Neues Album der 80er-Jahre IkonenDuran Duran – die Lieblingsband von Lady Di: Interview mit Nick Rhodes
„Ist das nicht ein wunderschöner Ausblick?“, meint Nick Rhodes (59), Keyboarder und Soundarchitekt von Duran Duran, und blickt vom Hotelfenster runter auf die Hamburger Alster. Die vielen Segelboote dürften ihn an die frühen Duran-Duran-Videos erinnern, in denen sich die Band mit jeder Menge Yachten und schönen Frauen umgaben.
Mit Songs wie „Planet Earth“, „Girls On Film“, „Save A Prayer“, „The Reflex“, dem James-Bond-Song „A View To A Kill“ und „Ordinary World“ landeten die „Wild Boys“ in den Achtzigern und Neunzigern Hit auf Hit.
Ihr neues Album „Future Past“ nimmt auch ihren Sound der Vergangenheit auf und entstand unter Mitwirkung von Giorgio Moroder, Mark Ronson, Graham Coxon (Blur), der schwedischen Songwriterin Tove Lo und der japanischen Band Chai. Im Interview mit klatsch-tratsch-Starreporterin Katja Schwemmers erzählt Rhodes von den Anfängen als Indieband, Schlammcatcher-Videos, Faltencremes, Auftritten in Netflix-Serien und im Dienste der Raumfahrt.
Mr. Rhodes, nach sechs Jahren gibt es endlich wieder ein neues Duran-Duran-Album mit tollen Refrains und einem Sound, der Erinnerungen an die Anfänge der Band weckt und trotzdem frisch klingt. Die Kehrseite der Medaille: Was bedeuten Alben im Jahr 2021 überhaupt noch?
Für mich ist ein Album immer noch das ultimative Format für Musik. Es hat als Format seine Berechtigung genauso wie ein Film. Weil die Kunst auch darin liegt, wie etwas zusammengefügt wird, in unserem Fall Songs – das gibt dem Werk Bedeutung. Ein Album ist auch ein Dokument seiner jeweiligen Zeit. Für mich war es also sehr wichtig, ein komplettes Album zu machen. Auch wenn Simon (Le Bon, Sänger von DD, Anm. d. Red.) am Anfang immer sagt: „Sollen wir nicht besser erst mal eine EP machen?“
Simon ist nur faul!
Richtig faul sogar! (lacht) Ich mag Pausen nicht so gerne. Simon liebt es hier und da ein Päuschen einzulegen, aufs Boot zu gehen oder an den Strand. Ich tendiere eher dazu, einfach nur zu arbeiten. Und entgegne ihm dann: „Nein, es muss ein Album sein!“ Nach ein, zwei Tagen im Studio, wenn wir die ersten vier oder fünf basic tracks gesammelt haben und Gefallen daran finden, ändert er dann seine Meinung und sagt: „In Ordnung, es wird wirklich ein Album.“ Ein neues Duran-Duran-Album bedeutet definitiv immer jede Menge Arbeit. Das ist der Grund, warum „Future Past“ erst das 15. Studioalbum in vier Dekaden Duran Duran ist.
Was lieben Sie nach 40 Jahren am meisten daran, in dieser Band zu sein?
Die Möglichkeit, dass wir mit Leuten zusammenarbeiten können, die wir bewundern; Kreative aus Theater, Film, Musik, Mode und Fotografie. Wir hatten die Möglichkeit einen Film mit David Lynch zu machen, er war immer einer meiner Superhelden! Als ich mit 14 „Eraserhead“ sah, änderte sich mein Leben und die Art, wie ich über Dinge dachte. Auch dass wir mit Giorgio Armani eine Mode-Kollektion für eine Tour gemacht haben, fand ich großartig. Auf musikalischer Ebene kollaborierten wir mit Nile Rodgers und Mark Ronson, und für das neue Album mit Giorgio Moroder – das ist ein Privileg! Und John (Taylor, Bassist von Duran Duran, Anm. d. Red.) und ich sind eh geradezu besessen davon, uns immer wieder aufs Neue zu berlegen: Was machen wir diesmal mit unseren Klamotten? Was machen wir mit dem Grafikdesign?
Wie wichtig ist es Ihnen, dass jemand, der mit Duran Duran zusammenarbeitet, die Vergangenheit der Band kennt und versteht?
Generell würde ich sagen, dass es nicht essentiell ist. Als wir 2007 das Album „Red Carpet Massacre“ mit Timbaland und Justin Timberlake aufgenommen haben, kannten die natürlich einige Songs von uns. Sie waren Fans. Aber sie hatten kein tiefgreifendes Wissen. Erol Alkan jedoch, der DJ und Produzent, mit dem wir diesmal hauptsächlich zusammengearbeitet haben, kannte sogar Remixe unserer Songs und obskurste Albumtracks, an die ich mich nicht mal erinnern konnte. So dass ich manchmal zu ihm sagen musste: „Lass mich das noch mal anhören, was ich damals in der Bridge gemacht habe.“ Er wusste alles.
War das der Sache dienlich?
Diesmal ja. Denn normalweise nehmen wir in neuer Musik nicht oft Bezug auf Songs aus unserer Vergangenheit. Aber bei diesem Album sagten wir uns: Nach 40 Jahren haben wir es verdient, unser Lexikon an Sounds zu plündern.
Bei der Single „Anniversary“ hört man das wohl am Stärksten.
Ja, viele Fans sagten, es klingt wie Duran Duran – aber von heute. Damit kann ich gut leben.
Gibt es eine unterschwellige Botschaft in bestimmten Liedern, wie es so oft bei Duran Duran der Fall ist?
Einige Songs sind für Simon sehr persönlich. Der rote Faden, der sich durch die Platte zieht, behandelt die Fragen wie und wo du gerade stehst im Leben, auf welcher Reise du bist, was wichtig ist. Simon hat viel Zeit darauf verwendet, seine handgeschriebene Poesie miteinfließen zu lassen. Aber wir bemühen uns auch immer die Balance zu finden zwischen Tiefgründigkeit mit schönen, poetischen Worten und dem Verrückten, Surrealen, das etwas oberflächiger ist, aber für gute Laune sorgt. Für „More Joy!“ haben wir uns die Cut-up-Technik von William Burroughs zu Eigen gemacht. Wir haben kleine Magneten mit Wörtern herumgeschoben, um den Text zu schreiben.
Das Album heißt „Future Past“. Das passt gut in eine Zeit, wo sich einerseits vom Auto zurück aufs Fahrrad besonnen wird und uns andererseits neue Technologien vor der Klimakatastrophe bewahren sollen.
Für mich war es der perfekte Titel für diese Periode von Duran Duran, für das, wo wir stehen in unserer Karriere und für die Art von Songs, die wir machen: mit einem Fuß in der Zukunft und einem Fuß in der Vergangenheit. Aber er passt auch, weil wir in einer Zeit des Nachjustierens leben: Ob globale Erwärmung oder Afghanistan – unsere Welt überschlägt sich gerade. Auch, weil wir ein Stück weit auf die Kosten unserer Kinder gelebt haben.
Vielleicht ist jetzt Phase, in der man noch das Beste aus beiden Welten mitnehmen kann. Besser wird’s wohl nicht mehr, oder?
Da stimme ich Ihnen voll zu! Ich liebe Technik. Was Computer, das Internet und Mobiltelefone in unsere Welt gebracht haben, ist außergewöhnlich. Und sinnvoll eingesetzt, profitieren wir im großen Stil davon. Andererseits ist es ein Fluch! Denn die Menschen leben anders. Während wir früher draußen waren und mit echten Menschen gesprochen haben, treffen wir uns nun im Zoom-Call mit ihnen. Viele Leute wollen nicht mehr in eine Bar oder zu einer Party gehen, um jemand Neues kennenzulernen. Sie swipen lieber Bilder von Gesichtern zur Seite, die eh alle gephotoshoped sind. Nun gut, ich kenne Leute, die so ihren Partner gefunden haben und sehr glückliche Beziehungen hatten. Aber nicht mehr der anderen Option nachzugehen, klingt für mich falsch. Wir alle verbringen viel zu viel Zeit vor Bildschirmen.
Fällt es schwer, in einer visuell gepolten Band wie Duran Duran zu altern? Frauen wie Madonna kriegen die Altersdiskriminierung ja auch immer zu spüren.
Ich denke, jeder von uns ist eitel genug, sich so gut es geht zu präsentieren, um es noch nach Duran Duran aussehen zu lassen. Als Teenager und in den Anfängen unserer Band wollte ich immer, dass optisch alles so perfekt wie möglich ist. Aber wenn du schon ein paar Dekaden dabei bist, konzentrierst du dich eher drauf, dass die Shows perfekt sind und das Album live so klingt wie die Aufnahme. Du denkst eher daran, mit welchen Visuals und neuen Technologien die Songs in Szene gesetzt werden könnten. Es ist mir also nicht mehr ganz so wichtig. Ich finde übrigens viele alternde Künstlerinnen wie Madonna einfach unglaublich toll! Wie fabelhaft ist bitte Cher? Und es ist doch allein ihre Sache, wie sie altern.
Was macht denn Ihre Faltencreme?
Ich benutze sie täglich.
Ich meinte eigentlich die, die Sie mitkreiert haben.
Das ist schon ein paar Jahre her. Ich war auch nur der künstlerische Leiter, habe das Image der Marke auf den Weg gebracht. Aber die Macher haben das Produkt eingestellt. Dabei war es eine fantastische neue Methode: Nach einem genetischen Test wurde die Feuchtigkeitscreme individuell angepasst.
Sie waren in den 80ern der androgyne Typ von Duran Duran. Haben Sie da viel Mist zu hören gekriegt?
Ach, mir war es ja scheißegal, was Leute dachten. Ich hatte nichts dagegen, wenn sie annahmen, dass ich schwul sei. Es machte für mich keinen Unterschied. Ich hatte viele schwule Freunde, die ich bewunderte. Der Nebeneffekt meines Looks war übrigens: Je mehr Make-up und extravagante Kleidung ich trug, umso tollere Frauen habe ich angezogen. Es hat sich also für mich ausgezahlt. (lacht)
Dabei gibt es doch dieses Meme in den Sozialen Netzwerken: Der Sänger kriegt ein Dutzend Frauen, der Schlagzeuger noch die Hälfte und der Keyboarder nur Katzen.
(lacht) Das kann ich nicht bestätigen.
Konnten Sie damals etwas damit anfangen, wenn die Mädchen gekreischt haben? Oder hat es Sie eher irritiert?
Weder das eine noch das andere. Wir haben das nicht kommen gesehen. Wir waren eigentlich eine Artcollege-Indieband. Wir spielten in kleinen Nachtclubs und supercoolen Bars dunkle Songs wie „The Chauffeur“ und „Waiting For The Night Boat“. Und dann, als wir in England mit Hazel O’Connor auf Tour gingen, ging es richtig los. Plötzlich standen viele junge Mädchen in den ersten Reihen, was anfangs ziemlich befremdlich war – geradezu ein Schock! Aber es war auch Spaß. Da lag so viel Spannung in der Luft, weil das Publikum so fanatisch, hysterisch und durchgeknallt war.
Und damit sehr anders als das Punk-Publikum der Anfänge von Duran Duran.
Oh ja. Aber wir gewöhnten uns dran und sagten uns: „Das ist den Beatles, den Rolling Stones und den Doors passiert – sie hatten fantastische Karrieren und ihre Platten klingen immer noch großartig!“ Die Fans kreischten ja sogar für Jim Morrison, als er so eine melancholische Zeile sang wie „This is the end, my only friend…“. Insofern waren wir enorm dankbar für jedes Mädchen und auch jeden Jungen, der damals zu unseren Shows kam und bei uns blieb. Denn viel von dieser Loyalität hielt Duran Duran in den Jahren danach am Leben.
Wäre so ein Schlammcatcher-Video mit Frauen wie zu „Girls On Film“ von 1981 heute noch denkbar?
Wenn du ein HipHop-Künstler bist, dann könntest du es machen. Wir würden es so nicht mehr machen. Es gibt viele Dinge, die man nicht wiederholen würde. Aber damals war das Video zeitgemäß. Es war eine Idee von Godley & Creme, die nach ihrem Ausstieg bei 10cc zu Videoregisseuren wurden. Es war frech, gewagt und sexy, aber auch sehr ironisch. Ich denke nicht, dass es auf irgendeine Weise obszön oder furchtbar ist. Es ist auch aus heutiger Sicht noch witzig. Gerade wenn man bedenkt, was sonst heutzutage produziert wird.
In der Netflix-Serie „The Crown“ gibt es eine Szene, in der Ladi Di zu „Girls On Film“ auf Rollschuhen durch den Buckingham Palast fährt.
Ich liebe „The Crown“! Als die Lizenzierungs-Anfrage dafür bei mir eintrudelte, musste ich grinsen. Ich habe mich wirklich gefreut. Worüber wir im Nachhinein am meisten gelacht haben ist übrigens, dass in Dianas Apartment ein Poster von Duran Duran an der Wand hängt. Als sie dann in den Palast zieht, hat sie das Poster dorthin mitgenommen – zumindest in der Serie. Das fand ich ein süßes Detail.
Duran Duran haben 2019 zum 50. Jubiläum der Mondlandung für die NASA im Kennedy Space Center in Florida gespielt. Als Astronomie- und Technologie-Fan muss das eine echte Sternstunde für Sie gewesen sein.
Ein absolutes Karriere-Highlight, ja. Selbst als wir schon dort waren, konnte ich es nicht glauben – ich musste mich echt selbst kneifen. Es ist auch so unglaublich, wie der Gig zustande kam: Ich rief 2018 einen befreundeten Wissenschaftler an und fragte ihn, ob er jemanden bei der NASA kennen würde, ich hätte nur ein enges Zeitfenster in Florida, würde ihnen aber gerne einen Besuch abstatten. Er arrangierte eine unglaubliche Führung über das Gelände, und am Ende des großartigen Tages fragte ich die charmanten Leute dort, wie sie das Jubiläum der „Apollo 11“-Mission im nächsten Jahr feiern würden. Und sie erzählten von einem großen Gala-Dinner mit den Astronauten. Und dann machten sie eine Pause und fragten: „Du könntest dir nicht vorstellen, dass Duran Duran hier spielen, oder?“ Ich musste keine Sekunde überlegen, bevor ich antwortete: „Doch, natürlich, absolut.“
Hat das Konzert Ihre Erwartungen erfüllt?
Es hat sie übertroffen! Wir spielten im Rocket Garden, wo all die Raketen sind. Die Bühne stand nur ein paar Hundert Meter weg von dem Platz, wo sie starten. Wir arbeiteten mit den großartigen Künstlern von „Studio Drift“ aus Holland zusammen, die während der Show 300 Drohnen über das Gelände schweben ließen. Es war spektakulär!
Und als nächstes fliegen Sie mit Richard Branson in den Weltraum?
Hm, ich weiß nicht so recht. Ich liebe natürlich die Idee, in den Weltraum geschossen zu werden. Aber ich denke, ich möchte nicht auf den Jungfernfahrten dabei sein. (lacht) Die dürfen gerne noch ein bisschen üben!
War das NASA-Happening der größte popkulturelle Moment für Duran Duran?
Für mich auf jeden Fall. Aber es gab noch viele andere: Mit „A View To A Kill“ Teil des James-Bond-Zyklus zu sein, ist immer noch etwas Besonderes. Und „Live Aid“ war wohl selbst für Leute, die nicht direkt darin involviert waren, ganz sicher der größte Moment.
Spürt man so was bereits, wenn es passiert?
Bei „Live Aid“ schon. Bei „Band Aid“ ein Jahr zuvor war das nicht so. Da trotteten wir alle ins Studio und dachten einfach nur, wir würden in dem Raum etwas Gutes und Positives tun. Wir wusste nicht, was aus der Single werden würde. Wir waren alle überrascht, dass „Do They Know It’s Christmas?“ so viel Geld für die Hungernden in Afrika einspielte. Bob (Geldof, Anm. der Redaktion) hat da einen Wahnsinnsjob gemacht. Als „Live Aid“ dann folgte, wussten wir alle, dass es das fetteste Konzert überhaupt werden würde.
Wenn Duran Duran einen Queen-ähnlichen Film daraus machen würden, wer würde Sie dann spielen?
Tilda Swinton wäre eine gute Wahl. Vielleicht schaffen wir das eines Tages tatsächlich. Das Biopic von Queen war fantastisch. Unser Film müsste allerdings sehr anders sein als die, die bereits gemacht wurden.
Album: Duran Duran „Future Past“ (BMG Rights Management/Warner)