Die Mager-Debatte geht weiterMager-Influencer: SO krank macht der Trend wirklich – und Instagram schaut weg
Wie schädlich das Folgen von mageren, vermeintlichen Instagram-Models ist, zeigen jetzt neue Beweise und Experimente. Doch Instagram und Facebook kehren die Wahrheit lieber unter den Teppich.
Die Diskussionen um den schädlichen Einfluss von super dünnen Influencern reißen nicht ab: Jetzt veröffentliche das Wall Street Journal einen Bericht darüber, wie Mager-Ikonen à la Eugenia Cooney ihre Follower krank machen (können).
Whistleblowerin und Ex-Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen behauptet in dem Artikel, dass Instagrams Muttergesellschaft Facebook interne Untersuchungen über die gefährlichen Auswirkungen der Plattform auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen ignoriert und die Beweiszahlen vertuscht hat. Aber auch zahlreiche andere Experimente belegen den schädlichen Einfluss von offensichtlich essgestörten Online-Stars.
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So tricksen die Plattformen die User aus
Für ein Experiment der Reset Tech und des Tech Transparency Project (TTP) kreierten Programmierer den Fake-Account einer Frau, die auf Instagram nach dem Hashtag #Thinspiration suchte – einem bekannten Begriff in der Magersucht-verherrlichenden Pro-Ana-Welt. Sofort schlug die Empfehlungsmaschine von Instagram ihr vor, anderen „Thinstagram“-Konten zu folgen, die oft Bilder von untergewichtigen Frauen zeigten.
Zudem erhielt die Test-Frau kurz darauf unaufgeforderte Direktnachrichten von einem angeblichen „Coach“ für Gewichtsabnahme, eine Einladung zu einem „Pro-Anorexie“-Gruppenchat und Anfragen von anderen Nutzern, die nach „Freundinnen“ suchten, die sie bei gefährlichen Gewichtsabnahme-Zielen unterstützen sollten. Oftmals verschwimmt auch die Grenze, schließlich gibt es kein Gesetz dazu, wann dünn zu dünn ist. So zum Beispiel bei Carolin Deisler, die vegane Ernährung und Essensratgeber vermarktet, braun gebrannt und schön ist, aber dennoch grenzwertig mager.
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Video News
Eugenia Cooney: angeblich ungefährlich
Das Testkonto von TTP folgte einer einzigen Influencerin, Eugenia Cooney, die in Pro-Ana-Kreisen eine wahre Mager-Ikone ist. Cooney hat mehr als 700.000 Follower auf Instagram, über 850.000 Follower auf TikTok und mehr als 2 Millionen Follower auf YouTube. Sie ist auf allen drei Plattformen verifiziert! Ein Sprecher von Instagram bestätigte, dass Cooneys Konto nicht gegen die Richtlinien des Unternehmens verstößt und für alle Nutzer empfehlenswert ist. Die Sprecherin fügte hinzu, dass das Konto „oft genutzt wird, um Geschichten der Genesung zu teilen“.
Es gibt keinerlei Genesungs-Videos auf Cooneys Seite, geschweige denn eine Stellungnahme zu ihrer Krankheit oder den Vorwürfen bezüglich ihrer Mutter. Stattdessen postet sie fröhlich weiter Videos im Weihnachts-Kostüm.
Thinfluencer lieben Instagram
Dieses stellt nur das jüngste von mehreren Experimenten dar, die zeigen, dass Instagram verheerende Folgen für User haben kann und nicht genügend Vorsicht walten lässt, wenn es um das Thema Essstörungen. Oder, wie die Autorin des Wall Street Journals behauptet, absichtlich in die andere Richtung schaut. Schließlich melden sich viele Teenager und junge Menschen bei der Plattform an, gerade um gleichgesinnte auf ihrem verrückten Plan zu finden oder sich (th)inspirieren zu lassen.
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Magerwahn: Facebook und Instagram schauen lieber weg
Der neue Bericht zeigt angeblich auch, wie die Plattform die Bildung selbstzerstörerischer Online-Gemeinschaften gefördert hat – und wie Instagram und Facebook es versäumt haben, gefährdete User zu schützen. Es gibt unzählige Accounts, die aufgrund ihrer bedenklichen Inhalte immer wieder gesperrt werden, so wie der des polnischen Mager-Models Wilkomira. Die gibt sogar zu, ihren Account immer wieder unter neuem Namen re-aktiviert oder neu aufgelegt zu haben. Jedes Mal mit Erfolg.
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Aufforderungen zu Direktnachrichten: Sofort löschen!
Eine weitere Gefahr, die Instagram noch nicht unterbinden konnte, sind Nutzer, die anfällige Opfer für Essstörungen häufig direkt ansprechen und dazu drängen zu verschlüsselten Chat-Apps zu wechseln. Die Regeln von Instagram für Direktnachrichten unterscheiden sich deutlich von den Regeln dafür, was in einem Beitrag oder einem Kommentar gesagt werden darf. Sie sind kaum reguliert und Pro-Ana-Anhänger und Vorreiter haben leichtes Spiel, neue User zu generieren und die Krankheit somit voranzutreiben.
„Auch wenn Magersucht nicht durch Instagram oder Social Media ausgelöst würde, könnten diese extremen Bilder bei jungen Frauen, die ohnehin an einer Essstörung leiden, diese weiter verstärken“ sagt Rebecca Knoche, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Mediclin Seepark Klinik.
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Es bedarf mehr Aufklärung und Transparenz
Instagram erklärte in einem Blog-Post von Februar 2021, dass „DMs für private Unterhaltungen gedacht sind“ und daher „nutzen wir keine Technologie, um Inhalte wie Hassreden oder Mobbing proaktiv zu erkennen, so wie wir es an anderen Stellen tun.“
Doch leider ist es dadurch auch möglich schädliche und gefährliche Inhalte zu teilen. Wie zum Beispiel die von Eugenia Cooney und Wilkomira, die so aussehen, als würden sie der todbringenden Krankheit bald erliegen. Ein Armutszeugnis von Facebook und Instagram und ein weiterer Grund für uns über die Gefahren dieser Influencer und ihren schädlichen Einfluss aufzuklären.