Rückwärtsgang gehen und dann Strecken und Tempo eventuell Schritt für Schritt etwas erweitern. Achtsam und bewusst durchgeführt, kann dies somit eine absolute Bereicherung üblicher Spaziergänge sein.

Dr. Thomas Schneider ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Akupunktur, manuelle Therapie. Der Fuß- und Sprunggelenkspezialist leitet das Bewegungs- und Ganganalysezentrum der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Seit Jahren beschäftigt sich der Mediziner zudem auch als Buchautor (u.a. "Wenn die Ferse schmerzt", riva Verlag) sowie TV-Experte ("Kaffee oder Tee", "Planet wissen", SWR) mit dem Thema Gehen.