Suzi Quatro ist wieder da: Die Rocklegende im Interview
Mit Hits wie „Can The Can“, „Stumblin’ In“ (im Duett mit Chris Norman) und „If You Can’t Give Me Love“ hat die US-amerikanische Songwriterin und Schauspielerin Suzi Quatro eine Marke in der Musikwelt hinterlassen.
Über 50 Millionen Tonträger hat die 68-Jährige bislang verkauft. Ihre Stimme und ihr Bassspiel sind Rock’n’Roll pur! „No Control“ heißt nun das neue Studioalbum der zierlichen 1,52-Meter-Frau im engen Lederoutfit, die bürgerlich Susan Kay heißt. Bei unserem Interview in Hamburg erzählt Quatro von ihrer Zusammenarbeit mit ihrem Sohn, einem Anruf von Elvis Presley und den Verständigungsproblemen mit ihrem Mann.
Mrs. Quatro, Sie sind mit einem Deutschen verheiratet. Wie sieht es mit Ihren Deutsch-Kenntnissen aus?
Nicht gut. Ich verstehe zwar, wenn sich zwei normal unterhalten. Aber ich selbst beherrsche die Sprache nicht. Ich war 43, als ich Rainer (Haas, Anm. d. Red.) traf. In dem Alter fängt es langsam an, schwierig zu werden, neue Sprachen zu erlernen. Es blieb einfach nicht viel hängen. Die blöde Grammatik war frustrierend. Ich habe mich bemüht, aber irgendwann aufgegeben.
Und Ihren Mann stört das nicht?
Meinem Mann ist es gar nicht immer recht, wenn ich alles verstehe. Er sagt dann oft: „Du hörst, was du gar nicht hören sollst.“ Wenn er schimpft, macht er es eh auf Englisch. Auf Deutsch klänge das sonst noch härter. Selbst „Ich liebe dich“ klingt irgendwie nicht nach Liebe. (lacht)
Wo leben Sie heute?
Mein hauptsächliches Zuhause ist in Essex, England. Das Hauptdomizil meines Mannes ist in Hamburg. Wir pendeln immer hin und her. Mal kommt er zu mir, dann ich zu ihm, so wie heute, wo ich über Nacht in seinem Haus in Hamburg bleibe. Mein Mann kümmert sich um meine Tourneen. Insofern sind wir beide mehr auf Reisen als zu Hause.
Sie stehen seit 55 Jahren auf der Bühne. Fühlt es sich auch so an?
Auf eine Art schon. Andererseits gibt mir die Musik immer noch denselben Kick wie früher. Ich liebe, was ich tue. Daran hat sich nichts geändert. Ich habe auch immer noch dieselben Zweifel, wenn ich raus auf die Bühne gehe. Ich denke dann: Werden sie mich heute mögen?
Solche Gedanken gehen Ihnen dann durch den Kopf?
Klar. Ich nehme einfach nichts selbstverständlich. Jedes Publikum ist ein anderes Biest, du musst es für dich gewinnen. Davor habe ich Respekt. Ich bin keine abgedroschene Entertainerin. Mein emotionales Alter liegt bei sechs, wird mir von meinem Umfeld oft gesagt. Manchmal weine ich nach einer Show.
Mischt sich auch Stolz darunter, sich als weiblicher Künstler so lange gehalten zu haben?
Ich bin sehr stolz darauf, dass es mir gelungen ist, die Tür für andere Frauen einzutreten. Das ist Geschichte. Keine andere Musikerin vor mir war auf die Art erfolgreich. Das ist wundervoll und macht mich glücklich, auch wenn es nicht meine Intension war. Ich tat damals einfach, wonach mir war. Ich bin allerdings genauso stolz darauf, es geschafft zu haben, normal zu bleiben. Ich habe kein großes Ego, da gibt es kein Diven-Gehabe. Das Erreichte macht mich eher demütig.
Ihr Vater nahm Sie anfangs in seiner Band unter die Fittiche. Hat Ihnen das die Stärke gegeben, eine Pionierin des Rock’n’Roll zu werden?
Ich glaube eher, dass das der Tatsache geschuldet war, dass ich als die Zweitjüngste von fünf Geschwistern meine eigene Stimme finden musste. Zu sein, wer ich bin, hat mich stark gemacht. Deshalb heißt der erste Song auf der neuen Platte auch „No Soul, No Control“. Denn die Person, die mich kontrollieren könnte, muss erst noch geboren werden.
So unbändig sind Sie?
Klar! So sollte jeder von uns sein Leben leben. Ich sage immer: „Lass dir von niemandem wegnehmen, wer du bist! Denn das ist alles, was du hast.“ Ich war immer mein eigener Boss. Mickie Most, mein Produzent aus frühen Zeiten, sagte damals schon zu mir: „Niemand kann Suzi sagen, was sie zu tun hat. Aber man kann Vorschläge machen.“ (lacht)
Das ist der Trick, den man bei Ihnen anwenden muss?
Ja, das weiß auch mein Gatte. Er muss es clever anstellen, wenn er doch mal die Zügel übernehmen will. Er meinte neulich erst: „Mit Suzi zusammen zu sein, fühlt sich an, als wäre man ein Löwenbändiger.“
Wie war es, mit Ihrem Sohn an der neuen Platte zu arbeiten, der Gitarrist im Hardrock-Bereich ist?
Fabelhaft! Er hatte oft darüber geredet, aber ich war nie bereit. Irgendwann wurde er konkreter: „Ich will Songs mit dir schreiben“, sagte er. Er spielte mir drei Titel vor, die er vorbereitet hatte. Ich fand sie großartig. Also sagte ich: „Wir machen gleich ein ganzes Album.“ Er drückte die richtigen Knöpfe bei mir. Ich hatte noch nie so einen künstlerischen Freiraum wie bei ihm. Jeder Song hat seine eigene Stimme. Es fühlt sich an, als hätte er Suzi einmal um den Block geschickt und sie wäre nach 55 Jahren wieder Heim gekommen.
Und Ihr Sohn war auch happy?
Für ihn war es komisch. Er war nie zu vor mit mir im Studio. Und als er Gitarre spielte und ich den Bass dazu, meinte er auf einmal: „Plötzlich bin ich mit Suzi Quatro im Studio.“ Ich verstand, was er damit meinte. „Wo ist meine Mutter?“, war eigentlich seine Frage. Die gibt es nur außerhalb des Studios. Ich selbst habe gar nicht gemerkt, dass Suzi Quatro übernommen hat, denn das tut sie automatisch, wenn ich einen Bass um den Hals habe.
„Bass Line“ heißt auch ein Song auf der Platte. Was muss eine gute Basslinie haben?
Sie muss sich richtig anfühlen! Du kannst einen Bassisten im Studio haben, der die Noten perfekt spielt, aber kein Gefühl hat. Das kann man auch niemandem beibringen. Mein Bassspiel kommt aus der Seele. Ich spüre die Saiten an meinen Fingern, und dann geht’s los. Die Bassgitarre ist ein sehr organisches Instrument. Und ich bin eine sehr gute Bassistin. Mein Spiel ist von alten Motown-Platten beeinflusst, denn ich lebte in den Sechzigern in Detroit, dem Mekka von Motown. In besagtem Song bin ich mit meinem Solo jedenfalls ziemlich nah dran an der perfekten Basslinie.
Nicht wenige behaupten, der Rock’n’Roll sei tot!
Dieses Album steht für seine Wiederbelebung! Die Musik darauf ist jung, organisch, echt! Es ist die frische Brise, die das Genre gerade braucht. So lange ich lebe, wird der Rock’n’Roll auch nicht sterben!
Sie sind 68. Wollen Sie Mick Jagger nacheifern, der auch mit 75 noch explosive Auftritte hinlegt?
Die kann ich auch! Zwei Stunden lang wirbele ich über die Bühne. Ich habe dabei sogar noch einen Bass um den Hals und trage Leder! Es ist höchstwahrscheinlich, dass ich so enden werde wie er. Rock’n’Roll ist lebenslänglich. Aber gegen Mick bin ich mit 68 ja noch ein Baby!
Macht Ihnen die Zahl 70 Angst?
Mein 70. Geburtstag ist mir völlig egal, wenn feiere ich den mit einem Höllenkonzert. Alter war mir immer egal, ich habe diesbezüglich auch nie gelogen. Ich erwähne es sogar auf der Bühne. Ich bin 68 und stolz drauf, das alles noch zu tun. Ein Ende von Suzi Quatro ist nicht in Sicht.
Wie sehen Sie die Rolle der Frau im Showbiz heutzutage?
Die #MeToo-Bewegung ist etwas außer Kontrolle geraten. Die Leute reden nicht mal mehr miteinander. Die politische Korrektheit ist überzogen! Ich will nicht sagen, dass es keinen Grund gibt, über gewisse Dinge genervt zu sein. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte. Aber letztendlich ist es doch ganz einfach: Wenn ich in einem Raum mit jemandem bin, und der wird unangenehm, lass ich es ihn spüren. Ich würde nicht still bleiben. Und ich würde gehen. Ansonsten ist auch nichts falsch daran, einem Kerl mit dem Knie ins Gemächt zu hauen. Es funktioniert. Mir ist jedenfalls noch nichts passiert, was ich nicht in den Griff bekommen hätte.
Ist die private Susan anders?
Ja, weicher. Mein Mann nennt mich fernab der Bühne nicht mehr „The Wild One“, sondern „The Mild One“ – die Milde! Ich denke, ich bin eine gute Kombination aus Beidem. Denn natürlich kann ich nicht 24 Stunden Suzi Quatro sein, das wäre ja ganz schön ermüdend.
Sie sind ein bekennender Elvis-Fan. Der King hatte sie zu seinen Lebzeiten sogar mal nach Graceland eingeladen.
Er mochte meine Coverversion von „All Shook Up“, die in Amerika im Radio lief und es in die Charts schaffte – wenn auch eher weiter unten. Aber ich war damals nicht bereit, ihn zu treffen. Ich hatte gerade mal drei eigene Hits. Ich war zwar nicht schüchtern, aber auch noch nicht gefestigt genug, in dem was ich tat.
Wie hat Elvis Kontakt aufgenommen?
Ich saß in einem Hotelzimmer im Memphis, als das Telefon klingelte. Elvis’ Leute waren am Apparat und reichten ihm dann den Hörer rüber. Er meinte, dass meine Version die beste sei seit seiner eigenen, und er würde mich gerne in Graceland kennenlernen. Und was antworte ich? „Es tut mir leid, ich hab gerade zu viel um die Ohren.“ Verrückt!
Tut das heute weh?
Nein. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich so reagierte. Denn alles passiert aus einem Grund. Ich schrieb später den Song „Singing With Angels“ als Tribut an Elvis. Ein schönes Lied, das ich 2011 mit seinem ehemaligen Gitarristen James Burton in Nashville aufnahm. Es ist ein wichtiger Song für mich. Elvis-Imitatoren haben ihn oft gecovert, und er läuft viel auf Beerdigungen. Wenn ich Elvis getroffen hätte, hätte ich ihn wohl nicht geschrieben.
Sie hatten Beide einen Fetisch für schwarzes Leder!
Oh ja. Ich weiß noch genau, als ich Elvis 1968 in seinem schwarzen Lederanzug beim „Comeback-Special“ sah. Ich spielte bereits vier Jahre in Bands und dachte nur: „Das bin ich!“ Am darauffolgenden Tag besorgte ich mir meine erste Lederjacke. Die passt mir heute noch. Der Rest ist Geschichte.
Wie viele Leder-Outfits haben Sie?
Zu viele und aufs ganze Haus verteilt. Die alten Teile habe ich oben in meinem Speicher gelagert. Oft gebe ich welche weg: für die Wohltätigkeit, an Museen oder ein Hard Rock Café. Unten hängen die, die ich aktuell trage. Manchmal kombiniere ich Leder ja auch mit Jeans – je nach Laune.
Was machen Sie, um so fit zu sein?
Ich lebe sehr gesund. Ich besuche das Gym, mache Yoga und jogge. Wenn ich nicht auf der Bühne bin, ist es wichtig, dass ich mein Level an Fitness auf andere Weise oben halte.
Drogen waren nie Ihr Ding, oder?
Oh nein. Die sind langweilig! Das Paket Sex, Drugs & Rock’n’Roll war nie etwas für mich. Ich bin professionell. Dies ist mein Job.
Interview: Katja Schwemmers