Davidstern-KontroverseFall Gil Ofarim: Sachsens Ministerpräsident ist schockiert und fordert Entschuldigung
Gil Ofarim kommt immer mehr in Bedrängnis. Nachdem gestern bekannt wurde, dass die Staatanwaltschaft möglicherweise eine Verleumdungsklage gegen den Musiker anstrebt, meldet sich nun Sachsens Ministerpräsident zu Wort. Außerdem tauchten brisante neue Details auf.
Das hat sich Gil Ofarim (39) wohl anders vorgestellt. Nach dem vermeintlichen Davidstern-Skandal im Oktober 2021 in Leipzig, bei dem sich Ofarim in den sozialen Medien als Opfer einer antisemitischen Entgleisung darstellte, steht der Musiker nun selbst unter schwerem Beschuss. Am 31. März 2022 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft wohl Anklage gegen den Sohn von Abi Ofarim (1937-2018) wegen Verleumdung und Falschaussage erheben wird. Nun hagelt es Schelte von hoher, politischer Stelle — und neue Details aus der kontroversen Causa, die den Deutschen mit jüdischen Wurzeln belasten, kommen ans Licht.
Sachsens Ministerpräsident: „Verachtenswert“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (46) äußerte sich nun zur Causa Gil Ofarim — und fand deutliche Worte.
„Das Schlimmste ist, jemanden als Antisemit zu bezeichnen. Dies für Falschaussagen und Verleumdung zu missbrauchen ist schockierend und zutiefst verachtenswert“, zitiert ihn die „Bild“-Zeitung. Der CDU-Politiker weiter:
„Gil Ofarim hat nicht nur den Mitarbeiter, das Hotel, die Stadt und Sachsen in Misskredit gebracht, sondern auch Schaden an der jüdischen Gemeinschaft angerichtet“.
Gil Ofarim: Kretschmer fordert Entschuldigung
Kretschmer fordert von Ofarim eine Entschuldigung – schließlich sei das gute Verhältnis zu der jüdischen Community keine Selbstverständlichkeit. „Das Mindeste, was man nun erwarten kann, ist eine Entschuldigung – auch von denen, die vorschnell ihre Schlüsse gezogen und vorverurteilt haben“, so Kretschmer.
Pikante neue Erkenntnisse
In einer ausführlichen Chronologie der Ereignisse beschreibt der „Spiegel“ außerdem neue Details. Mittlerweile lasse sich der Fall lückenlos rekonstruieren. Dies führe zur Schlussfolgerung, dass der Sänger am Abend des 4. Oktober 2022 offenbar nicht antisemitisch angefeindet wurde. Dem Bericht zufolge habe ein Zeuge Ofarims Verhalten im Hotel sogar als „frech“ bezeichnet – er sei der einzige gewesen, der sich über einen „langsamen Check-in“ in der Lobby beschwert habe.
Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung vor Gericht?
Besonders pikant ist, dass laut dem Bericht Ofarims Managerin ihrem Klienten offenbar von dessen Videoveröffentlichung auf Instagram abgeraten habe. „ Wenn du jetzt lügst, da kannst du deine Koffer packen, also das geht nicht“, wird sie zitiert. Ofarim habe ihr heftig widersprochen: „Auf gar keinen Fall, ich habe nicht gelogen, ich war null aggressiv.“ Dem stehen offenbar zahlreiche Zeugenaussagen entgegen.
Kurze Chronologie der Ereignisse
Gil Ofarim behauptete am 5. Oktober 2021 in einem Video, von einem Hotelmitarbeiter eines Leipziger Hotels zunächst beim Einchecken habe warten müssen, während andere Gäste offenbar bevorzugt wurden. Nach seinen öffentlich getätigten Aussagen sei er aufgefordert worden, seine Davidstern-Kette abzulegen. Für Ofarim eindeutig ein antisemitischer Vorgang. Nachdem er das Video (am Tag nach dem Vorfall) veröffentlichte, zog dies sofort einen Shitstorm auf das Hotel mit sich.
Die Solidaritätsbekundungen und Empörungsrufe kommen schnell — möglicherweise vorschnell, wie sich nun zeigt. So hatte etwa FDP-Politiker Marco Buschmann erklärt: „Ich möchte in keinem Land leben, in dem man den Davidstern verstecken soll. Das ist eine Schande!“
Video News
Besagter Mitarbeiter von der Rezeption wurde umgehender suspendiert, reichte umgehend aber eine Klage gegen Ofarim wegen Verleumdung ein. Der Sänger zeigte den Mitarbeiter auf angebliches Anraten seines Anwalts rund eine Woche danach ebenfalls an. Schon bald machen sich allerdings Zweifel breit — „Bild am Sonntag“ berief sich auf ein tonloses Überwachungsvideo, auf dem keine Davidstern-Kette zu sehen ist. Ofarim blieb bei seiner Version, änderte den Narrativ aber ab.
Inzwischen ist klar, dass die Kette nicht über dem Shirt hing, wie später im Ofarim-Video, sondern gar nicht zu sehen war.
Auch der „Spiegel“ stellt sich die Frage: „Wie kann es sein, dass von all den Zeugen in der Lobby niemand einen antisemitischen Ausruf bemerkt? Warum ist auf den Bildern der Überwachungskameras keine Person zu erkennen, die den Satz ‚Pack deinen Stern ein‘ gerufen haben könnte? Und weshalb hat sich, auch das ist den Aufnahmen zu entnehmen, niemand – auch Ofarim nicht – in die Richtung umgedreht, aus der jener Unbekannte gepöbelt haben soll?“. Einzig einer von 32 Befragten soll glauben, an Ofarim eine Davidsternkette gesehen zu haben.
Ermittlungen: Gil Ofarims Abend im Leipziger Hotel nachgestellt
Das betroffene Hotel gab daraufhin ein 118 Seiten umfassendes Gutachten bei einer Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag. Dieses entlastete den Mitarbeiter. „Die Rechtsanwälte haben das Geschehen in der Lobby des Hotels rekonstruiert und sind unter Berücksichtigung aller verfügbaren Beweismittel zum Ergebnis gekommen, dass keine objektivierbaren Anhaltspunkte vorliegen, die es rechtfertigen würden, strafrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen den beschuldigten Mitarbeiter zu ergreifen“, so das Hotel in einem Statement.
Gil Ofarim: Details zur möglichen Klage
Wie der „Spiegel“ am 31. März 2021 vorab berichtete, erhebt die Staatsanwaltschaft Leipzig nun Anklage gegen Gil Ofarim. Der Tatbestand: Verleumdung und falsche Verdächtigung. So soll es für Ofarims Darstellung der Dinge – und seinen Anschuldigungen dem Hotelpersonal gegenüber – nicht nur keine Anhaltspunkte gegeben, viel mehr wird seine Sicht der Dinge von Polizei und Staatsanwaltschaft bezweifelt.
„Die Staatsanwaltschaft wirft dem Musiker nun zudem vor, seine Vorwürfe ‚wider besseres Wissen‘ bei der Polizei wiederholt und den Hotel-Mitarbeiter dort auch angezeigt zu haben.“ (Der Spiegel)
Die Staatsanwalt wirft Ofarim außerdem vor, seine Vorwürfe auch gegenüber der Leipziger Hotelkette „wider besseres Wissen“ wiederholt zu haben. Auch die Anzeige gegen den zeitweilig suspendierten Hotelmitarbeiter wurde in diesem Rahmen kritisiert. Das Hotel „WestInn Leipzig“ erklärte, man sei ob des Verfahrensausgangs „äußerst erleichtert“.
Ofarim selbst äußerte sich zu den neuen Entwicklungen bislang nicht — seine Social-Media-Accounts wurden seitdem allerdings offline genommen.
Für den Sänger brechen nun ganz schwere Zeiten an. Das öffentliche Interesse, dass er mit der Veröffentlichung seines Videos zuerst geschürt hat wird den Fokus nun auf den Ausgang des Falles richten.
Dennoch: Für ihn gilt bis zum Abschluss eines möglichen Prozesses, über dessen Eröffnung wegen der Schwere der Vorwürfe das Landgericht Leipzig noch entscheiden will, die Unschuldsvermutung.