Neues AlbumFettes Brot über Helene Fischer, MILF-Lieder und Roboter-Liebe
Liebe im Alter, Liebe mit Robotern, Liebe im Hip-Hop, Liebe gegen Rechts. Fettes Brot haben passend zum Frühling ein Konzeptalbum über die Liebe aufgenommen! Auf „Lovestory“ verknüpfen „König Boris“ Lauterbach, „Björn Beton“ Warns und Martin „Dokter Renz“ Vandreier Gesellschaftskritik und Spaß aufs Vorzüglichste. Unsere Star-Autorin Katja Schwemmers hat mit dem HipHop-Trio in ihrem Studio im Hamburger Stadtteil St. Pauli gesprochen.
Meine Herren, wie kommt eine HipHop-Kombo wie Fettes Brot dazu, ein Konzeptalbum über die Liebe zu machen?
König Boris: Wir haben uns diesmal zum Musikmachen an die Nordsee begeben, Richtung Sylt, in so eine alte Dorfschule, die zum Studio umgebaut wurde. Als das erste Dutzend Demos fertig war, stellten wir fest, dass die interessantesten Songs alle mit Liebe zu tun hatten. Irgendwann fanden wir Gefallen an der Idee eines monothematischen Albums, denn sich so einzuengen, öffnet auch Türen.
Dokter Renz: Wir behandeln alle Geschichten und Themen über die Brücke des Liebeslieds. So sind uns überhaupt erst Songs über Homophonie oder ein Auseinanderdriften von Gesellschaftsschichten gelungen.
Auch aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf die Liebe ist das Album unkitschig geraten.
König Boris: Uns war wichtig, keine Balladen-Kitsch-Platte zu machen. Das Feld der kitschigen deutschsprachigen Liebeslieder ist auch zur Genüge abgedeckt von anderen Künstlern. Da braucht es grundsätzlich nicht noch einen Beitrag.
Björn Beton: Wobei man dazu sagen muss: Wir haben ja gar nichts gegen Kitsch. Es gibt sehr schöne kitschige Lieder.
Das Happy End der Platte mit dem Lied „Zwei Freunde und du“ ist natürlich schon recht rührig: Ein Liebeslied über Fettes Brot – so nach dem Motto: „Liebe kommt, Liebe geht, aber Fettes Brot bleibt“?
König Boris: So könnte man das interpretieren, ja.
Dokter Renz: Fettes Brot sind auf jeden Fall eine von mehreren gelungenen Langzeitbeziehungen, die jeder von uns führt. Die spielt eine zentrale Rolle.
Ist Fettes Brot der Anker in Ihrem Leben?
Björn Beton: Das ist mir jetzt aber zu kitschig! Denn es ist ja nicht nur ein Lied über uns, sondern generell über die Liebe zu Freunden, die wir hochleben lassen. Ein ganz wichtiger Teil der Liebe ist, Leute zu haben, mit denen man keine sexuelle Beziehung hat.
Haben Sie die untereinander etwa nicht?
König Boris: Doch, aber nur auf Tour. (lacht)
Bei dem Lied für „Opa + Opa“ arbeiten Sie sich auch an der Historie der Schwulenbewegung ab.
Björn Beton: Da singen wir uns so ein bisschen durch die Jahrzehnte. Dafür haben wir uns an Eckdaten orientiert und sogar gegoogelt. Wenn wir eine Geschichte erzählen über ein schwules Pärchen über mehrere Jahrzehnte hinweg, gehört das einfach dazu.
Ist der Song die Antwort auf Ihren Hit „Schwule Mädchen“?
Dokter Renz: Wenn schon eher eine Weitererzählung. Wobei es bei „Schwule Mädchen“ ja seinerzeit eher darum ging, dass in der HipHop-Szene sowohl schwul als auch Mädchen gerne als Beleidigung genommen wurde und wir das bei beiden Wörtern so erbärmlich fanden, dass wir daraus einfach eine Posse machten und es umdrehten in etwas Starkes. „Opa + Opa“ ist indes eine ganz normale Liebesgeschichte über ein Paar, das miteinander alt wird.
Björn Beton: Das Besondere ist nur, dass sie in einer Gesellschaft leben, die das nicht immer einfach gemacht hat und akzeptiert.
Dokter Renz: Was natürlich nicht heißen soll, dass es keine positiven Fortschritte diesbezüglich gibt. Es ist nur manchmal erschreckend, wie lange so etwas braucht, bis die Menschlichkeit siegt und der Konsens gefunden wird: Es ist egal, wie du aussiehst, wer du bist oder wen du liebst.
Wie politisch sind Fettes Brot?
Björn Beton: Wir haben uns immer als politische Menschen empfunden. Und wenn wir Lieder machen, dann ist das nie ohne eine gesellschaftliche Haltung. Selbst der neue Song „Robot Girl“, der behandelt, dass sich Menschen in Maschinen verlieben, ist doch irgendwie Gesellschaftskritik. Er wirft Fragen auf: Wie verändert uns das und wohin führt es, wenn uns irgendwann die Maschinen näher sind als die komplizierten Menschen?
Roboter-Liebe hat aber auch Vorteile: Jeder kriegt jemanden ab.
König Boris: Richtig. Wir sind nach wie vor auch große Freunde des groben Unfugs. Der Humor soll ja nicht auf der Strecke bleiben.
Deshalb sind Ihre Lieder oft zweideutig oder interpretierbar?
Dokter Renz: Das mögen wir sogar am Allerliebsten, wenn beides gleichzeitig passieren kann. Um noch mal ein Stück aus unserer Kiste zu holen: Mit dem Lied „Erdbeben“ haben wir 2008 eine Party und die Auseinandersetzung mit Körperidealen verknüpft. Ich fand immer, dass das unsere Stärke ist, etwas so zu kombinieren.
Björn Beton: Es ist die Königsdisziplin! Manchmal gelingt sie uns.
Fällt Ihnen das heute sogar leichter?
König Boris: Wenn’s nach Arbeit klingt, dann hätten wir einen Fehler gemacht – das ist schon mal klar. Es gibt Songs, die sind nach zehn Minuten fertig. An anderen arbeitet man monatelang und kriegt es dann irgendwann hin. Im besten Falle merkt der Zuhörer den Unterschied nicht. Aber der künstlerische Zweifel begleitet uns auch nach 25 Jahren noch. Es ist nicht ein einziger lauter, lachender Rutsch, und fertig ist die Platte. Sondern man schmeißt auch mal weg, man ist auch mal genervt, und man muss auch manchmal ein zweites oder drittes Mal überlegen.
Dokter Renz: Immer durch das Tal der Tränen. Aber so ist das ja in jeder großen Lovestory!
Wie sieht es mit den Höhen und Tiefen der Liebe in Ihrem Privatleben aus?
König Boris: Ich glaube, das Album hätten wir mit 20 nicht schreiben können.
Björn Beton: Wir sind alle drei recht treue Seelen, die bereit sind, Freundschaften und Beziehungen einzugehen. Aber wir sind auch nicht total blind und blöd, denn wir haben natürlich unsere Erfahrungen gemacht und kenne viele Leute, die ihre Erfahrungen mit Liebe machen, ausprobieren und gucken, mal glücklich und mal unglücklich sind. Das ist ja auch die Idee als Künstler, dass man sich nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern auch mit seinem Umfeld.
Mit „Deine Mama“ haben Sie sogar einen MILF-Song auf der Platte!
König Boris: Ja, richtig.
Björn Beton: Aber sagen wir mal so: Den so zu nennen, stand nicht in der näheren Auswahl.
War Ihnen das Statement „Du driftest nach rechts“ wichtig? Der Song fällt ja schon aus dem Rahmen.
König Boris: Auffallen ist gut. Das Thema ist einfach weiterhin unangenehm aktuell. Und es wird gefühlt nicht viel besser. Insofern ist uns das schon ein Anliegen, dazu etwas zu sagen und die Klischees, Triggerworte und Fallen, die das Thema stellt, wenn man daraus Musik macht, zu umschiffen.
Mussten Sie sich selbst mal von jemandem distanzieren, der nach rechts abgedriftet ist?
Björn Beton: Ich kenne kein Liebespärchen, die sich wegen ihrer verschiedenen politischen Ansichten getrennt haben. Die gibt es aber bestimmt. Und das Lied gilt natürlich auch sinnbildlich für viele andere Beziehungen, wenn Leute im Umfeld plötzlich Positionen einnehmen, wo man erst mal sehr überrascht ist.
König Boris: Und die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.
Björn Beton: Und gar nicht weiß, wie man darauf jetzt reagieren und damit umgehen soll. Die Frage hat sich bestimmt jeder schon mal gestellt, wenn irgendjemand Bullshit redet. Manchmal muss man sich von solchen Leuten dann emotional trennen.
Diskutieren Sie erst oder trennen Sie sich gleich?
Dokter Renz: Wir haben ja schon über unsere Fähigkeit zu längeren Beziehungen gesprochen, also würden wir natürlich immer erst das Gespräch suchen. Bis es wie im Lied nicht mehr erträglich ist, was das Gegenüber für einen Schwachsinn faselt.
Das würde ja auch heißen, man redet mit der AfD, oder?
Dokter Renz: Ich habe keinen Bock mit denen zu reden, aber ich würde auf jeden Fall mit Leuten reden, die darüber nachdenken, bei der nächsten Wahl die AfD zu wählen.
König Boris: Mit dem Song umschiffen wir genau dieses müßige Thema. Denn das macht so ein Stück Popmusik schnell kaputt.
Dokter Renz: Wir haben ja schon gute Erfahrungen mit politischen Songs gemacht, mit dem Song „Tanzverbot“ haben wir 2003 Ronald Barnabas Schill in Hamburg verhindert.
Björn Beton: Gestürzt! David Hasselhoff hat die Mauer zum Einsturz gebracht, und wir haben Schill damals aus Hamburg rausgejagt.
Glauben Sie, dass es hilft, wenn nun auch eine Helene Fischer Statements gegen Rechts abgibt?
Dokter Renz: Das ist die grundsätzliche Frage, ob Musik gesellschaftliche Veränderungen anregen kann. Bestimmt. Die Sex Pistols haben auch was bewegt, in dem sie ein Gefühl auf den Punkt gebracht haben.
König Boris: Wenn sich Helene Fischer äußert, wird ihre Musik zwar nicht besser, aber dadurch, dass sie eine große Öffentlichkeit hat, ist es schon eher gut als schlecht.
Dokter Renz: Es ist auf jeden Fall besser, als sich nicht zu äußern.
Ihr Durchbruchs-Hit „Nordisch by Nature“ wird im nächsten Jahr 25. Fühlen Sie sich alt im deutschen HipHop?
König Boris: Nö. Das werden wir jetzt seit ungefähr drei Platten gefragt. Am Anfang hat es genervt, aber jetzt fühlen wir uns recht wohl damit. Das hört man dieser Platte auch an, dass wir humorvoll mit unserer Elder-Statesman-Rolle im HipHop umgehen. Ich finde nach wie vor, dass es entscheidend ist, was man macht und nicht, wie alt man ist.
Kommen noch 20-Jährige zu Ihren Konzerten?
König Boris: Ja, na klar.
Dokter Renz: Mitgeschliffen von ihren Großeltern.
Worauf kann man sich bei Ihrer Tour im Oktober freuen?
Björn Beton: Ich arbeite bereits an meiner Seiltanz-Trapez-Nummer, wo so ein starker Mann mit freiem Oberkörper mich dann hochhebt, und eventuell bin ich später dann mit dem zusammen. Das ist mein Plan.
Dokter Renz: Aber pass auf, dass du mein Wasserkleid nicht berührst!
König Boris: Es könnte böse Flecken geben, wenn ich mit meinem Fleischkleid in dein Wasserkleid reinrenne.
Album gerade erschienen: Fettes Brot „Lovestory“ (Fettes Brot Schallplatten/ Groove Attack,)
Fettes Brot auf Tour
18.+19.10. Bremen, Pier 2
20.10. Dortmund, Warsteiner Music Hall
21.10. Stuttgart, Porsche Arena
23.10. CH-Zürich, Komplex 457
24.10. Erlangen, Heinrich-Lades-Halle
25.10. AT-Wien, Gasometer
26.10. München, Zenith
28.10. Dresden, Alter Schlachthof
29.+30.10. Wiesbaden, Schlachthof
1.+2.11. Köln, Palladium
3.11. Hannover, Swiss Life Hall
4.11. Leipzig, Haus Auensee
6.11. Berlin, Columbiahalle
7.11. Lingen, Emsland Arena
8.11. Hamburg, Barclaycard Arena