WeltrekordversuchDetlef Soost über Michael Jackson, Dieter Bohlen und sein Leben
Am Mittwoch (29.8.) wäre der 2009 verstorbene Michael Jackson 60 Jahre alt geworden. In Berlin feiert an diesem Tag „Beat It! – Die Show über den King of Pop!“ von Produzent Oliver Forster (u.a. „Falco – Das Musical“) Weltpremiere.
Ab Ende Oktober gastiert die Musical-Biografie in diversen Städten und präsentiert 25 Jackson-Hits mit Originalchoreografien. Für letzteres verantwortlich zeichnet Detlef D! Soost (u.a. „Popstars“). Im Interview erzählt der 48-jährige Berliner, wie er als Zwölfjähriger der Michael Jackson der DDR werden wollte.
Herr Soost, wie ist es für Sie, nach dem Fernsehen nun fürs Theater zu arbeiten?
„Beat It!“ ist für mich etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil es Theater ist, sondern weil es Michael Jackson ist. Ohne dass Jackson es jemals wusste, war er derjenige, der meinen Lebensweg, meine Karriere und auch, dass ich erfolgreich geworden bin, extrem beeinflusst hat. Er war mein Mentor, mein Motivator, mein Zielgeber.
Sie wollten als Heranwachsender der Michael Jackson der DDR werden!
So war’s. Ich habe mir damals seine Auftritte heimlich mit meinen Freunden im Kinderheim angeguckt. Und dabei ging mir durch den Kopf: Okay, meine zwei Kumpels sehen jetzt nicht unbedingt aus wie er, aber ich bin ja auch dunkel und habe ein paar Locken. Da könnte ich doch eigentlich der Michael Jackson der DDR werden! Als Zwölfjähriger hast du solche Flausen.
Aber dabei blieb es nicht.
Nein, es hat mich tatsächlich dazu gebracht, anzufangen zu tanzen. Ein Multiplikator dieser Leidenschaft war, dass in dem Augenblick, wo ich auf dem Schulhof damit angefangen habe, ich nicht mehr das Heimkind und der Außenseiter war, der wahrscheinlich klaut oder sich kloppt oder Läuse hat. Sondern plötzlich war ich der coole Junge, der so tanzen kann wie Michael Jackson.
Haben Sie oft rassistische Anfeindungen erlebt?
Nicht wirklich. Es gab zwei Vorfälle in der DDR. Aber später im Westen habe ich so etwas gar nicht erlebt. Das hat aber möglicherweise auch mit meiner Statur zu tun: Wenn da so ein 1,90m-Typ mit Muckis kommt, dann würden sie dem vielleicht gerne „Presskohle“ oder ähnliches hinterherrufen, aber sie tun es dann doch lieber nicht – so meine Erfahrung.
Vielleicht hat es auch mit Ihrem Arbeitsumfeld zu tun, dass Sie selten Rassismus ausgesetzt waren?
Das mag sein. Das Tanz-Milieu ist so multikulti. Beim Tanzen ist es egal, ob jemand schwarz, weiß, grün, gelb, christlich, katholisch, orthodox, Moslem oder was auch immer ist, so lange man gemeinsam diese Leidenschaft ausfüllt.
Die Welt muss mehr tanzen!
Das wäre eine gute Idee. Tanzen bringt Menschen zusammen. Wenn wir alle mehr miteinander tanzen würden, würden wir mehr lachen. Und wenn wir mehr lachen, dann nehmen wir uns selbst nicht mehr so ernst und wichtig.
Sind Sie denn der Michael Jackson der DDR geworden?
(lacht) Na ja, da gab es leider etwas, was mich daran gehindert hat: Das ist meine Stimme. Wenn ich singe, ist das unter dem Bereich Körperverletzung anzusetzen. Insofern hat das nicht ganz funktioniert. Aber in Bezug auf meine beruflichen Erfolge, die ich mit dem Tanzen erzielte, bin ich total dankbar und glücklich.
Das mit dem Singen hatten Sie zeitweilig allerdings trotzdem probiert.
Ja, es gab D!Nation. Als die Plattenfirma mir das vorschlug, sagte ich erst nein. Denn ich war damals schon „Popstars“-Juror und fand, dass ich nicht mit Autotunes aufnehmen kann, um halbwegs gut zu klingen, dann aber Kandidaten beim TV-Casting nach Hause schicke, weil sie nicht singen können. Ich habe also zugesagt unter der Voraussetzung, dass ich nur das auf der Platte machen muss, was ich sowieso beim Tanztraining mache: „Five, six, seven, eight & let’s go!“ Ich habe nur geshoutet und gezählt. Ich wurde zu einer choreografischen Variante von Scooter.
Gibt es Ähnlichkeiten in Ihrer Biografie und der von Michael Jackson?
Jackson hatte auch eine sehr schwere Kindheit, wenn auch anders geartet als bei mir. Er hat einen sehr strengen Vater gehabt, der ihm die Kindheit genommen hat, indem er nie etwas anderes machen durfte außer singen, trainieren, üben und sich diesbezüglich weiter zu entwickeln. Ich hatte im Grunde keine Eltern, weil meine Mutter krank war und mein Vater nicht da. Ich war also im Heim. Beide Varianten sind für Kinder jetzt nicht das Gelbe vom Ei. Insofern sehe ich da schon eine Parallele in der Entwicklung.
Hatten Sie in Ost-Deutschland überhaupt Zugang zu seinen Konzerten und Platten?
Schon. Meine erste Michael-Jackson-Platte – „Thriller“ – bekam ich 1982. Damals gab es die von „Amiga“, die die Lizenz von dem eigentlichen Plattenverlag bekommen hatten. Der Kracher ist, dass ich auf einem Konzert von Michael Jackson in der DDR war. Es war komplett ausverkauft, um die 4000 Leute müssen im Berliner Velodrom gewesen sein, das damals noch Werner-Seelenbinder-Halle hieß. Allerdings hatte die Sache einen Haken: Es handelte sich um ein Michael-Jackson-Double!
Und Sie wussten das nicht?
Wir wussten es und sind trotzdem alle hingegangen! Es hat nur 45 Minuten gedauert. Aber für uns war es der Augenblick, ein Stückchen Michael Jackson zu bekommen. Nach der Wende habe ich einige Konzerte von dem echten Jackson gesehen – im Berliner Olympiastadion zum Beispiel. Ich war sogar mal auf einer Geburtstagsparty von Joe Jackson, seinem Vater, der mir dann auch vorgestellt wurde.
Wo war das?
Vorm Berliner „Estrelle“-Hotel hatten sie für vier Stunden ein Schiff gemietet. Die Party selbst war total langweilig, aber die Jacksons kennenzulernen, die Mutter, den Vater und Bruder Jermaine, war super. Denn neben Michael Jackson gehörte auch Jermaine zu meinen Vorbildern. Der sah so cool aus und hatte mit Pia Zadora den tollen Song „When The Rain Begins To Fall“ gesungen. Ich wollte gerne wie Jermaine Jackson sein. Weil ich den Namen Detlef so doof fand, Michael für mein Empfinden aber zu eingedeutscht klang, verpasste ich mir anfangs den Künstlernamen Jermaine.
Am Montag (27.8.) planen Sie einen Weltrekordversuch vor dem Theater am Potsdamer Platz in Berlin. Worum geht es da genau?
Es soll die größte Michael-Jackson-Choreografie-Tanzstunde überhaupt werden, und jeder kann kommen und mitmachen. Als Mindestteilnehmerzahl brauchen wir 250 Leute – das sollten wir schaffen. Und mit denen üben wir dann anderthalb Stunden eine fünfminütige Choreografie ein mit drei unterschiedlichen Jackson-Songs im Mix. Wenn so viele Menschen den Jackson-Move machen, ist das ein Garant für Gänsehaut!
Die Jackson-Doubles Koffi Misah (Li,.) und Dantanio Goodman. Foto: Harald Fuhr
Sind die Bewegungen von Jackson denn so einfach?
Ich werde es leicht machen! Fünf Minuten ist für eine Tanzperformance relativ lang, wenn man mit Laien arbeitet. Mir schwebt vor, die Original-Choreografie von „Beat It“ zu nehmen, denn die ist, wenn ich sie ein bisschen vereinfache, gut zu tanzen. Auch ein paar Moves aus „Smooth Criminal“ würde ich gerne miteinbauen, weil das so effektvolle Bewegungen sind. Und die typische „Ich fass mir in den Schritt und tue so als ob“-Bewegung darf natürlich auch nicht fehlen. Am Schluss entscheidet dann ein Schiedsrichter, ob wir den Rekordversuch geschafft haben. Das funktioniert nur, wenn die Leute alle halbwegs vernünftig diese Choreo tanzen können. Und danach gehen wir mit denen, die dort sind, zur Vorpremiere von „Beat It!“.
Sind Sie bei den Tänzern des Musicals „Beat It!“ eigentlich auch so ein Drill-Instructor wie bei „Popstars“?
Bei Profitänzern musst du das nicht sein, denn die kennen ihren Job. Unter uns Profis ist es das Normalste von der Welt, dass wir direkt und klar miteinander kommunizieren. Wenn ein Profi zu einer finalen Probe eine halbe Stunde zu spät kommt, ist er nun mal raus. Oder wenn jemand etwas nicht hinkriegt, sagt man: „Pass auf, wir haben es jetzt lange probiert – es funktioniert nicht. Deswegen kriegt deine Rolle jetzt jemand anderes.“ Als ich dann anfing mit den Castingshows im Fernsehen und es dort genau so gemacht habe, fragten sich viele: „Wieso ist denn der so streng?“ Doch für mich war das wirklich total normal.
Ein Beitrag geteilt von Detlef Soost (@detlefsoostofficial) am Aug 7, 2018 um 6:55 PDT
Dieter Bohlen sitzt immer noch im Sessel von „DSDS“. Beneiden Sie ihn darum?
Ich beneide Dieter Bohlen darum, dass er es geschafft hat, mit seinem Produktionsteam und auch im Sender das Format „DSDS“ immer wieder weiter zu entwickeln, so dass es noch eine Relevanz hat. Das muss man einfach anerkennen. Mit „Popstars“ haben wir das nicht geschafft. Deswegen gibt es uns nicht mehr. Nichtsdestotrotz bin ich sehr dankbar dafür, dass ich fast 14 Jahre lang das Castingshow-Geschehen in Deutschland mitbeeinflussen konnte.
Sie haben sich im Anschluss als Fitness- und Abnehm-Coach neu erfunden.
Seit zehn Jahren konzentriere ich mich darauf, immer intensiver mache ich das auch mit Motivations- und Impulsvorträgen. Das Tanzen habe ich nie aus den Augen verloren und mit einem sehr hohen Anspruch auch immer weiter gemacht. Aber die neuen Dinge, die ich erleben und entwickeln durfte, bringen mir große Freude.
Wie ist für gewöhnlich Ihr Tagesablauf?
Ich stehe gegen 7.30 Uhr auf, fahre mit dem Fahrrad zu einem Park in Friedrichshain. Dort gibt es einen See mit schönen Weiden. Und darunter ist eine Bank, auf die ich mich dann setze, in Ruhe Musik höre, ein bisschen meditiere und die Enten dabei beobachte, wie sie sich frisch machen. Dann fahre ich nach Hause. Ich sage meiner Tochter und meiner Frau Guten Morgen. Dann frühstücke ich und fahre zum Job. Coachings, Meetings, Business-Meetings oder Fitness-Drehs für die DVD stehen dann an. Ich versuche, dass bis 16 oder 17 Uhr erledigt zu haben, so dass ich danach meine Tochter bzw. meine drei Kinder, wenn die beiden Großen auch da sind, wieder aus der Schule abholen kann. Und dann ist Family Time angesagt.
Gehen Sie auf Partys?
Überhaupt nicht. Ich bin jetzt 48 und habe drei wundervolle Kinder. Das Thema ist also so ein bisschen durch für mich. Wenn ich abends rausgehe, dann entweder für einen Job oder weil ich mal ins Kino will. Das sind dann meine verrückten Ausflüge.
Was kommt für Sie nach dem Musical?
Mein neues Buch „Leck mich am Arsch, Angst!“, das vermutlich nächstes Jahr im September erscheinen wird. Angst ist ja die größte Bremse für uns im Leben. Sie lässt uns erstarren. Es gibt aber einfache Mittel, um Ängste loszuwerden. Egal, ob es die Angst ist, nicht geliebt zu sein, entlassen zu werden, zu wenig Geld zu haben oder nicht genug zu sein. Denn Angst ist surreal. Sie besteht nicht in der Realität, denn sonst würde man sich einfach damit auseinandersetzen. Es ist eine Furcht vor der Zukunft. Da finde ich es wichtig, Menschen einen Ansatz zu geben, wie man mit einfachen Mitteln aus diesem Angstkreislauf rauskommt.
Interview: Katja Schwemmers