ExklusivCyndi Lauper wird 65! Die 80er-Ikone im großen Interview

Cyndi Lauper
Cyndi Lauper

IMAGO / UPI Photo

Paul VerhobenPaul Verhoben | 22.06.2018, 20:08 Uhr

Ist denn das die Möglichkeit? Cyndi Lauper feiert heute ihren 65. Geburtstag! Und sie ist immer noch so schrill wie in den Achtzigern, als sie mit Hits wie „Girls Just Wanna Have Fun“ die Charts aufmischte. Da muss man nur einen Blick auf ihre rosafarbenen Haare werfen.

Mit ihrem Debüt „She’s So Unusual“ wurde sie damals zur ersten Sängerin, die vier Top-5-Singles aus einem Album veröffentlichte („Girls Just Want To Have Fun“, „Time After Time“, „She Bop“, „All Through The Night“).

1985 wurde sie als beste neue Künstlerin mit dem Grammy ausgezeichnet. Desillusioniert vom Musikbusiness wandte sie sich Ende der Achtziger dem Schauspiel zu, spielte später auch Gastrollen in „Die Simpsons“, „Queer As Folk“, „Gossip Girl“ und „Bones“. Lauper hat über 30 Mio. Platten verkauft.

Im Gespräch mit klatsch-tratsch.de-Autorin Katja Schwemmers erzählt die als Cynthia Ann Stephanie Lauper in Queens, New York geborene Künstlerin immer noch so verstrahlt wie einst von ihrem Verhältnis zu Madonna, ihrer Vorliebe für die Songs von Nena und ihrem Musical „Kinky Boots“, das noch bis September in Hamburg läuft!

Mrs. Lauper, wie viel von der „Girls Just Wanna Have Fun“-Sängerin steckt heute noch in Ihnen?
Sehr viel! Ich war damals ja schon 31, als der Song zum Hit wurde – also ein fertiger Mensch. Ich war ziemlich verrückt, aber bin es eigentlich heute noch.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?
Ich habe nie Musik gemacht, die austauschbar ist. Ich habe Musik gemacht, die etwas bedeutet. Ich wollte immer, dass meine Musik jemandem hilft – entweder durch den Humor, den ich damit rüberbringe. Oder durch echte Inhalte. Sam Cookes’ „A Change Is Gonna Come“ war für mich immer ein Orientierungspunkt.

Sie sollen eine schlechte Schülerin gewesen sein. Was hätte denn aus Ihnen sonst werden können?
Vermutlich eine Malerin! Aber ich habe mit dem Malen aufgehört. Eine Weile habe ich auch Regie für meine Videos geführt. Aber damit habe ich auch Schluss gemacht, nachdem mir meine Arbeit am Clip zu „Into The Nightlife“ nicht sonderlich gefiel.

Wie war denn Ihre Beziehung zu den Eltern, als Sie versuchten, in der Musikwelt Fuß zu fassen?
Ich selbst habe nie versucht, in die Fußstapfen von irgendwem zu treten – weder denen meines Vaters noch meiner Mutter. Ich war ja geradezu gezwungen dazu, mein eigenes Ding zu machen! Denn Zuhause lief es nicht besonders gut. Meine Mutter warnte mich sogar: „Sei nicht wie ich, stell’ etwas mit deinem Leben an!“ Inspiration für das Lied gab mir, meinen Sohn neben meinem Ehemann aufwachsen zu sehen. Mein Mann ist unglaublich geduldig gewesen im Umgang mit ihm. Er nahm ihn oft mit zum Hockey. Irgendwann fing mein Sohn an, Hockey zu spielen, und ich glaube, er wollte seinen Vater beeindrucken. Besonders Männer wollen in die Fußstapfen ihrer Väter treten. Aber das können sie gar nicht, denn jeder Mensch geht seinen eigenen Weg im Leben.

Ihr Sohn ist heute allerdings auch umtriebig in der Musik.
Ja, aber er macht HipHop. Er geht seinen eigenen Weg.

Sie wurden zwei Mal mit dem wichtigsten aller Musikpreise ausgezeichnet. Welcher Grammy bedeutet Ihnen mehr: Den, den Sie als Popsängerin erhielten, oder den für die Musik zu „Kinky Boots“ im Jahr 2014?
Eindeutig der für das Musical! Denn an dem Abend war ich total entspannt und konnte es wirklich genießen. 1985 war ich gleich fünf Mal für den Grammy nominiert, und es war schrecklich. Jedes Mal wenn ich in einer Kategorie leer ausging, fühlte ich, wie mich der ganze Saal anstarrte, weil sie alle die Erwartung hatten, dass ich wie Michael Jackson das Feld von hinten abräume. Aber im Gegensatz zu all den Poptitanen, gegen die ich antreten musste, hatten meine Videos keine Millionen Dollar gekostet, sondern waren als Low-Budget-Produktionen entstanden. Da konnte ich nicht mithalten. Aber ich gewann den Grammy als „Beste neue Künstlerin“. Ich hatte auch hart genug dafür gearbeitet.

Haben Sie etwas bedauert bezüglich Ihrer Karriere?
Ich muss zugegeben, dass es oftmals gut für mich gewesen wäre, auch mal still zu sein. Denn manchmal ist es besser, die Leute selbst herausfinden zu lassen, was für eine Person du bist. Aber es gibt nun mal kein Handbuch, das einen lehrt, wie man berühmt ist. Es ist eine Achterbahnfahrt, mit allen Tiefen und Höhen.

Beneiden Sie Madonna, die immer noch als Popstar aktiv ist?
Nein, ich bin glücklich mit meinem Leben. Ich habe einen Mann, einen Sohne, einen Hund, einen Hundesitter, eine großartige Mutter, eine großartige Schwester und einen Bruder, mit denen ich viele schöne Erfahrungen teile. Und ich denke, Madonna ist sehr glücklich mit dem, was sie tut.

In den Achtzigern galten Sie und Madonna als Konkurrentinnen.
Ich kann mich noch gut an eine Anzeige von damals erinnern, in der stand: „Madonna wird Cyndi Lauper das Fürchten lehren“. Madonna trug ein Korsett und machte auf Braut. Sie war wie eine andere Version von mir. Aber ich kam damit klar. Ich trug Korsetts vermutlich aus einem anderen Grund als sie: Ich hatte nie eine großartige Figur, aber so stimmte die Silhouette.

Als Sie und Lady Gaga einmal im Weißen Haus vor dem ehemaligen US-Präsidenten Obama sangen, soll er zu Ihnen gesagt haben, er wüsste, wer das Original von Ihnen Beiden ist.
Aber wir sind ja alle von irgendwem inspiriert. Ich sehe Gaga als eine Mischung aus mir, Madonna, Annie Lennox, Boy George und Marilyn Manson. Mir gefällt, dass sie keine Kompromisse eingeht und sich nicht von jemandem reinreden lässt. Als Künstler ist unser Job das Kreieren und nicht etwa, Kritik an uns ranzulassen.

Sehen Sie sich in Lady Gaga gespiegelt?
Wir beide sind Performance-Künstlerin, sie stammt aus New Jersey, ich aus New York, das ist nur einen Steinwurf entfernt. Aber sie ist eher eine Skulptur und ich ein Gemälde. Ich habe mich nie aus dem Grund angemalt, damit ich von den Leuten Aufmerksamkeit bekomme, sondern weil ich mich mit Make-up lebendig fühlte. Ich wollte immer ein bisschen aussehen wie eine Tulpe.

Früher sollen Sie wegen Ihrer Klamotten mit Steinen beworfen worden sein!
Ja, als ich frisch vom College kam. Es waren die Leute aus der Nachbarschaft. Da existierte viel Kleingeistigkeit. Sie hielten mich für einen Freak. Also warfen sie mit Steinen nach mir. Aber genau das inspirierte mich zu meinem ersten Album „She’s So Unusual“. Ich empfand meinen Stil immer als spannend, sehr viktorianisch. Ich habe Vivien Westwood geliebt. Später auch Alexander McQueen, der ähnlich Schnitte und Formen kreierte.

Sie sagten einmal, dass Sie sich wie eine Drag Queen fühlen. Die spielen ja auch im Musical „Kinky Boots“ eine Rolle.
Das kommt auf die Definition des Begriffs Drag Queen an! Für mich ist es eine Form der darstellenden Kunst: Man zieht sich ein Korsett an, ändert seine Haarfarbe, malt sich den Mund und die Augen, die man immer haben wollte. Was ich als Popkünstlerin tat, war eine Illusion davon, wie ich gerne ausgesehen hätte. In diesem Sinne bin ich eine Drag Queen. Ich bin die Ehrenvorsitzender aller Drag Queens. (lacht)

Bei „Kinky Boots“ dreht sich viel um Schuhe. Haben Sie einen Schuhtick?
Machen Sie Witze? Natürlich! Für das Musical habe ich den Song „The Sex Is In The Heel“ geschrieben. Ich saß damals in einer Tapas-Bar, als mir der Titel einfiel. Stilettos können schön ein Fetisch sein. Ich sage immer: Es gibt Katholizismus, Marxismus, Sexismus, und es gibt Stilettoismus. (lacht)

„Kinky Boots“ hat schon in einigen Theatern rund um den Globus Premiere gefeiert. In Hamburg waren sie persönlich zugegen.
Eine deutsche Fassung von „Kinky Boots“ zu sehen, ist für mich sehr aufregend. Ich hatte vor zehn Jahren mein Broadway-Debüt als Jenny in „Die Dreigroschenoper“. Ich fühle einen Bezug zur deutschen Sprache. Außerdem war ich früher ein riesiger Nena-Fan! Nina Hagen, Udo Lindenberg, Trio und Falco mit „Der Kommissar“ fand ich auch immer toll.

Hatten Sie in den Achtzigern gemeinsame Auftritte mit diesen Künstlern?
Nein, ich habe einfach nur ihre Musik gehört und geliebt. Ich war mal bei einem amerikanischen Oktoberfest zu Gast. Und die Leute fragten mich: „Was kannst du denn auf Deutsch singen?“ Da habe ich „99 Luftballons“ angestimmt.

Sie sind längst auch eine Ikone der Schwulen!
Ich mag den Begriff Ikone nicht. Ich habe einfach nur das Glück, dass ich durch meinen Promi-Status auf Missstände aufmerksam machen kann und man mir zuhört.

Wie kommt eine heterosexuelle Frau dazu, zur Supporterin für Schwulenrechte zu werden?
Meine Schwester ist lesbisch und viele andere Menschen aus meiner Familie und meinem Umfeld sind homosexuell. Ich wuchs in einer Zeit auf, in der das nicht sehr akzeptiert war. In den Sechzigern war die Bürgerrechtsbewegung in den USA dominant. Ich kriegte mit, wie schwarze und weiße Menschen gemeinsam den Kampf gegen Rassismus kämpften. Irgendwie hat das wohl dazu geführt, dass ich mich mit Minderheiten solidarisiere.

Was macht Sie wütend?
Wenn ich höre, dass Teenager in Schulen fertiggemacht werden und sie sich das Leben nehmen, nur weil sie eine andere sexuelle Orientierung haben, dann kann ich gar nicht anders als aufspringen und mich gegen Homophobie aufzulehnen. Wir müssen in dieser Sache alle zusammen stehen und Intoleranz keine Chance lassen.

Woran arbeiten Sie gerade?
Ich bin wohl auf den Geschmack gekommen: Ich bin gerade dabei, für die Musical-Adaption von „Die Waffen der Frauen“ (Original-Titel „Working Girl“, Anm. d. Red.) nach einer Filmkomödie von 1988 mit Melanie Griffith in der Hauptrolle die Musik zu schreiben.

Das Musical „Kinky Boots“ läuft dienstags bis sonntags im Operettenhaus in Hamburg.