Sänger Simon Klemp im InterviewSchimmerling: Warum die Newcomer-Band „neidisch“ auf Rammstein ist
Schimmerling startet durch: Die Newcomer-Band um Frontmann Simon Klemp ist aktuell auf ihrer ersten Tour unterwegs. "Der Durst nach den Menschen und nach dem Gefühl der Euphorie ist riesig", sagt der Sänger im Interview. Außerdem verrät er, warum er "neidisch" auf Rammstein ist.
Die Rockband Schimmerling um Sänger Simon Klemp wagt die ersten großen Schritte im Musikbusiness. Corona machte den Musikern lange Zeit einen Strich durch die Rechnung, doch nun geht es steil bergauf: Klemp ist mit seiner Band seit vergangener Woche auf ihrer ersten Tour unterwegs, die ersten Songs sind bereits euphorisch aufgenommen worden. Im Sommer standen sie bei Rock am Ring und Rock im Park auf der Bühne. „Ich werde meinen ersten Festival-Sommer in sehr guter Erinnerung behalten“, schwärmt Simon Klemp im Interview. Außerdem spricht er über Wut, Liebe und verrät, warum Empathie für ihn „die Antwort auf alles“ ist.
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Sie haben in einem Interview Ihre Musik mal schlicht als „laut“ beschrieben. Spiegelt sich darin eine gewisse Wut wider?
Simon Klemp: Rockmusik hat eine ganz eigene Energie für sich gepachtet. Ich möchte auf meinen Konzerten eine Ekstase erzeugen, in der sich jeder komplett im Kollektiv auflösen kann. Jeder im Publikum hat etwas gemeinsam, und wenn es nur die Liebe zur Musik ist. Die Botschaft ist: Du bist nicht allein hier und das hat jeden Anspruch gefeiert zu werden. In meinen Songs gibt es Wut, aber auch das süße Leben. Das gehört für mich immer auch dazu.
Einer Ihrer neuesten Songs heißt „Luft + Liebe“, für den es auch viel positives Feedback gab. Inwiefern motiviert Sie das?
Klemp: Es ist der erste Song, den wir nach der Pandemie geschrieben haben und der schon die Vorfreude auf unsere Tour geweckt hat. Denn da wissen wir: Das ist kein Festival, da kommen die Leute nur wegen uns. Sie sind nicht wegen eines anderen Acts da, weil die Bierpreise günstiger sind oder ihr Onkel da die Currywurst verkauft. Sondern nur wegen unserer Musik. In dem Moment, wenn ich den Song singe und in die Gesichter im Publikum schaue, wird es für mich schwierig sein, vor Begeisterung bei Atem zu bleiben. Ich glaube, dass mir das Strahlen des Publikums einfach Flügel wachsen lässt.
Sie sind auch Schauspieler. Wie verträgt sich das mit der Musik?
Klemp: Meine Selbstinszenierung hat wahrscheinlich mit einem Klassenclown-Syndrom angefangen, gespeist aus ADHS. Diese Selbstdarstellung habe ich auch als Sänger auf der Bühne. Ich habe auf jeden Fall noch Pläne als Schauspieler, aber es gibt keine Erwartungshaltung. Der Erfolgsdruck war schon mal sehr hoch, jetzt bin ich wieder relativ gesund unterwegs. Ich muss nicht mit Jennifer Lawrence in Cannes das Filmfest eröffnen. Im besten Fall ergibt sich erst mal die Möglichkeit, die Musik auszuleben. Ich bin immer neidisch auf Rammstein, die einfach wahnsinnig gute Musikvideos realisieren, die zum Teil Millionen Euro kosten. Ich finde es großartig, wenn aus Musik etwas Filmisches und Multimediales entsteht. Das transportiert noch mal so viel mehr.
Sie sind dieses Jahr bei Rock am Ring und Rock im Park aufgetreten. Wie haben Sie den Festival-Sommer nach der langen Corona-Pause erlebt?
Klemp: Es war total verquer. Wir dachten nicht, dass dieses Jahr wieder Festivals möglich sind. Umso aufgeregter waren wir dann, als wir wirklich auftreten konnten. Bei Rock am Ring haben wir eine Viertelstunde vor Konzertbeginn geguckt: Da saßen zwölf Leute im Schneidersitz, zogen sich eine Verbrennung dritten Grades zu und versuchten ihren Kater zu verarbeiten. Und dann waren es noch zehn Sekunden und es ging auf die Bühne. Auf einmal standen da schon 300 Leute. Dann haben wir den vierten Song gespielt und es waren schon 500 Leute. Wenn dann ein Sprechchor plötzlich anfängt mit „Schimmerling auf die Center Stage“, dann kriegt man das dumme Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Bei Rock im Park in der Arena war es dann noch mal fantastischer und intensiver. Da waren schon von Anfang an richtig viele Leute da. Das war ein anderes Level und da könnte ich mich sehr gerne dran gewöhnen. Das Tolle war auch, dass ich dieses Jahr wirklich nur großartige Menschen hinter der Bühne kennengelernt habe. Ich werde meinen ersten Festival-Sommer also in sehr guter Erinnerung behalten.
Sie sind auf Ihrer ersten eigenen Tour unterwegs. Viele Musik-Fans stellen sich das Tourleben ja oft sehr romantisch vor, wie ist das bei Ihnen?
Klemp: Ich habe auf jeden Fall auch eine sehr romantische Vorstellung. Dass wir bis zehn Uhr frühstücken und vor den Konzerten dann für unsere Städtetrips zu den Sehenswürdigkeiten abgeholt werden. Aber wahrscheinlich wird es vor allem Rumsitzen und Warten sein, überflügelt von: Was war das gestern Abend? Was ist da passiert? Wie lustig war das, als die vier Saiten auf einmal gerissen sind und du den Heulkrampf auf der Bühne bekommen hast? Der Durst nach den Menschen und nach dem Gefühl der Euphorie ist auf jeden Fall riesig.
Was können Ihre Fans von der Tour erwarten?
Klemp: Es ist mein Anspruch, dass es eine Show ist, bei der man sich danach erst mal orientieren muss und gar nicht weiß, wo man gerade ist. Ich will einfach kurz die Welt des Publikums klauen, es für eineinhalb Stunden mit in mein Wohnzimmer nehmen und dann wieder gehen lassen. Wir haben auch für fantastischen Support gesorgt. Vielleicht werden wir auch noch Vereine einladen, zu uns zu kommen und auf Sachen aufmerksam zu machen, die uns wichtig sind. Am Ende soll man einfach mit ein bisschen mehr Liebe nach Hause gehen. Ich glaube, ich hätte mir die ganzen Worte auch sparen und nur Liebe sagen können.
Ist Liebe denn die Antwort auf alles?
Klemp: Liebe ist natürlich ein sehr allgemeiner Begriff. Liebe ist für mich vor allen Dingen Empathie. Das habe ich in meinem Leben und durch meine Familie sehr großzügig mitgegeben bekommen. Für mich heißt das, den anderen oder die andere lesen und verstehen zu können, woher eine bestimmte Emotion kommt. Ich glaube, dass Empathie auf jeden Fall die Antwort auf alles ist. Sie ist die Triebfeder.
Am 30. September erscheint der neue Song „Zukunft“. Schimmerling kommen auf ihrer „Von Dreck und Liebe“-Tour nach Dresden (27. September 2022, OstPol), Münster (29. September 2022, Sputnik Café), Bonn (1. Oktober 2022, Bla), Köln (6. Oktober 2022, Blue Shell), Hamburg (1. März 2023, Goldener Salon), Rostock (2. März 2023, MAU Club), Berlin (3. März 2023, Badehaus) und München (9. März 2023, Kranhalle).