Davidstern-Kontroverse Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung vor Gericht?
Wende im Antisemitismus-Skandal rund um Gil Ofarim: Der Musiker sieht sich aufgrund seiner Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber einem Leipziger Hotel offenbar mit einer Verleumdungsklage konfrontiert.
Es war ein Skandal, der Anfang Oktober 2022 ganz Deutschland beschäftigte: Der Musiker Gil Ofarim (39) hatte in einem Instagram-Video einem Leipziger Hotel eine antisemitische Entgleisung ihm gegenüber vorgeworfen – und damit für Empörung, aber auch Zweifel seiner Darstellung der Dinge gesorgt. Nun könnte der Skandal ein unerwartetes Nachspiel für den deutschen Musiker mit jüdischen Wurzeln haben – und zwar womöglich nun doch vor Gericht.
Gil Ofarim: Details zur Anklage
Wie der „Spiegel“ vorab berichtet, erhebe die Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage gegen Ofarim. Der Tatbestand: Verleumdung und falsche Verdächtigung. So soll es für Ofarims Darstellung der Dinge – und seinen Anschuldigungen dem Hotelpersonal gegenüber – nicht nur keine Anhaltspunkte gegeben, viel mehr wird seine Sicht der Dinge von Polizei und Staatsanwaltschaft bezweifelt.
„Die Staatsanwaltschaft wirft dem Musiker nun zudem vor, seine Vorwürfe „wider besseres Wissen“ bei der Polizei wiederholt und den Hotel-Mitarbeiter dort auch angezeigt zu haben.“ (Der Spiegel)
Gil Ofarim: Das ergaben die Hotel-Untersuchungen
Die Staatsanwaltschaft Leipzig wirft Ofarim außerdem vor, seine Vorwürfe „wider besseres Wissen“ bei der Polizei wiederholt zu haben. Auch die Anklage gegen den beschuldigten Hotel-Mitarbeiter hält ihm die Polizei Leipzig diesbezüglich vor — diese wurde bereits 2021 wieder fallen gelassen, seine zeitweilige Suspendierung aufgehoben. Das WestInn Leipzig erklärte, man sei „ob des Verfahrensausgangs äußerst erleichtert“.
Das sagen Staatsanwaltschaft und Anklagebehörde
Die Staatsanwaltschaft wollte eine Klage gegen Ofarim gegenüber „Spiegel“ bislang nicht bestätigen. In einer Mitteilung erklärte die Anklagebehörde jedoch, man habe „umfangreiche Ermittlungen“ durchgeführt und sei überzeugt, dass sich die von Ofarim beschriebene Szene „tatsächlich so nicht ereignet hat“.
Gil Ofarim: Warum der Fall so kompliziert ist und was wir daraus lernen können
Was war passiert?
Ofarim behauptete am 5. Oktober 2021 in einem Video, von einem Hotelmitarbeiter eines Leipziger Hotels zunächst nicht drangenommen und später aufgefordert worden zu sein, seine Davidstern-Kette abzulegen. Für Ofarim eindeutig ein antisemitischer Vorfall. Nachdem er das Video (am Tag nach dem Vorfall) veröffentlichte, zog dies sofort einen Shitstorm auf das Hotel mit sich.
Besagter Mitarbeiter wurde suspendiert, reichte umgehend aber eine Klage gegen Ofarim wegen Verleumdung ein. Der Sänger zeigte den Mitarbeiter auf Anraten seines Anwalts rund eine Woche danach ebenfalls an.
Video News
Gil Ofarim: Bald erste Zweifel an seiner Darstellung
Bald schon kamen jedoch Zweifel an Ofarims Geschichte auf. Die „Bild am Sonntag“ berief sich Mitte Oktober auf tonlose Überwachungsvideos, auf denen Ofarims Davidstern-Kette überhaupt nicht zu sehen gewesen sein soll. Daraufhin änderte sich auch seine eigene Darstellung.
Zuerst hatte es noch geheißen, der Hotelangestellte selbst habe ihn wegen der Kette beleidigt, später erklärte Ofarim jedoch, dass dies von einem anderen Hotelgast in der Warteschlange vor der Rezeption gekommen sei.
Im Interview mit dem „Spiegel“ beschwerte sich der Musiker — Sohn von Musikerlegende Abi Ofarim (1937-2018) — dass es plötzlich nicht mehr um Antisemitismus in der Debatte gehen würde. Er habe die Kette von seinem Vater zu seiner Bar Mitzwa bekommen. Es könne auch sein, dass es zu dem Eklat gekommen sei, weil man ihn in der Vergangenheit oft mit dem Schmuckstück in der Öffentlichkeit gesehen habe, so Ofarim.
Hotel ließ Gutachten anfertigen
Das betroffene Hotel gab daraufhin ein 118 Seiten umfassendes Gutachten bei einer Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag. Dieses entlastete den Mitarbeiter. „Die Rechtsanwälte haben das Geschehen in der Lobby des Hotels rekonstruiert und sind unter Berücksichtigung aller verfügbaren Beweismittel zum Ergebnis gekommen, dass keine objektivierbaren Anhaltspunkte vorliegen, die es rechtfertigen würden, strafrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen den beschuldigten Mitarbeiter zu ergreifen“.
Hasswelle gegen Gil Ofarim nach Antisemitismus-Vorwurf: Viele glauben ihm nicht mehr
Für die Untersuchung bekam das Anwaltsteam Zugang zu den Zeugenaussagen und Videoaufnahmen, auch E-Mails, Check-in-Daten und Telefonanrufe wurden ausgewertet, zitierte „RND“ die Hotelkette. Weil im Dezember 2022 immer noch keine Klarheit herrschte, stellten Ermittler den Fall auf aufwändige Art und Weise mit Schauspielern nach. Die mit den gleichen Lichtverhältnissen, Blickwinkeln und der Kleidung nachgestellten Aufnahmen swurden mit den Originalvideos vom fraglichen Abend abgeglichen werden. Bis heute ist das letzte Wort in diesem Fall noch nicht gesprochen.