Von Schimanski bis Tschiller50 Jahre „Tatort“ – die beliebtesten Kommissare, die größten Flops
Seit über 50 Jahren flimmert der „Tatort“ schon über den Bildschirm. Was als Gegenentwurf zum klassischen deutschen TV-Krimi begann, ist längst selbst der Inbegriff des deutschen Fernsehkrimis und ein Stück Kultur. Allsonntäglich zieht es Millionen vor den Bildschirm. Zeit für einen Rückblick auf die beliebtesten „Tatort“-Kommissare – und gefloppte Experimente.
Der „Tatort“ ist – ebenso wie etwa die „Tagesschau“ – eine feste, beständige Größe im deutschen Fernsehen und Prestigeprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seit 1970 Paul Trimmel (Walter Richter) in „Taxi nach Leipzig“ als erster „Tatort“-Kommissar an den Start ging, versammeln sich Millionen von Zuschauern regelmäßig vor dem Fernseher, um ihren Lieblingsermittlern beim Lösen von Kriminalfällen zuzusehen.
Der Erfolg des „Tatorts“ ist also auch der Verdienst der „Tatort“-Kommissare. Über 150 Ermittler hat der „Tatort“ in 1.175 Folgen (Stand: November 2021) gesehen. Wir stellen die beliebtesten von ihnen vor.
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50 Jahre „Tatort“: Die beliebtesten Ermittler
94 Teams, über 150 Ermittler (je nachdem, wer zum Kernteam dazugezählt wird), 1.175 Folgen in 51 Jahren – das ist die „Tatort“-Bilanz . Das Konzept der Reihe ist es, dass jede der zur ARD gehörenden Sendeanstalten und auch der ORF und der SRF mindestens eine eigene „Tatort“-Reihe mit einem festen Cast unterhalten.
Zu diesem Cast gehören nicht nur der oder die Kernermittler (meist zwei), sondern auch zahlreiche Nebenfiguren. So besteht das Ermittlerteam des „Tatort“ Köln etwa aus den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, 61) und Alfred „Freddy“ Schenk (Dietmar Bär, 60). Hinzu kommen Nebenfiguren wie der vom kürzlich verstorbenen Arved Birnbaum dargestellte Polizeihauptmeister Heinz Obst, Kriminaloberkommissar Norbert Jütte (Roland Riebeling, 43) oder der vom echten Gefängnisarzt Joe Bausch (68) dargestellte Gerichtsmediziner Joseph Roth. Bausch steht aktuell übrigens wegen einer unschönen Geschichte selbst vor Gericht.
Bei so vielen Ermittlern sind einige natürlich populärer als andere. Werfen wir einen kurzen Blick auf die beliebtesten Ermittlerteams aus 51 Jahren „Tatort“.
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Weimar: Lessing und Dorn
Als vor Kurzem das Ende des Weimarer „Tatorts“ mit Christian Ulmen (46) und Nora Tschirner (40) bekannt gegeben wurde, waren nicht nur „Tatort“-Fans betrübt, denn der sich nicht allzu ernst nehmende „Tatort“ aus Weimar stach von seinem Debüt als Eventfolge am zweiten Weihnachtstag 2013 an aus der Masse heraus.
Nach dem Serientod des von Ulmen verkörperten Kriminalkommissars Lessing in der Folge „Der feine Gast“ war die Zukunft der Reihe zunächst ungewiss. Als auch Tschirner, der die Idee, Lessing als Geist in Gastauftritten weiter vorkommen zu lassen, als Dauerlösung missfiel, ausstieg, schickte der MDR das Team aus Weimar ganz offiziell in den Ruhestand. Der Reiz der Sendungen aus Weimar lag gewiss darin, dass hier mal wirklich zwei berühmte, im Comedy-Fach versierte Schauspieler, die wunderbar harmonierten, einen humoristischen „Tatort“ trugen.
Münster: Thiel und Boerne
Ein weiteres Ermittlerduo, das sich nie allzu ernst nahm: In Münster sind Kriminalhauptkommissar Frank Thiel, verkörpert durch Axel Prahl (61), und der Gerichtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne gespielt von Jan Josef Liefers (57), tätig. Das gegensätzliche Duo arbeitet nicht nur gemeinsam an Fällen, sondern wohnt auch Tür an Tür, denn der elitäre und arrogante, aber auch sehr gebildete Boerne ist der Vermieter des bodenständigen, aus St. Pauli kommenden Thiel.
Von allen aktuellen Ermittlerteams erreicht dieses die höchsten laufenden Einschaltquoten. Den Rekord der Folge „Rot – rot – tot“ von 1978, einem Fall des von Werner Schumacher (†) gespielten Kommissars Lutz mit Curd Jürgens (†) als Mörder Konrad Pfandler, konnten die Müsteraner allerdings noch nicht einstellen – diese sahen sich seinerzeit 26,57 Millionen Zuschauer an.
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Ludwigshafen: Lena Odenthal
Es dauerte bis 1978, bevor mit Nicole Heesters (84) als Mainzer Kommissarin Buchmüller erstmals eine Frau als Kommissarin im „Tatort“ ermitteln durfte. Heute hält eine Frau, nämlich Ulrike Folkerts (60) als Lena Odenthal, mit 32 Jahren den Rekord als am längsten im Einsatz befindliche Ermittlerin in der Geschichte des „Tatort“.
Da die Partner von Lena Odenthal jedoch wechselten, sind Batic und Leitmayr aus München bei den Ermittlerteams die Rekordhalter und blicken auch auf die meisten Fälle (86 Stück) zurück. Für die längste Zeit war Mario Kopper (Andreas Hoppe, 61) an der Seite von Odenthal. Das Duo zählte auch zu den beliebtesten. 2018 stieg Hoppe aus, doch Ersatz stand schon bereit: Lisa Bitter (37) spielt Kriminalhauptkommissarin Johanna Stern.
Duisburg: Horst Schimanski
Kein Rückblick auf den „Tatort“ ohne den Kult-Ermittler schlechthin, das Aushängeschild der Reihe für viele Jahre: Horst Schimanski. Der 2016 verstorbene Götz George gab den Deutschen mit Schimanski ihren eigenen Actionhelden, denn hier war keine Spur vom immer korrekten, regelkonformen Ermittler. Nein, hier kam ein Alt-68er, der sich von Currywurst ernährte und gerne auch mal die Fäuste sprechen ließ. Apropos sprechen: „Scheiße“ wurde mit Schimanski im deutschen Fernsehen salonfähig. Sein von Eberhard Feik (†) gespielter Partner Christian Thanner war der genaue Gegenpol und entsprach damit in ausgeprägter Form dem klassisch piefigen deutschen Krimi-Ermittler.
Kiel: Borowski
Ermittler Klaus Borowski wurde von Axel Milberg (65) zuerst in der Reihe „Stahlnetz“ verkörpert. Nach deren Absetzung erhielt man die Figur als Charakter im „Tatort“ am Leben. Mit der Krimireihe wechselte auch die Stadt: Borowski ging von Hannover nach Kiel.
Wegen Milbergs Freundschaft zu dem 2015 verstorbenen, schwedischen Bestsellerautor Henning Mankell steuerte dieser auch die Vorlagen für drei Folgen des Kieler „Tatort“ bei. Der wortkarge Borowski passt zum norddeutschen Setting. Seine Partner wechselten über die Jahre: Alim Zainalow (2003 – 2006), dargestellt von Mehdi Moinzadeh (43), Frieda Jung (2003 – 2010), gespielt von Maren Eggert (47), Sarah Brandt (2010 – 2017), verkörpert von „Game of Thrones“-Star Sibel Kekilli (41) und aktuell Mila Sahin (seit 2017), gespielt von Almila Bagriacik (31).
Hamburg: Tschiller und Gümer
Die Tschiller-„Tatorte“ werden maßgeblich geprägt von Hauptdarsteller Til Schweiger, der klarstellte: „Ich habe mich unter der Prämisse für die Rolle beworben, dass verschiedene Dinge so gemacht werden, wie ich sie mir vorstelle. Ich wollte Fahri als meinen Partner haben und Tim Wilde als meinen Chef. Und Drehbücher ablehnen können. Zum Beispiel ein Ermittlungsdrehbuch. 90 Prozent der ,Tatorte‘ funktionieren so. Da werden dir fünf mögliche Täter präsentiert, du isst deine Chips und musst rätseln, wer es nun war. Das interessiert mich nicht.“ Folglich sind die Hamburger „Tatorte“ des Ermittlerteams Tschiller und Gümer actiongeladene Reißer – mit (Publikums-)Erfolg, denn das Team aus Hamburg zählte quotentechnisch zumindest anfangs zu den stärksten.
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Die größten Flops
Nicht immer kann es beim „Tatort“ glänzend laufen. Das muss nicht mal immer am „Tatort“ selbst liegen, hin und wieder kommt auch das Weltgeschehen einer guten Quote in die Quere, denn verzögert sich die Ausstrahlung wegen eines „ARD Brennpunkts“ mal etwas, sind viele Zuschauer schon bei den Privaten hängen geblieben, die pünktlich um 20:15 Uhr angefangen haben.
Und jetzt noch mal auf Deutsch
Das Lokalkolorit gehört zum „Tatort“ wie der Vorspann mit den Augen und dem Fadenkreuz. Hin und wieder steht der „Tatort“ sich dabei aber selbst im Wege. Nicht nur, dass die Deutschen sich hin und wieder mit den Produktionen des SRF und ORF schwertun, nein, auch innerhalb Deutschlands kam es hin und wieder zu Verständigungsschwierigkeiten. Eklatantestes Beispiel: „Watt Recht is, mutt Recht bliewen“. Ja, schon der Titel dieser Folge aus dem Jahr 1982 war auf Platt und sämtliche Dialoge auch. So blieb es für Deichkommissars Schnuur (Uwe Dallmeier, †) auch bei diesem einen Fall, denn niemand südlich von Hamburg verstand, worum es in der Folge ging.
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Das Experiment mit den Amateur-Schauspielern
Als großes Ärgernis erwies sich „Babbeldasch“ von 2017. Regisseur Axel Ranisch (33) mutete den Zuschauern ein Experiment zu, das in Sachen Quote nach hinten losging: Er setzte vornehmlich auf Laiendarsteller, die erst kurz vor dem Dreh einer Szene Text und Inhalt erfuhren. Das Publikum reagierte irritiert. Anfangs hatten beim Ludwigshafener „Tatort“ mit Ermittlerin Odenthal noch ca. 8 Millionen Zuschauer eingeschaltet, bis zum Ende sahen ihn jedoch nur 5,77 Millionen.
Regisseur Ranisch sagt rückblickend: „Ich bin sehr stolz auf die ‚Babbeldasch‘, auch wenn viele ‚Tatort‘-Fans dieses Experiment nicht mochten. Aber es muss doch auch nicht jeder mögen.“
„Tschiller“: Bei der Kritik und im Kino durchgefallen
Was als Erfolgsgeschichte begann, entwickelte sich zusehends zum Problemfall im „Tatort“-Kosmos: Die anfänglich beeindruckend hohe Quote der Tschiller-Folgen mit Til Schweiger von 12 Millionen Zuschauern hat sich seit 2013 mehr als halbiert. Auch an der Kinokasse floppte der Actioner „Tschiller: Off Duty“ mit nur 280.000 Zuschauern fürchterlich. Bei seiner TV-Premiere 2018 lockte er dann nur noch ca. 5 Millionen Menschen vor die Bildschirme, langjähriger „Tatort“-Tiefstwert. Schweiger gab die Schuld der EM und dem Sommerloch.