Mega-CombackInterview: Nino de Angelo wünscht sich Duett mit Rammstein-Till
Nino de Angelo war im Schlager-Paradies und stürzte dann böse ab. Auf frühen Erfolg und Ruhm folgten Drogensucht, gescheiterte Ehen und sogar ein Suizidversuch. In seiner Biografie „Gesegnet und verflucht“ räumt der 57-Jährige auf mit seiner Vergangenheit. Der perfekte Zeitpunkt, denn als Künstler ist er nach musikalischer Neuerfindung wieder ganz oben: Bis auf Platz 2 der Charts schaffte er es jüngst mit seinem Album, das so heißt wie das Buch.
Im zweiten Teil des Interviews mit unserer Star-Reporterin Katja Schwemmers erzählt er, warum seine neuen Songs wie Unheilig klingen, wie die Chancen auf eine Zusammenarbeit mit Rammstein stehen und wie er trotz Lungenerkrankung auf Tour gehen will.
Hier geht’s zum ersten Teil „Selbst mein Therapeut hat sich betrunken“
„Immer, wenn es bei mir gerade aufwärts ging, kam wieder ein Dämpfer“, heißt es in Ihrer Biografie. Wie groß sind Ihre Sorgen derzeit?
Ich glaube, diesmal wird es nicht so sein. Ich gehe da auch ganz anders ran. Ich bin jetzt gefestigt, und der derzeitige Erfolg ist nicht auf Sand gebaut, sondern auf Musikalität und meiner musikalische Weiterentwicklung. Ich habe keine Angst, dass um die Ecke wieder dunkle Wolken aufziehen. Ich habe eh schon das erreicht, was ich erreichen wollte: Ich wollt noch mal einen raushauen – das habe ich gemacht. Selbst wenn es morgen zu ende wäre, hätte ich immer noch ein Grinsen im Gesicht.
Nino De Angelo wurde immer unterschätzt
Sie schreiben, dass Sie sich immer unterschätzt gefühlt haben, vielleicht waren Sie es tatsächlich?
Ja, man hat mich unterschätzt. „Der ist ein ganz guter Sänger“, hieß es oft. Aber ich hätte viel früher ernsthaft mit den richtigen Musikern zusammen kommen müssen. Dass es nicht passiert ist, lag ein bisschen an meiner Faulheit und dass ich mich auf meinen Lorbeeren, auf meinem Gesang, ausgeruht habe. Ich bin ins Studio gegangen, habe gesungen, alle machten große Augen und große Ohren und fanden das toll. Damit war mein Job wieder erledigt. Es war alles ziemlich easy für mich. Richtig gearbeitet wie bei diesem Album habe ich zuvor noch nie.
Immerhin, Drafi Deutscher hat Sie offenbar nicht unterschätzt, sonst hätte er Ihnen nicht „Jenseits von Eden“ anvertraut.
Der hat meine Stimme geliebt! Drafi wusste ganz genau, dass es keinen gibt, der den Song einigermaßen so singen kann wie ich. Das hat einfach gepasst. Er war natürlich auch ein bisschen crazy privat. Er lebte exzessiv, was Alkohol und Koks anging. Vielleicht war er da nicht das beste Vorbild. Ich habe mir damals jedenfalls gedacht: Wenn du gute Songs schreiben willst, musst du auch saufen und Kokos konsumieren.
„Jenseits von Eden“ ist ein Teil deutsche Musikgeschichte. Der Song gehörte nicht zur NDW, stand 1983 quasi im luftleeren Raum.
Der hat der NDW richtig schön die Stirn geboten! Damals gab es gar keinen richtigen Schlager. Ich erinnere mich an die Super-Hitparade: Da war Trio, da war Nena, da war Hubert Kah – und wer gewinnt? Nino de Angelo. Das war schon außergewöhnlich.
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Viel zu hübsch für einen Jungen
Ich habe mir noch mal den Auftritt angeguckt, den mit den engen Hosen.
Oh, mein Gott, ja. Ich war damals schon Trendsetter. Dieses Babyface, viel zu hübsch für einen Jungen, ich hätte auch ein Mädchen sein können mit dem Gesicht, die schwarzen Haare mit den Locken, der Vokuhila. Das war damals alles modern.
Imagemäßig wurden Sie als Typ netter Schwiegersohn und Latin-Lover verkauft. Davon haben Sie sich meilenweit entfernt. Waren Sie doch eher der Wolf im Schafspelz?
Ich war der hübsche Junge. Vielleicht wollte ich das aber nie sein. Eigentlich ging mir das irgendwann auf den Sack. Der Milchbubi, der Weichkeks, das ging mir tierisch auf die Kante! Ich wollte immer härter sein. Aber das ist mir erst nach vielen, vielen Jahren gelungen.
Und wie sind Sie damit umgegangen, dass sich die Frauen Ihnen an den Hals geworfen haben? Ihr Buch widmen Sie ja auch den Frauen…
Das war alles nicht so einfach. Wenn du quasi zu viele Angebote kriegst, würfelt dich das total durcheinander. Es hat auch meine Ehe und mein Familienleben zerstört. Ich war alles andere als monogam damals.
Die Neuversion von „Jenseits von Eden“ steht hinter dem Umwelt-Song „Denn wir wissen nicht, was wir tun“ am Schluss Ihrer neuen Platte. Der Hit von 1983 ist immer noch allgemeingültig.
Das wird er auch bleiben. Denn die Botschaft des Songs, dass wir nicht die Liebe verlieren dürfen, nicht die Werte verlieren dürfen, dass sonst die Erde und die Menschheit dem Untergang geweiht sind, wird immer aktuell sein. Weil es nur um Geld geht und um Macht, aber so war es schon immer. Es ist ja nicht erst seit Mitte der Achtziger so. Es war im alten Rom so und bei den Ägyptern auch schon.
Härter als Unheilig
Ihr jetziger Sound erinnert an Unheilig. Ist das die Musik, die Sie auch privat gehört haben in den letzten Jahren?
Für den Sound ist Chris Harms verantwortlich. Aber Unheilig fand ich damals toll. Als „Geboren um zu leben“ rauskam, dachte ich nur: Das wäre mein Song gewesen! Wenn ich den Song gesungen hätte, hätte ich jetzt mein zweites „Jenseits von Eden“! Als Unheilig dann aufhörte, dachte ich insgeheim immer, dass sich da eine Riesenlücke auftut, wo eigentlich nur ich rein kann. Als ich dann Chris kennenlernte, sah er das auch so. Deswegen klingt das Album wie es klingt. Aber wir sind teilweise schon härter als Unheilig.
Gehen Sie sonst auf Rammstein-Konzerte?
Nee, aber ich würde gerne mal ein Duett mit Till Lindemann machen!
Tatsächlich?
Natürlich. Sofort! Das Lindemann-Projekt ist total geil. Die Poesie und das alles – dass er auf solche Sachen steht, finde ich klasse. Und Rammstein-Konzerte sind genial. Ich sag mal, wenn ich auf Tour gehe, muss es mindestens so laut sein wie Metallica. Pyrotechnik inklusive.
Sind Sie Till Lindemann schon begegnet?
Noch nicht, aber ich bin dran. Ein guter Freund von mir ist ein sehr guter Freund von ihm. Und wir sind schon so halb in Kontakt.
Atemprobleme in der Pandemie
Sie erwähnten Ihre Tournee: Wie können Konzerte mit der Lungenkrankheit COPD klappen?
Eine Show von zweieinhalb Stunden kriegen wir total gut hin. Es kommt auf die Dramaturgie an: längere Intros zu den Liedern, ein paar Pausen oder einen Special Act einbauen, zwei Minuten zwischen den Songs lassen, um Geschichten aus meinem Leben zu erzählen – dann funktioniert das. So lange ich noch so viel Pfund im Hals habe, ist es kein Problem. Ein bisschen darauf vorbereiten würde ich mich konditionstechnisch.
Ich hörte, dass Sie etwas immun gegen Ärzte sind. Würden Sie dann doch mal einen konsultieren?
Das habe ich schon. Nur zu dem Zeitpunkt im vergangenen Jahr, als die Schlagzeile durch die Presse ging, war ich seit vier Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen. Während der Pandemie hatte ich plötzlich richtige Atemprobleme, schlimmer als sonst, da ging mir schon ein bisschen die Muffe. Ich bin in die Klinik gefahren und ließ das alles mal checken. Die Krankheit schreitet ganz langsam voran. Mein System mit ab und zu mal einen Rotwein und ab und zu mal einen Whiskey funktioniert wunderbar.
Hat Roland Kaiser Ihnen die Hand gereicht und Ihnen Tipps gegeben?
Nein, ich kenne Roland schon lange, mit dem spreche ich nicht über Krankheiten.
So klappte es endlich mit Dieter Bohlen
Eine amüsante Stelle im Buch ist die mit Dieter Bohlen. Sie beschreiben, wie Sie aus Loyalität zu Volker Lechtenbrink das Tape von Dieter durchs Autofenster nach draußen befördern und im Nachhinein annehmen, es handle sich dabei um die ersten Demos für die späteren Modern Talking.
Ja, da war ich vielleicht etwas zu vorschnell. Aber so bin ich nun mal gewesen. Ich kannte Dieter, aber er war damals immer so penetrant. Volker sagte zu mir: „Wenn du mit dem arbeitest…“ Und ich meinte: „Mach dir mal keine Sorgen…“ Das Bündnis hat acht Jahre gehalten, dann habe ich Volker aus den Augen verloren. Bohlen hatte es immer mal wieder bei mir versucht, mir gefiel es auch irgendwie, dass er so hartnäckig war. Er hatte mir „Midnight Lady“ angeboten. Er meinte: „Du, ich hab das jetzt mit Roland Kaiser aufgenommen, aber ich hätte gerne, dass du das singst.“ Aber ich sagte „Nö“ – das hat er gar nicht verstanden. (imitiert Bohlen) „Der Song ist ’ne Nummer 1. Wie kannst du das ablehnen?“, fragte er. Und ich antwortete: „Ich habe nun mal keinen Bock, Dieter, was willst du denn?“ Damals ging’s mir auch finanziell noch supergut. Der Titel ist dann tatsächlich eine Nummer 1 für Roland Kaiser geworden. Aber wie gesagt, es stand ja immer noch die Loyalität zu Volker im Weg. Irgendwann kam Dieter dann mit dem Titelsong zu „Rivalen der Rennbahn“ an und dem Song „Flieger“ für den Grand Prix. Da dachte ich: Komm, scheiß drauf. Das machen wir jetzt einfach mal.
Aber es ist nicht gut ausgegangen, die Sache mit dem Grand Prix.
Nein, leider nicht. Aber das zeigt nur, dass meine anfängliche Eingebung nein zu sagen, doch richtig war. Weil es nie wirklich funktioniert hat. Ich weiß noch, wie Dieter zu mir meinte, nachdem ich den Vorentscheid zum Grand Prix mit doppelt so vielen Stimmen wie der Zweitplatzierte gewonnen hatte: „Jetzt verkaufen wir zwei Millionen Alben!“ Keine 100.000 haben wir verkauft! Es war wirklich ernüchternd.
Er hat Bohlen zum RTL-Rauswurf gratuliert
Vielleicht wären Sie doch noch anstelle von Thomas Anders bei Modern Talking gelandet, wenn Sie das Tape nicht weggeworfen hätten?
Nein, um Gottes Willen! Das hätte ich nicht gewollt. Das war genau die Rolle für Thomas Anders. Das passte einfach. So wie Thomas Anders nicht „Jenseits von Eden“ hätte singen können, hätte ich nicht Modern Talking singen können.
Und wie stehen Sie heute zu Dieter? Haben Sie noch Kontakt?
Ja, ich hatte ihm zu seinem Rauswurf bei DSDS gratuliert. Da hat er gar nicht drauf geantwortet. Dann fragte ich ihn, ob er mir nicht endlich mal gratulieren will zu meinem Erfolg. Das hat er dann auch gemacht: Das wäre mega-geil, und er hätte auch immer hinter mir gestanden – was auch stimmt. Das hat er wirklich. Er hat mich immer hochgehalten bei DSDS und gesagt: „Nino ist der geilste Sänger in Deutschland.“
Für ihn wird’s jetzt wohl nicht mehr so laufen, wenn ihm die DSDS-Plattform fehlt, um seine Musik an die Leute zu bringen.
Musikalisch ist das mit Dieter langsam ausgelutscht. Nach 50 Millionen verkauften Schallplatten hat das auch mal ein Ende. So war’s auch bei Frank Farian. Irgendwann hat man keine Lust mehr oder nicht mehr den Biss. Die 18 Jahre DSDS hätte Dieter aber gar nicht gebraucht.
Sie haben zwei Mal beim Grand Prix teilgenommen: Was sagen Sie denn zu Jendrik, dem diesjährigen Teilnehmer für Deutschland? Da sind die Meinungen ja durchaus geteilt.
Ich habe den Titel gehört. Ich denke mal, wir landen wieder auf einem der letzten drei Plätze.
Album: „Gesegnet und verflucht“ (Ariola/ Sony)
Buch: „Gesegnet und verflucht: Dein Gegner bist immer du selbst. Die 10 wichtigsten Tipps, um nicht vor die Hunde zu gehen“ (Riva)