Die vielen Seiten des Tiroler KünstlersTobias Moretti: „Ich bin ein gut geerdeter Mensch“

Tobias Moretti (vorne) als Otto von Glanzberg in "Steirermord" - hier mit Chefinspektor Sascha Bergmann (Hary Prinz) und seiner Kollegin Anni Sulmtaler (Anna Unterberger). (ili/spot)
Tobias Moretti (vorne) als Otto von Glanzberg in "Steirermord" - hier mit Chefinspektor Sascha Bergmann (Hary Prinz) und seiner Kollegin Anni Sulmtaler (Anna Unterberger). (ili/spot)

ARD Degeto Film/Allegro Film/Toni Muhr

SpotOn NewsSpotOn News | 13.02.2025, 14:47 Uhr

Er ist einer der profiliertesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum. Nun spielt Tobias Moretti einen "herrlich absurden" Grafen im neuen "Steirermord". Im Interview erklärt er seine Definition von Erfolg.

Der vielseitige Charakterdarsteller Tobias Moretti (65) gehört zu den profiliertesten Schauspielern im deutschsprachigen Raum. Am 13. Februar (20:15 Uhr, das Erste) ist er als exzentrischer Graf Otto von Glanzberg in der neuesten Episode der österreichischen Landkrimireihe "Steirermord" zu sehen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der Tiroler über sein besonderes Verständnis von Erfolg, die übergeordnete Bedeutung des Theaters und er erklärt, wie er nach emotional aufwühlenden Rollen zurück in den Alltag findet. Darüber hinaus verrät der bodenständige Künstler, warum der Valentinstag für ihn und seine Familie eine ganz besondere Bedeutung hat.

Sie zählen zu den bekanntesten Schauspielern im deutschsprachigen Raum. Dennoch haben Sie schon betont, dass Sie sich nicht als typischen Schauspielstar sehen. Wie definieren Sie für sich den Begriff "Erfolg"?

Tobias Moretti: Im künstlerischen Sinn bedeutet Erfolg für mich, wenn es gelingt, eine Rolle, eine Figurenkonstellation schlüssig und glaubwürdig zu entwickeln und diese auch dem Publikum zu vermitteln. Gerade das Theater definiert sich ja darüber, dass es sich an ein Publikum richtet. Und wenn es gelingt, umso besser.

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Ihre Karriere umfasst nicht nur Film und Fernsehen, sondern auch Theater. Was bedeutet die Bühne für Sie, und was gibt Ihnen das Live-Erlebnis vor Publikum?

Moretti: Ohne Theater kann ich mir mein künstlerisches Leben gar nicht vorstellen, da komme ich her, das ist für mich quasi die Ur-Form des Spielens, auch eine unmittelbare Kommunikation mit den Menschen, die dort sitzen. Auf der anderen Seite bietet die Nähe der Kamera die Möglichkeit von Intimität, von minimalen Nuancen, die man im Theater nicht bis in die letzte Reihe sichtbar machen kann.

Als Schauspieler verkörpern Sie unterschiedlichste Charaktere – vom Wiener Kommissar bis hin zu historischen Figuren. Gibt es eine Rolle, die Sie besonders geprägt hat?

Moretti: Vielleicht anders formuliert: Es gibt Arbeiten, die mich geprägt haben. Das liegt nicht nur an der Rolle, sondern auch an der Gesamtkonstellation von Rolle, Stück oder Drehbuch, Kolleginnen und Kollegen und Regie. Am Theater fällt mir dazu spontan der "Troilus" ein, den ich als junger Schauspieler an den Münchner Kammerspielen gespielt habe, oder der "Ottokar" bei den Salzburger Festspielen und am Burgtheater.

Im Film war die Zusammenarbeit mit Heinrich Breloer für "Speer & Er" sicher besonders, nur einem historisch so verantwortungsvollen Regisseur kann man sich mit so einer Figur anvertrauen. Auch "Das finstere Tal" mit Andreas Prochaska hat sich mir eingeprägt oder "Das ewige Leben" und "Trenker" mit Wolfgang Murnberger, oder "Bad Banks" und "Deutschstunde" mit Christian Schwochow.

Viele Ihrer Rollen sind tiefgründig und fordern emotionalen Einsatz. Ich denke etwa an "Hirngespinster" (2014). Wie gelingt es Ihnen, nach intensiven Dreharbeiten wieder in den Alltag zurückzufinden?

Moretti: Dieser schizophrene Charakter in "Hirngespinster" war sicher ein extremer Grenzgang, in seinen Höhenflügen und seiner Verlorenheit. Eigentlich bin ich ein gut geerdeter Mensch, glaube ich, und mein Alltag ist viel mit Arbeit, auch körperlicher Arbeit "gesegnet", und das hilft natürlich. Aber ich muss zugeben, wenn einen eine Rolle eine Weile begleitet hat, fühlt sich eine letzte Vorstellung oder ein letzter Drehtag schon wie ein ganz merkwürdiger Abschied an. Und da kann es sogar passieren, dass ein Rollencharakter, den man eigentlich froh ist loszuwerden, sowas wie Melancholie zurücklässt.

Als nächstes sind Sie in einer Episodenhauptrolle in der beliebten Landkrimireihe zu sehen. Was hat Sie an der Rolle des Grafen Otto von Glanzberg in "Steirermord" besonders gereizt?

Moretti: Das ist so ein herrlich absurder Charakter, ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Einerseits ist er durch und durch Aristokrat mit Familienstolz, andererseits provoziert er diese niedergehende Familie ständig, zum Beispiel durch seine so gar nicht standesgemäßen Heiratspläne.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen, insbesondere Hary Prinz und Anna Unterberger? Welches lustige Erlebnis von hinter den Kulissen können Sie erzählen?

Moretti: Also nach wie vor ist die Szene der ersten Familienzusammenführung mit Petra Morzé, Hary Prinz, Anna Unterberger und dieser absurden Familie eine herrliche Erinnerung. Diese Szene hat für mich den Film geprägt, und wenn so etwas im ersten Viertel des Filmes gelingt, erzählt sich danach viel über das Selbstverständnis. Das war eine äußerst gelungene und erfolgreiche Arbeit.

Die Dreharbeiten zu "Steirermord" fanden in der Steiermark statt, einer Region mit atemberaubender Natur. Wie erleben Sie solche Kulissen?

Moretti: Auf jeden Fall nicht als "Kulisse". Es gehört zu den Privilegien unseres Berufs, dass man immer wieder eine Weile in den unterschiedlichsten Regionen arbeiten kann. Es ist ja was ganz anderes, ob man eine Gegend als Tourist bereist oder dort etwas zu tun hat, den Menschen kommt man jedenfalls sehr viel näher bei der Arbeit. Auch nach so vielen Jahren und so vielen Orten und Drehorten bin ich immer wieder fasziniert von der Vielfalt Österreichs. In Deutschland geht es mir auch manchmal so; es war ebenso besonders, während der "Deutschstunde" auf friesischen Inseln zu drehen, wo man abends nicht weiß, ob man morgens mit dem Boot wegkommt.

Den Impro-Film "Die Hochzeit" von Jan Georg Schütte haben Sie in Ihrer Heimat gedreht. Mögen Sie das gern oder vermischen sich dann Privatleben und Beruf zu sehr?

Moretti: Nein, ich drehe sehr gern in Tirol, wohne dann aber meistens nicht zuhause, damit ich ganz in die Figur und in die Geschichte eintauchen kann. "Die Hochzeit" war eine ganz herausfordernde und wunderbare Arbeit für mich, diese Mischung zu finden aus einer aus mir heraus improvisierten Figur und mir selber. Auf den Film freue ich mich schon sehr.

"Steirermord" wird am Tag vor dem Valentinstag ausgestrahlt. Was bedeutet Ihnen und Ihrer Frau dieser Tag?

Moretti: Mit der Kommerzialisierung des Valentinstages habe ich weniger am Hut. Die Tradition kommt ja aus dem Englischen und wird schon im "Hamlet" besungen, das ist schon eher mein Zugang. "My funny valentine" ist übrigens eines meiner Lieblingslieder von Chet Baker. Aber… für uns ist es sowieso jedes Jahr ein Glückstag, weil es der Geburtstag unseres Sohnes ist.

Abseits der Schauspielerei sind Sie auch ein passionierter Musiker. Gibt es Pläne, Ihre musikalische Seite stärker in den Vordergrund zu rücken, oder ist es eher ein Hobby?

Moretti: Die Musik greift immer wieder in mein berufliches Leben hinein, ich baue Programme mit Musik-und-Text-Collagen, habe Opern inszeniert und vor einigen Jahren in Wien in der Oper Mackie Messer in der "Dreigroschenoper" gesungen. Mein dramatisches Verständnis ist durch und durch mit Musik verbunden, darum ist sie in meinem Spielerberuf ständig gegenwärtig.