TV-Spektakel„The Voice Of Germany“: Lillo Scrimali ist seit elf Staffeln der heimliche König auf der Bühne

"The Voice Of Germany": Lillo Scrimali ist der heimliche König auf der Bühne
"The Voice Of Germany": Lillo Scrimali ist der heimliche König auf der Bühne

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Paul VerhobenPaul Verhoben | 12.12.2021, 20:02 Uhr

Bei "The Voice Of Germany" überraschen unentdeckte Stimmtalente immer wieder mit ihren akustischen Performances. Einer der für den musikalischen Sound verantwortlich zeichnet ist der deutsche Pianist und Arrangeur Lillo Scrimali.

Als Musical Director wurde er ab 2006 zunächst durch die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt. Der gefragte Produzent und Live-Musiker Lillo Scrimali leitet nun schon in der elften Staffel die Band bei „The Voice Of Germany“ Das Halbfinale läuft heute (21. Dezember) um 20.15 Uhr auf Sat.1.

Lillo Scrimali spricht mit klatsch-tratsch.de über den stressigen Job als Leiter der Begleitband und wie das ist, wenn die Coaches mal ganz spontan und unerwartet auf die Bühne stürmen. Ach, und dann ist ja noch die Sache mit der Kaffeemaschine …

Ein Blick hinter die Kulissen.

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Worin besteht die besondere Herausforderung an der musikalischen Leitung von The Voice of Germany?

Die Song-Anzahl, die bei den Blind Auditions zwischen 120 und 140 variiert, die müssen wir in vier Tagen proben. Und natürlich geht es darum, jedem Talent gerecht zu werden. Du musst auf jedes Talent eine eigene Version zuschneiden. Du spielst während der Show also erst einen Jazz-Song und dann eine Punknummer. Als Musiker musst du hier alles bedienen können und schnell sein. Und zwar mit der Intention, alles richtig zu spielen. Du willst keine Fehler machen und weißt, dass da fünf Millionen Leute zuschauen. Und natürlich willst du dem Talent nicht schaden. Das ist ein Druck, den man erst mal verkraften muss. Deshalb kommen nicht viele Musiker für diesen Job in Frage.

Die Songs werden so arrangiert, dass die Kandidaten bei „The Voice of Germany“ maximal glänzen?

Ich profitiere von dem Vertrauen des Senders, der mir freie Hand gibt und davon aus geht, dass da was Tolles rauskommt. Man kuckt sich das Talent an und weiß, wo die Stärken sind, die man unterstreichen muss. Wenn jemand eine Lady-Gaga-Nummer singen will, aber eher im Country-Bereich zu Hause ist, dann versucht man zu unterstützen und macht was Spezielles draus. Die allergrößte Herausforderung ist, dass man nicht wie eine Top-40-Band klingt. Man will eben nicht die Songs 1 zu 1 nachspielen. Dann wird es beliebig.

Was hält das Publikum von der Fernbedienung fern?

Man muss die Energie spüren, die fesselt die Leute vor dem Fernseher. Wenn die merken, da passiert was im Hintergrund, auch wenn man die Band nicht sieht, dann unterstützt das die Sänger. Deswegen wird eine Playback-Produktion nie dasselbe erreichen, egal, wie gut die Playbacks sind. Es gibt ja viele Formate ohne Live-Band, das klingt zwar schön, aber es reißt dich nicht mit.

Welcher der Coaches hat einen besonders starken Hang dazu, Sie und die Band mit spontanen Gesangseinlagen zu überrumpeln?

Alle. Und es macht besonders viel Spaß, weil in dieser Staffel wirklich alle Coaches gut singen. Man weiß als Musiker, wenn die jetzt auf die Bühne kommen, wird auf jeden Fall was Tolles passieren. Die liefern alle megamäßig ab. Wenn Mark Forster bei den Blinds einen schlechten Tag hatte und keines der Talents in sein Team ging, setzte er sich zu mir und sagte: „Komm, spiel mal was Trauriges.“ Und man weiß in diesem Moment, dass er da auf jeden Fall was Schönes draus macht. Und dass es nicht peinlich wird.

"The Voice Of Germany": Lillo Scrimali ist der heimliche König auf der Bühne
Lillo und seine Kaffeemaschine.

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An welchen The-Voice-Moment erinnern Sie sich besonders gern?

Ich mache das jetzt seit elf Jahren, das sind ungefähr 300 Arrangements im Jahr. Es gibt immer wieder besondere Momente, an die ich mich erinnere, wenn ich einen Zusammenschnitt sehe. Andreas Kümmert hat mich damals mit seiner Stimme beeindruckt. Aber viele andere auch. In der aktuellen Staffel haben wir viele gute Sänger. Im Finale wird es niemanden geben, der beliebig klingt. Diese Staffel macht Spaß, weil du als Band auch mitgezogen wirst. Allein nur gute Begleitung zu spielen, reicht nicht. Wenn der Sänger es nicht trägt, dann klingt auch die Band nicht gut.

Erinnern Sie sich an Momente, in denen der Stress dafür sorgte, dass Teile Ihres Haares spontan ergrauten?

Ich möchte niemandem die Schuld geben. Aber bei der ersten Staffel war es krass. Wir waren von zehn Uhr morgens bis 2 Uhr nachts im Probestudio. Die ganzen Abläufe standen noch nicht fest, wir brauchten Zeit, da reinzukommen. Da bin ich auf jeden Fall zehn Jahre gealtert.

Wie wichtig ist der Physio Volker Haupt für den Zustand der Band bei The Voice?

Volker ist ein Bandmitglied. Die Band kannst du wie eine Fußballmannschaft sehen, denn wir machen Hochleistungssport. Wir nutzen jede Gelegenheit, uns von Volker behandeln zu lassen. Und nach elf Jahren kennt er uns alle auch so persönlich, dass er psychisch und physisch alles über uns weiß. Es ist ein Riesengewinn, Volker hier zu haben. Das fällt mir immer wieder auf, wenn wir andere Produktionen ohne ihn haben. Er spielt eine große Rolle. Und er kümmert sich auch um die Kaffeemaschine. Ein Vertrauensjob. Da darf nicht jeder ran.

Sie gelten als anspruchsvoll, was den Kaffee anbelangt, den Sie bei der Arbeit trinken. CRO soll Sie sogar mal mit dem Foto einer besonders guten Kaffeemaschine in eine Produktion gelockt haben.  Was haben Sie eigentlich gegen den guten alten Filterkaffee?

Eigentlich gar nichts. Ich bin erst mit 30 zum Espressotrinker geworden. (Er zeigt mit dem Stolz eines technikaffinen Genießers die Kaffeemaschine hinter der Bühne) Das ist der Treffpunkt der Musiker, an dem wir nicht über Musik sprechen. Jeder ist glücklich über seinen tollen Espresso. Mittlerweile würde ich sogar behaupten, dass wir hier den besten Kaffee in Berlin haben.

Sie wollten eigentlich Musiklehrer werden. Sind Sie jetzt bei The Voice doch noch einer geworden?

Das sehe ich nicht so. Ich treffe die Talents auf Augenhöhe. Egal, ob das Kinder oder Erwachsene sind. In so einer Lehrerrolle würde ich mir nicht gefallen. Dieses von Oben herab: ich sage dir, wie es geht. Ich schreibe zwar die Arrangements und leite die Band, aber mir ist es immer wichtig, dass jeder eine Meinung dazu hat. Ich lasse mich gern von meinen Mitmusikern inspirieren. Das ist nicht nur alles mein Verdienst. Es gibt eine gut funktionierende Band und befreundete Musiker, auf die ich mich immer verlassen kann. Auch wenn ich mal zwei Tage durchgeschrieben habe und übernächtigt bin, weiß ich, dass ich von meinen Kollegen immer aufgefangen werde. Und was die Lehrerfrage angeht: Ich unterrichte gern. Aber nicht fest. Ich werde oft zu Wochenendworkshops an Hochschulen eingeladen. Oder auch mal als Gastdozent für ein Semester. Dabei geht es mir eher um Austausch, nicht darum zu sagen, wie es richtig geht.

Sie haben 1991 ein Buch über Latin-Salsa geschrieben.

Das war schon immer mein Spezialgebiet. So ein Buch gab es damals nicht in deutscher Sprache. Beim Schreiben habe ich mich schwer getan zu behaupten: so ist es richtig, so wird es gemacht. Damit habe ich immer ein Problem. Ich sage eher: das ist meine Art, aber es gibt natürlich viele andere Möglichkeiten zu schreiben, zu arrangieren und zu spielen. Es gibt tolle Pianisten, die haben eine komplett falsche Technik. Die sind aber trotzdem grandios. Daher sollte man die Leute in dem, was sie können, bestärken. Und sie nicht dazu bringen, perfekt zu sein und alles zu können.

Viele der Kandidaten verfolgen einen Traum, den Sie längst leben: sie kommen aus Migrantenfamilien und wollen die Chance nutzen, die ihnen die Musik bietet. Wie fing das bei Ihnen an?

Ich habe mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen. Damals hatte ich natürlich keinen Plan, erfolgreich zu werden. Ich bin da hineingewachsen, denn meine Onkel waren Musiker, ich habe das als Kleinkind mitbekommen. Mit 12 oder 13 war ich auf einem Konzert von „Earth, Wind & Fire“ und wusste: Das möchte ich auch. Ich habe Musik gemacht und Kampfsport, habe Fußball gespielt, ich war nicht der kleine Nerd zu Hause, der den ganzen Tag Klavier geübt hat. Das hat sich so ergeben. Mir fiel das alles sehr leicht, das ist heute noch so.

Können Sie sich erklären, warum Ihnen das so leicht fällt?

Weil es Spaß macht und nicht so ein Druck da ist. Das möchte ich auch vermitteln: den Kopf ausschalten, auf die Musik hören und darauf, welche Gefühle sie auslöst. Wenn die Talente nach ihren Interviews zur Band kommen, sage ich immer: Hier sind wir unter uns. Hier sind keine Kameras. Genieße es, hier machen wir gemeinsam Musik. Und nur darum geht es. Wenn was nicht klappt, gucken wir, dass wir das passend machen.

Während Corona sind die meisten Auftritte mit den Bands und Künstlern, mit denen Sie unterwegs sind, ausgefallen. Hilft The Voice dabei, nicht aus der Übung zu kommen und bezahlt noch dazu die Miete?

Absolut. Das ist ein dankbarer Job für alle meine Kollegen. Wir ernähren ja bis zu 20 Musiker pro Staffel. Mit The Voice Kids zusammen das Doppelte, denn das sind zwei verschiedene Bands, die ich da leite. Wir sind total dankbar, dass die Produktionsfirma Bildergarten Entertainment da so einen tollen Job macht. Bei dieser Staffel standen wir ja plötzlich durch Covid vor Problemen, die professionell gelöst werden mussten, um die Sendung zu sichern – ich denke da nur an die ganze Corona-Test-Logistik. Nicht nur für uns, auch für die Leute vor den Fernsehern ist es während der Pandemie, in der es gefühlt nur schlechte Nachrichten gibt, wichtig, mal abschalten zu können.

Sie haben ja auch noch Ihr Studio.

Genau, ich komponiere und produziere, habe auch ohne Live-Auftritte zu tun. Aber es gibt viele Kollegen, die nur von den Liveshows leben. Und nicht nur Musiker, sondern besonders auch Veranstaltungstechniker.
Wegen Corona konnte die 30-Jahre-Fanta-Vier-Tour nicht wie geplant stattfinden, was hoffentlich im Mai nachgeholt wird. Mit Max Herre war ich auf Tour, die fast zwei Monate dauern sollte. Die endete wegen der Pandemie aber schon nach 14 Tagen.

Sie sorgen Tag für Tag im Studio und unterwegs mit Künstlern wie Max Herre, Cro und den Fanta4 dafür, dass die Stars gut klingen und beim Publikum ankommen. Gibt es irgendwo im hintersten Winkel Ihrer Seele ein Fünkchen Hoffnung, selbst auch noch berühmt zu werden?

So, wie es ist, ist es genau richtig. Ich bin ein sehr zurückhaltender Mensch und mag das Rampenlicht gar nicht. Deshalb verstecke ich mich auch immer hinter dem Keyboard. Ich genieße es, mich frei bewegen zu können. Es sprechen mich gelegentlich Leute an, aber das sind angenehme Leute, die sich für die Musik interessieren. Die kommen nicht, weil ich irgendwie bekannt bin.

Interview: Andreas Kurtz