Mirella, Sanjel, Yvonne Reaction-Videos: So scheffeln YouTuber Kohle mit Kritik an „Die Bachelorette“ & Co.
Deutschland liebt seine Reality-TV-Formate! Wer braucht schon die „Kardashians“, wenn man es sich an fast jedem Tag der Woche mit „Der Bachelorette“, „Temptation Island“, „Ex on the Beach“ oder „Das große Promi-Büßen“ so richtig auf dem Sofa gemütlich machen kann. Aber wir Otto Normalverbraucher sind nicht die einzigen, die vom deutschen Trash profitieren.
Mittlerweile hat sich nämlich aus der unterhaltsamen Reality-Sparte eine ganz neue Berufsgruppe herauskristallisiert: Reaction-Video-YouTuber. Das sind YouTuber, die jede Folge „Temptation Island“, „Ex On The Beach“, „Bachelorette“ oder „Sommerhaus“ noch einmal vor der Kamera ihrer Fans gucken, Revue passieren lassen und bissig kommentieren und dadurch selber ziemlich viel Fame bekommen.
Viele Reality-Fans verzichten mittlerweile darauf, sich die langen Folgen auf RTl+ oder RTLZwei ganz anzuschauen und amüsieren sich lieber mit dem Zusammenfassungen der YouTuber, inklusive witziger Kommentare und Roasts. Aber was haben diese YouTuber eigentlich davon? Und springt dabei viel Geld heraus?
mirellativegal: Deutschlands bekannteste Reaction-Youtuberin
Es gibt mittlerweile eine Hand voll YouTuber in Deutschland, die mit ihren Reaktionen auf „Promis unter Palmen“ oder „Die Bachelorette“ mehr Klicks erhalten, als die eigentliche Sendungen im Fernsehen. Relativ bekannt sind Marcneto, Mr. Trash TV, Sanijel Jakimovski, Yvonne Mouhlen, Davinci Talks oder Ramon Wagner. Ganz vorne aber liegt Mirella Precek (30), alias „mirellativegal“.
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Mit über einer halbe Millionen Abonnenten auf YouTube und fast selbiger Anzahl an Followern auf Instagram ist Mirella als YouTuberin und selbsternannte „Sinnfluencerin“ mittlerweile ziemlich beliebt. Auf ihrem YouTube-Kanal „mirellativegal“, für welchen sie 2017 mit dem Playaward in der Kategorie „Comedy“ prämiert wurde, kommentiert die erst kürzlich gewordene Mutter TV-Sendungen wie „Temptation Island VIP“ oder „Die Bachelorette“ und spricht über Themen wie Nachhaltigkeit und Veganismus.
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Mirella bestätigt den Erfolg ihrer Videos auch gegenüber DWDL.de: „Meine Videos erreichen je nach Sendung und Thema zwischen 300.000 und teilweise 700.000 Aufrufe, mitunter also höhere Zahlen als die Formate im linearen Fernsehen selbst haben“, sagt Precek.
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Wie viel verdienen die YouTuber dank „Die Bachelorette“ & Co.?
Die offiziellen YouTube-Zahlen zeigen: Ein YouTuber verdient ungefähr einen Euro pro 1.000 Aufrufe. Das wären im Falle von Mirellas Videos ungefähr 700 Euro für eine ihrer witzigen Reaktionen auf eine Folge „Die Bachelorette“. Nur mit YouTube und der Werbung in ihren Videos dort verdient Mirella „lediglich“ 2000 Euro im Monat.
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Ihr Vermögen wird seit Beginn ihrer YouTube-Karriere auf ca. 300.000 Euro geschätzt. Also superreich wird man mit den Reaction-Videos nicht. Da wäre eine Festanstellung als Kommentator für die Sendungen bei RTL+ wohl lukrativer. Also warum dann das alles? Und wieso sind die Videos bei den Zuschauern so beliebt?
Die Trash-TV Trittbrettfahrer: Kritik an der Oberflächlichkeit der Formate
Mirella hat dazu eine klare Aussage: „Ich habe beim Schauen dieser Sendungen einfach festgestellt, dass in den Formaten Dinge passieren, die ich so nicht stehen lassen möchte. Vielen geht es auch so. Ich liefere quasi die Einordnung zu den Szenen. Diese Art von Austausch findet bei YouTube großen Anklang“, sagt die YouTuberin im Gespräch mit DWDL.de
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Es geht also um das Community-Gefühl, den Austausch mit Gleichgesinnten. Wenn man in einer Folge „Promis unter Palmen“ das Verhalten einer Elena Miras gegenüber zum Beispiel total unfair finde, geht man meistens auf Twitter und schaut sich die Meinungen der restlichen Zuschauer an. Die YouTube-Videos bieten genau das, nur mit mehr Humor, kompakter und mit der gewissen Prise Persönlichkeit. Denn man lernt die YouTuber natürlich in anderen Videos auch sehr privat kennen – Identifikationsmaterial.
Geht es wirklich um Gesellschaftskritik?
Das klingt ja alles sehr tiefgründig und philosophisch. Natürlich schauen auch wir Normales solche Sendungen nicht aus Sensationsgeilheit, oder um uns an einem schlechten Tag ein bisschen besser zu fühlen, weil wir uns als weniger dumm und oberflächlich empfinden, als alle „Temptation Island“ Stars zusammen. Wirklich?
Geht es bei Reaction-Videos und dem Austausch in den Kommentarspalten wirklich um die philosophische Auseinandersetzung mit dem Content, die Einbettung der zwischenmenschlichen Skandale in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext?
Reaction-Videos als Meinungsbarometer
Natürlich schaut man sich Mirellas oder Marcnetos lustige Kritik an einer Folge „Ex on the Beach“ nicht wegen der tiefsinnigen Metaebene an, sondern weil es einfach unterhaltsam ist und man ein bisschen Schadenfreude dabei empfindet, wenn ein bescheuerte Influencer öffentlich noch einmal auf die Schippe genommen wird. Auch Mirella ist da ehrlich zu sich selbst:
„Natürlich ist Reality-TV seichte Unterhaltung“. Fraglos aber seien die dort vorkommenden Themen, etwa Liebe, Trauer, Eifersucht und genereller Umgang miteinander, ein „wichtiger Teil unserer Gesellschaft.“ Entsprechend sei es wichtig, „dass wir uns alle darüber Gedanken machen und Grenzen offen ansprechen. Wie verhält man sich Frauen gegenüber? Warum ist es wichtig, dass es Feminismus gibt?
„Meine Videos kombinieren diese seichten Themen mit Infos.“ Mirella weiß aber auch, dass die Qualitätsunterschiede bei den unzähligen Formaten auf RTL+ & Co. sich stark unterscheiden.
„Ex on the Beach“ am oberflächlichsten
Die tiefgründigsten Themen für ihre Reaction-Videos bieten wohl der „Bachelor“ und „Die Bachelorette“. Immerhin geht’s da um Liebe, das gibt also viel Stoff her für tiefsinnige Kommentare und Interpretationen über Gleichberechtigung, oder das asoziale Verhalten von Ex-Bachelor Andrej Mangold (35).
„Vom Niveau kann man sagen, dass ‚Bachelor‘ und ‚Bachelorette‘ sicherlich vor ‚Love Island‘ liegen und erst später ‚Ex on the Beach‘ kommt. Aber die Staffeln sind oftmals einzigartig. Früher war mir ‚Ex on the Beach‘ too much. Es gab zu viel Drama, die Charaktere handelten nicht authentisch. Aktuell schaue ich die laufende Staffel sehr gern. Es geht zwar weiterhin krass zu, aber mir gefällt, dass insbesondere die Frauen stark zusammenhalten und Fehlverhalten der Männer ganz klar angesprochen wird. Das ist ein wichtiges Zeichen“, sagt Mirella.
Schaut überhaupt noch jemand linear TV?
Dass die YouTube-Video teilweise mehr Zuschauer generieren, als die Original-Sendung, ist Fakt. Auch Mirella sieht diesen Trend immer größer werden, weiß aber von ihren Fans, dass bei wichtigen Formaten sowohl gerne ihre kommentierten Videos sehen, als auch die echten Folgen im Fernsehen:
„Da gibt es in der Tat Beides. Viele ‚Bachelor‘-Fans haben aber geantwortet, dass der Sendeplatz mittwochs um 20:15 Uhr eine Art feste Instanz geworden ist. Hinzu kommt, dass durchaus einige ‚Bachelor‘-Fans durch meine Videos beispielsweise auf ‚Temptation Island‘, das ich gerade kommentiere, aufmerksam geworden sind.“
Also eine Win-Win Situation für RTL & Co. Denn anscheinend machen die YouTube-Stars nicht nur die Sendung publik, die sie aktuell kommentieren. Viele User werden erst durch YouTube auf die unterschiedlichsten Trash-TV-Formate wirklich aufmerksam.
RTL feiert die YouTube-Videos
Bei RTL sieht man in den Reaction-Videos eine ziemlich gewinnbringende Chance, wie eine Sendersprecherin gegenüber DWDL.de mitteilt: „Eine Plattform wie You Tube hat große Reichweiten und ebenso interessante Zielgruppen. Wenn Influencer:innen im Rahmen von Reaction Videos über unsere Sendungen berichten, generiert dies Aufmerksamkeit und spricht neue Zielgruppen an, auf unsere Plattformen zu kommen.“
RTL verliert also keine Zuschauer dank Mirella oder Marcneto, sondern gewinnt eher noch mehr dazu, vor allem für kleine Nischen-Projekte, die auf RTL womöglich sowieso bald abgesetzt würden. Mirella hat es dank ihrer Popularität sogar bis zu ihrer eigenen RTL-Show gebracht, in der sie ganz legitim ihre Lieblings-Folgen durch den Kakao zieht. Und das ist einfach oft sehr unterhaltsam – ob mit oder ohne Meta-Ebene.
„Germany’s Next Topmodel“ ist für YouTube tabu
Was sofort auffällt, wenn man die Welt der YouTube-Reaction-Videos durchforstet: Es werden ausschließlich nur Folgen aus RTL+, RTL und RTLzwei Formaten kommentiert. Und das hat gute Gründe. Sehr gerne würde Mirella während einer laufenden Staffel auch „Germany’s Next Topmodel“ von ProSieben kommentieren, berichtet sie.
Leider aber sei das nicht möglich. „Videos mit Inhalten aus den Folgen werden sehr schnell von YouTube gesperrt, weshalb das auch keiner macht. Warum das so ist, weiß ich gar nicht.“ ProSieben-Sprecher Christoph Körfer machte gegenüber DWDL.de deutlich: „Das Material von GNTM ist so beliebt, dass wir insbesondere zum Schutz der Models sehr darauf achten, dass es digital nur auf unseren eigenen Kanälen läuft.“
Zum Schutz der Models also.. So geschützt fühlten sich aber viele der minderjährigen Kandidatinnen dann doch nicht, wie der aktuelle GNTM-Skandal zeigt.
Harte Politk des Schweigens bei GNTM
Wie ernst es ProSieben mit dem Verbot meint, zeigt auch der aktuelle GNTM-Skandal: Etliche ehemalige Kandidatinnen sind mit der Wahrheit über GNTM publik gegangen, haben beispielsweise auf YouTube erzählt, wie unmenschlich die Produktion und Heidi Klum mit ihnen umgegangen ist.
Vor allem Ex-GNTM-Kandidatin Lijana Kaggwa hat es hart getroffen: Sie wurde wegen ihres YouTube-Enthüllungs-Videos, in dem sie GNTM Manipulation und emotionale Erpressung vorwirft, nun von der Produktion verklagt.
RedSeven äußerte sich zu den Aussagen der Ex-Kandidatinnen wie folgt: „Insgesamt haben bislang 340 Kandidatinnen bei GNTM in den Top 20 gestanden. Einige üben Kritik, die wir ernst nehmen. Andere – wie zum Beispiel Nathalie Volk – erheben mit acht Jahren Abstand Vorwürfe um einen Poolplanscher, die haltlos sind“.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die YouTube-Reaction-Videos in Zukunft ein wenig vom Unterhaltungsfaktor entfernen und vielleicht wirklich mal gesellschaftskritisch Missstände in verschiedenen Produktionen aufdecken. Bis dahin bleibt diese Aufgabe wohl bei YouTubern wie Rezo oder dem ZDF Magazin Royale hängen. Oder aber an unserer humoristischen Allzweckwaffe Tedros Teddy Teclebrhan. Der hat sich das Genre Reaction-Videos nämlich auch schon zur Brust genommen – und dem ganze Thema durch seine schwäbischen Alter Egos Percy oder Antoine schon eine ganz neue Dimension verliehen. Getreu seinem Motto: „Was labersch?“