Wichtiges OutingKurt Krömer: Darum spricht er jetzt offen über Alkohol und Depressionen
Wir alle kennen Kurt Krömer seit über 20 Jahren als modernen Clown aus Berlin, Moderator von Late Night Shows im Fernsehen und Autor des ein oder anderen Buches. Doch auch beliebte Spaßmacher können von psychischen Erkrankungen betroffen sein. Krömer leidet seit Jahren an Depressionen und hatte zeitweilig auch Alkoholprobleme. Um anderen Mut zu machen, spricht er offen über seine Erfahrungen.
Alexander Bojcan (46) bleibt meist in der Rolle seiner Kunstfigur Kurt Krömer, in der er bereits den Deutschen Comedypreis, den Adolf-Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis gewonnen hat. Doch zunehmend vermischen sich die Bühnenfigur Krömers und die Privatperson Bojcans, wenn dieser nun vermehrt öffentlich über seine psychischen Leiden spricht.
Ein Gespräch mit Kollege und Leidensgenosse Torsten Sträter
Und die plötzliche Offenheit Krömers fing nicht irgendwie und irgendwo an, sondern im Fernsehen: Am 22. März 2021 hatte Kurt Krömer in der vierten Staffel seiner neuen Show „Chez Krömer“ (französisch für „Bei Krömer“) seinen Komikerkollegen Torsten Sträter (55) zu Gast.
Anfangs witzeln die zwei noch darüber, wer wen wann in seine Sendung einladen sollte, doch nach neun Minuten wird Krömer plötzlich ganz ernst: „Wir machen mal ’nen Break. Ich hab jetzt … Wir haben eine Sache gemeinsam: Und zwar haben wir beide … äh … ich habe heute schon den ganzen Tag Bauchschmerzen, weil ich eigentlich … ich hab ’n bisschen Schiss darüber zu sprechen, das ist das Thema Depression.“
Depressionen und andere Leiden: Zwei Betroffene unter sich
Krömer erklärt, er spreche nun zum ersten Mal öffentlich darüber. Doch wirklich öffentlich wirkt das Gespräch bald nicht mehr, denn da bedingt durch Corona kein Publikum anwesend ist, scheinen die beiden nun vollkommen unter sich.
„Im letzten Herbst war ich acht Wochen in der Klinik, weil ich nicht mehr lebensfähig war, weil nichts mehr ging“, erzählt Krömer. Er berichtet davon, wie er Stunden zum bloßen Erstellen eines Einkaufszettels brauchte, um abends für seine Kinder zu kochen. Er erzählt vom Zusammenbruch im Supermarkt, den er weinend verlassen musste.
In Sträter findet er einen Zuhörer, der genau versteht, was sein Kollege durchgemacht hat. Sträter bestätigt Krömer auch darin, öffentlich über seine Depression zu sprechen, weil er damit anderen Hoffnung mache.
In der Tat habe Krömer, wie er in der ZDF-Sendung „Heroes“ erzählt, „tausende Nachrichten bekommen. Und hundert davon waren so geil, weil darin stand: ‚Ich gehe morgen zum Arzt.‘ Leuten zu helfen, einfach nur indem man darüber spricht, finde ich total geil.“
Das Problem, ernst genommen zu werden
Ein großes Problem für Menschen mit psychischen Störungen ist das mangelnde Verständnis derer, die nicht von ihnen betroffen sind. Sträter gibt im Interview zu, es sei auch schwer zu vermitteln, wenn man es nicht selbst erlebt habe.
Krömer, der wegen seines „diffusen Gefühls“ von Arzt zu Arzt gerannt war, ehe jemand ihm gegenüber den Verdacht der Depression äußerte, sagt selbst: „Und dann hab ich darüber gelesen und dann hast du immer gehört: ,Ja, Depression, Depression das ist ein Tabuthema.‘ Und dann dachte ich: ,Deine Mudda is ’n Tabuthema!‘ Warum? […] Wenn ich jetzt sage: ,Ich bin depressiv gewesen‘, wo liegt da das Tabu?“
Sträter und Krömer: Parallelen bis in die psychische Erkrankung
Eben dieses Tabu zu brechen, ist ihm wichtig. Wenn zwei Stars ihre Bühne nutzen und ihre Erfahrungen mit der Welt teilen, soll dies auch anderen zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Sträter erwidert auf die Frage, ob Krömer und er als Personen des öffentlichen Lebens es leichter hätten: „Ich glaube schon. Du wirst immer, du wirst auf diesem Planeten immer ein paar Spinner finden, die sagen: ,Ja, dann musst du ein Fenster aufmachen und ein bisschen spazieren gehen.‘ Und das ist halt das Stigma, weil die Leute sehen lieber einen Gips bis zum Oberschenkel als sich von dir erklären zu lassen, dass du eine Depression hast.“
Neben den Depressionen litten beide auch unter Panikattacken, also extremen Angstzuständen. Beide Störungen bedingen sich gegenseitig. Im Übrigen sind die Ursachen bis heute nicht gänzlich geklärt.
Jeder kann theoretisch an Depressionen erkranken, es muss dafür keine äußeren Einflüsse wie Einsamkeit oder Existenzsorgen geben. So erzählt Sträter, er habe zeitweilig keinen Strom gehabt, weil er so depressiv war, dass er sich nicht aufraffen konnte, die Überweisung an den Stromanbieter zu tätigen. Krömer weiß genau, wovon sein Kollege spricht. Und die beiden sind längst nicht die einzigen Promis, die unter Depressionen leiden und diese jahrelang verstecken.
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Nachklang eines medialen Paukenschlags
Nach der Sendung gibt der Berliner Komiker zahlreiche Interviews, etwa im „Tagesspiegel“ oder auch im „ZDF“ bei der Sendung „Heroes“. Hier wird noch einmal klar, Krömer litt schon seit Jahren nicht diagnostiziert an Depressionen, die sich schleichend verschlimmerten. Dies erklärt auch seine Alkoholsucht, über die er früher schon einmal gesprochen hat.
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Kurt Krömer: Gründe für das Outing
Krömer sagte im „Tagesspiegel“, ein so langes Gespräch über das Thema sei im Vorfeld der Sendung „Chez Krömer“ mit Sträter gar nicht geplant gewesen. Aber Sträter sei, wie Krömer in der Sendung erklärte, nun einmal der deutsche Promi, der offen über seine Depressionen spreche.
Bei „Heroes“ erläutert Krömer seine Beweggründe für die Offenbarung: „Weil mich das einfach beschäftigt hat. Mit dem Alkohol damals, jetzt mit der Depression – das hat sich so ein bisschen angefühlt wie ein Coming-out. Als würde man sagen, ich bin schwul und ich rede jetzt öffentlich darüber. Weil … ich habe keinen Bock mehr, mich zu verstecken.“
Die Psychiatrie hat ihm geholfen…
2020 begab sich Krömer zur Behandlung in eine Tagesklinik, was ihn nicht davon abhielt, tags zuvor noch vor 5.000 Leuten in der Berliner Wuhlheide aufzutreten.
Krömer hatte zunächst große Bedenken, in eine Klinik zu gehen – nicht zuletzt, weil er fürchtete, man würde ihm seine „Vollmeise“ wegtherapieren, die er als Komiker für die Arbeit bräuchte. Dennoch verbucht er die acht Wochen teilstationäre Therapie als Erfolg: „Als Depressiver ist es in deinem Gehirn wie in einer Messi-Wohnung: Alles voll. Und jetzt ist die Messi-Wohnung komplett entrümpelt worden. Es ist aufgeräumt, und man muss eben lernen, wie es in einer aufgeräumten Wohnung so läuft. Aber für mich ist das äußerst befreiend.“
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… aber auch die Familie ist wichtig
Wenig redet Kurt Krömer bzw. Alexander Bojcan über sein Privatleben, nicht einmal der Name seiner Frau ist je nach außen gedrungen.
Was er aber offen zugibt, ist, dass seine Kinder ihn damals quasi aus der Alkoholkrankheit gerettet haben und auch eine Motivation waren, die Depressionen zu besiegen: „Das war dann so die richtig heiße Phase. Ich habe mich fest darauf eingestellt, dass ich nicht älter werde als 30. Ich habe schon aufgehört, Miete zu bezahlen. Und dann habe ich gedacht, vielleicht kriegst du doch noch mal einen Move hin – und da war so ganz verschärft der Wunsch und der Gedanke da, Kinder zu haben. Und die geben mir bis heute Halt.“
Mittlerweile empfindet sich Krömer als genesen, die Depression sei nun weg. Allerdings befindet er sich weiterhin zwei Stunden wöchentlich in Therapie. Der Erfolg, sagt er, ist „wackelig“. (Redaktion KuT)