InterviewInterview: Heino über seine Karriere, Sonnenbrille und „Da da da“
Heino ist Kult! Das wird beim Treffen in der Lobby des Hotels Grand Elysée in Hamburg deutlich: Immer wieder sprechen den Blonden in der schwarzen Lederjacke Menschen mittleren Alters an und wollen ein Foto mit ihm. „Ich mag das gern“, sagt der Westfale gelassen.
Er ist da, um sein Abschieds-Album „…und Tschüss“ und die anschließende Tour zu bewerben. Und erzählt klatsch-tratsch-de-Reporterin Katja Schwemmers wie er auf sein rollendes R und die Sonnenbrille kam, und was er von Rammstein und Tokio Hotel hält.
Heino, hast du schon Rammstein-Tickets?
Nein, die sind ja schon ausverkauft, habe ich gelesen.
Aber seid eurem gemeinsamen Auftritt beim Wacken Open Air 2013 hast du doch bestimmt Beziehungen?
Ja, ich müsste wohl nur anrufen. Wenn sie in Düsseldorf oder Köln sind, werde ich vielleicht mal anfragen. Aber im Grunde genommen sind das nicht unbedingt Konzerte, die ich sehen muss. Aber es freut mich für Rammstein, dass ihre Konzerte voll sind. Es ist ja toll, wenn sie die Stadien stürmen.
Anders als andere Künstler, deren Liedgut du gecovert hast, haben Rammstein mit Ihnen gemeinsame Sache gemacht.
Rammstein haben damals bei meinem Manager angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit Ihnen in Wacken „Sonne“ zu singen. Klar konnte ich mir das vorstellen! Es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Es war ein schöner Moment, mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Und ich muss wirklich sagen: Das waren nette Jungs, die sich sehr um mich bemüht haben.
Bist du für das, was seit 2013 passiert ist, dankbar?
Na, klar, das waren turbulente fünf Jahre. Ich bin jetzt fast 60 Jahre dabei und versuche immer, etwas Neues zu kreieren; neue Texte zu bekommen, neue Melodien. Ich habe damals gesagt: Wenn ein Mensch mit 75, der sein Leben lang Volkslieder gesungen hat, anfängt Rock-Sachen zu singen, dann wird das ein Medianaufschlag. Und ich hatte Recht. Der Riesenerfolg, den das Album „Mit freundlichen Grüßen“ mit sich brachte, war für mich natürlich sehr erfreulich.
Auf deiner neuen Platte interpretierst du unter anderem Trios „Da da da“. Wie lange brauchst du, um so einen Titel einzusingen?
Vielleicht eine halbe Stunde? Der Song ist auch einfach zu singen.
Deine Platten sind dann ja echte Gelddruckmaschinen…
Das Singen ist ja mein Job. Wenn ich 90 Minuten lang auf der Bühne stehe, dann singe ich auch 30 Songs hintereinander. Die könnte man normalerweise so nehmen und so produzieren.
Die Version des Kraftwerk-Titels „Das Model“ hast du Heidi Klum gewidmet. Wie findest du es, dass sie mit dem 16 Jahre jüngeren Tom Kaulitz von Tokio Hotel zusammen ist?
Der Altersunterschied zwischen Heidi und Tom ist ein bisschen groß, aber wenn es eben passt, dann passt es – ist doch Wurscht! Heidi und ich kennen uns noch aus einer meiner Fernsehsendungen von früher. Vor vier Wochen war sie beruflich in Düsseldorf, und da habe ich die Brüder von Tokio Hotel auch gesehen. Denen hatte ich mal einen Bambi überreicht. Das sind wirklich nette Jungs.
Die Kaulitz-Brüder polarisieren wie du. Hat es dir immer gefallen, Reizfigur zu sein?
Ja, natürlich. Das ist Teil meines Erfolges. Ich hatte immer viele Fans, aber auch viele Neider, weil ich provoziert habe. Aber wenn man keine Ecken und Kanten hat, dann wird man auch nicht alt in diesem Beruf.
Worauf bist du im Hinblick auf deine Karriere am meisten stolz?
Dass ich trotz aller Anfeindungen 60 Jahre erfolgreich gesungen habe.
Gibt es Sachen, die du rückblickend bedauerst?
Nein. Ich bedauere, dass ich jetzt mit 80 Jahren aufhören muss, denn ich habe immer noch großen Spaß am Singen. Aber irgendwann muss ja mal Schluss sein. Dadurch, dass mein Enkel Sebastian (Kramm, Anm. d. Red.) jetzt Musik macht, bin ich ja nicht von der Bildfläche verschwunden.
War es Mitte der Sechzigerjahre eine bewusste Entscheidung von dir, Volkslieder zu singen?
Das war eine Frustreaktion von mir. Denn das Einzige, was deutschsprachig war, wenn ich in den Sechzigerjahren das Radio angemacht habe, waren die Nachrichten. Ich habe dort nur englische Musik gehört. Das hat mich gestört. Auch wenn so was wie Billie Holiday oder Elvis ja ganz okay waren.
Wie bist du auf die blonden Haare und die Brille als dein Markenzeichen gekommen?
Die blonden Haare habe ich von meinem Vater. Die Brille setzte ich auf, weil ich in den Siebzigerjahren eine Überfunktion der Schilddrüse hatte, so dass meine Augen geschwollen waren. Man hatte das erst spät festgestellt. Ich bin dann mit meinem damaligen Produzenten zu einem Professor in Frankfurt gefahren, der hat mir zu einer Sonnenbrille geraten. So bin ich an die dunkle Sonnenbrille gekommen.
Und das rollende R?
Das habe ich von meiner Gesangslehrerin. Viele Sängerinnen und Sänger verschlucken ja das R, wo eins hingehört, und da habe ich das R gesungen. Deswegen kommt das so präzise. Aber geplant war das nicht.
Du warst in deiner Jugend sehr sportlich, dein Spitzname war „Gummi“.
Ich war früher gelenkig und akrobatisch, ja. Deshalb hat man mir den Namen verliehen.
Wie war das mit dem Fußball?
Ich habe jahrelang im Kader der Düsseldorfer Stadtmannschaft auf der Position des rechten Verteidigers gespielt, die es damals noch gab. Ich war ein knochenharter Hund! Aber mit 18 Jahren habe ich aufgehört, weil ich mir gedacht habe, musikalisch bin ich eh besser und Musik kann man länger machen – bis ins hohe Alter. Ich bin heute der beste Beweis dafür.
In diesem Sommer wurdest du von der Martial Arts Industry Association mit dem Preis für das Lebenswerk geehrt.
Das stimmt. Ich habe in den Siebzigerjahren Ju-Jutsu gemacht, das ist eine klassische Kampfkunst, die auf Selbstverteidigungstechniken basiert. Da habe ich den Schwarzgurt gemacht.
Was war deine Motivation dafür?
Ich musste mich körperlich betätigen. Ich konnte ja nicht von morgens bis abends nur im Studio stehen. Für die „Electrola“, bei der ich 25 Jahre unter Vertrag war, habe ich über 1000 Titel eingesungen, so dass ich fast jeden Tag im Studio war. Und die Freizeit, die ich hatte, wollte ich mit etwas völlig anderem füllen, sonst wäre ich ja verrückt geworden. Immer nur lernen, lernen, lernen, die Texte und Melodien, geht auch nicht. Denn die meisten Volkslieder kannte ich ja nicht. Es musste also ein Ausgleich her.
Hat dir das was gebracht?
Das hat mir früher sehr gut getan. Ich hatte dadurch immer ein sicheres Auftreten, vor allen Dingen auf der Bühne. Wenn man das jeden Tag trainiert, dann hat man einen festen Stand. Das ist schon wichtig. Als ich noch aktiv war, habe ich meine Kraft und meine Disziplin zu einem großen Teil aus diesem Sport bezogen. Außerdem musste ich mich ja damals irgendwie zu retten wissen, wenn mich mal einer angreift.
Wie alt fühlst du dich heute?
80 ist das neue 50!
Wie wirst du deinen Ehrentag verbringen?
Ich weiß es noch nicht. Die Hannelore wird etwas vorbereiten, und sie wird mich damit überraschen. Aber eher im Familienkreis.
Was können wir von deiner Abschiedstour erwarten?
Die ganze Rockschiene von Rammstein bis zu den Ärzten. Das passt besser als die Schnulzen zu den Häusern, in denen ich spiele. Aber ich habe auch noch eine andere Idee. Ich möchte mich auch noch mal von meinem Konzertpublikum verabschieden, das einen Anspruch an mich hat. Ich möchte noch mal „Am Brunnen vor dem Tore“, „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ und meine ganzen Schlager und Seemannslieder präsentieren. Das geht aber nicht in einer Rock-Veranstaltung. Deswegen bin ich noch am Überlegen, ob ich danach noch eine zweite Tournee mit volkstümlichen Liedern mache. Denn die Lieder haben mich zu dem gemacht, der ich bin: Heino.