Respekt!Stefanie Giesinger: Was der GNTM-Siegerin keiner zutraut

Stefanie Giesinger: Was der GNTM-Siegerin keiner zutraut
Stefanie Giesinger: Was der GNTM-Siegerin keiner zutraut

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Redaktion KuTRedaktion KuT | 10.02.2022, 19:00 Uhr

Aussehen ist alles? Nicht bei Stefanie Giesinger, die seit ihrem Titelgewinn bei GNTM gegen Vorurteile ankämpft und dabei längst eine erfolgreiche Unternehmerin ist.

In der neunten Staffel von GNTM lernten die Zuschauer Stefanie Giesinger vor allem als das „kranke Mädchen“ kennen, das am Ende doch noch die Leistung abrufen konnte, die man von einem Top-Model erwarten darf. So kürte Heidi Klum die damals erst 17-Jährige 2014 zur Siegerin. Damit begann eine außergewöhnliche Karriere, die seltsamerweise von vielen nicht anerkannt wird.

Karriere ohne Familie Klum im Rücken

Die Schönheit aus Kaiserslautern mit russlanddeutschen Eltern wird unterschätzt. Punkt. Dabei ist sie eine der wenigen, die aus dem Schatten von Modelmama Heidi Klum heraustreten konnte, ohne sich mit ihr zu überwerfen. So verlängerte Giesinger nach den vereinbarten zwei Jahren nicht den Vertrag mit der Günther Klumschen Modelagentur ONEeins, um sich internationaler auszurichten.

Heute wird Giesinger von der Agentur Muse mit Sitz in New York vertreten. Dabei strebt sie gar nicht mehr so nach klassischen Modeljobs: „…weil ich mich nicht mehr unter Druck setzen möchte mit meinem Körper“, erklärt sie in der Sky-Doku „Her Story“: Es ist total hart, immer bewertet zu werden, vor allem nach seinem Äußeren.“ Zwar liebt sie es noch immer vor der Kamera zu stehen, aber auf die Abnehmzwänge verzichtet sie gern.

Bei GNTM 2022 scheint Heidi Klum schon eine Favoritin zu haben.

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Die anderen Finalistinnen Ivana Teklic (li) und Jolina Fust kennt niemand mehr, Stefanie Giesinger schon, hier neben Heidi Klum (re)

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Gegen mageren Körperkult

Bisher führte für Topmodels kein Weg an den Idealmaßen der Designer vorbei, doch nach und nach verändert sich Modewelt – auch durch Menschen wie Stefanie Giesinger, die jenseits der Laufstege für Reformen einstehen. Obwohl das Model den „krank“-Stempel ja loswerden wollte, entschied sie 2018, ihren mittlerweile über 4 Millionen Followern auf Instagram ihr ganzes Leben zu präsentieren.

Deshalb finden sich in Giesingers Feed neben ästhetischen Pics des Models auch immer wieder Alltagsschnappschüsse und Aufnahmen aus dem Krankenhaus, in dem die heute 24-Jährige durch ihre unheilbare Krankheit Volvulus, bei der sich der Darm verdreht, viel zu viel Zeit verbringen muss. Natürlich kommt das nicht bei allen gut an, denn selbst im Schmusekanal der sozialen Medien finden sich Hater, die die Schwächen der anderen als Vorlagen für Hetze nutzen.

Gute Seiten, schlechte Seiten

„Ich habe viele Nachrichten bekommen, von wegen, das will hier keiner sehen, das gehört hier nicht hin, das ist nicht ästhetisch und eigentlich auch eklig“, erzählt Stefanie Giesinger Markus Kavka (54) im Bar-Talk, „aber es war mir auch egal, weil ich die Entscheidung für mich getroffen habe, dass das zu mir gehört.“ Immerhin gibt es auch positives Feedback für ihren offenen Umgang, der mehr bewirkt, als der langweilige Content der Heile-Welt-Poser.

Stefanie Giesinger ist niemand, der Herausforderungen aus dem Weg geht. Im Gegenteil. In dem nicht sehr überzeugenden Format „Celebrity Hunted“ von Amazon Prime war das Model ein echtes Highlight. Ideenreich und tough entkam sie den professionellen Ermittlern tagelang, die sie jagten, vor allem, weil man sie selbst hier total unterschätzt hat und ihr deshalb niemand falsche Fährten und vorausschauendes Denken zugetraut hat.

Professionelle Mitarbeit

Nicht immer kann Giesinger solche Fehleinschätzungen als Vorteil erkennen, denn auf Dauer ist es ermüdend, gegen derlei Model-Klischees anzukämpfen. Als sie einen Deal mit einer großen Drogeriemarkt-Kette an Land ziehen konnte, um ihre Beauty-Marke Moj herauszubringen, behaupteten Kritiker, das Model würde nur sein hübsches Gesicht hinhalten, den Rest würde sie ja doch Profis überlassen.

Das stimmt nicht, mehr als ein Jahr begleitete Stefanie Giesinger die Entwicklung der Kosmetiklinien, um sicherzustellen, dass nur Produkte auf den Markt kommen, die ihren persönlichen Ansprüchen an Qualität und Wirkung gerecht werden. Dass sie dabei die Inhaltsstoffe nicht selbst angerührt hat und auch kein entsprechendes Studium vorweisen kann, versteht sich von selbst.

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Eigenes Label am Start

Als Stefanie Giesinger nur ein Jahr später ihre erste Kollektion des eigenen Labels nu-in launchte, nahm die Branche sie wieder nicht ernst: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Leute aus der Industrie uns belächelt und gedacht haben, was machen die denn jetzt? Eine kleine Modemarke, die auch noch nachhaltig sein soll, das bekommen die niemals hin“, erinnert sich Giesinger in „Her Story“. Sie hat es hinbekommen – trotz Lockdown.

Weil zu der Zeit ein normales Shooting natürlich nicht umzusetzen war, improvisierte Stefanie Giesinger mit ihrem Lebensgefährten, dem britischen Männermodel Marcus Butler (30), kurzerhand ein Set auf der heimischen Dachterrasse und produzierte sämtliche Bilder zur Präsentation der Kollektion im Online-Shop selbst. Mittlerweile arbeiten gut 50 Mitarbeiter daran, die Mode zu produzieren, zu vermarkten und zu vertreiben.

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Pleite-Gerüchte und Unkenrufe

Trotzdem wird jeder Ausverkauf gleich als Zeichen gedeutet, dass das Label vor der Pleite stehe. Zwar betont Stefanie Giesinger immer, dass es ihr egal sei, dass viele sie nur für ein PR-Püppchen halten, aber unfair ist es trotzdem. Das Model bringt neben Jobs jede Menge Nachhaltigkeit und frische Ideen in die Modewelt, die sich zu gern auf alten Standards ausruht. Da kann auch Peta ein Pelz-Lied von singen.

Dass ihre Models, die die Mode seither präsentieren, divers sind, versteht sich bei Stefanie Giesinger fast von selbst. Und auch, dass sie regelmäßig mit der Aktion „Buy for Good“ auf nu-in Spendengelder für Charity-Organisationen generiert, passt ins Giesinger-Universum, das wächst und gedeiht – gerade weil das Model nur berechtigte Kritik ernst nimmt.

Harte Kritik bei Charity-Aktion

Als sie gemeinsam mit dem veganen Eis-Hersteller Lycka 2020 erstmals eine Kampagne startete, um Geld für ein Projekt der Welthungerhilfe in Malawi zu sammeln, endete das in einem Shitstorm – Morddrohungen inklusive. Viele Menschen fanden es unangemessen, wie das Model ihren Vorort-Besuch in Malawi auf Instagram dokumentierte: zu viel Selbstinszenierung und zu wenig Selbstreflektion.

„Das war zurecht“, gesteht Stefanie Giesinger beim Bar-Talk mit Markus Kavka ein, „da ich mich nach außen hin so in den Vordergrund gestellt habe, habe ich Machtstrukturen reproduziert, die extrem rassistisch sind und entsprechend war das ein Shitstorm, den ich verdient habe.“ Selbstkritisch fügt sie hinzu: „Natürlich war das immer noch scheiße für mich, aber ich war nicht das Opfer.“

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Mit Ecken und Kanten leben

Diese Größe, einen derben Fehler einzugestehen, haben die wenigsten Promis. Für Stefanie Giesinger hingegen war das selbstverständlich. Den Mund zu halten oder gar Fehler zu vertuschen, käme für das Model nicht in Frage. Die Aktion geht natürlich weiter und Stefanie, die aus der Erfahrung gelernt hat, bleibt das Gesicht für das Win-Win-Eis von Lycka. Das Wichtigste ist, dass Spendengelder nach Malawi fließen und die Welthungerhilfe die verdiente Aufmerksamkeit bekommt.

Giesinger will nicht Everybody´s Darling sein. Sie will mit ihrer Bekanntheit dem guten Zweck dienen. Neben ihren eigenen Spendenaktionen und dem Non-Profit-Eis von Lycka unterstützt Giesinger den Weißen Ring, der Opfern von Kriminalität zur Seite steht und die Krebshilfe-Initiative „yeswecan!cer“ – mit Geld, Präsenz und ihrem Netzwerk.

Depressionen sind kein Tabu

Seit sie selbst erfahren hat, wie lähmend und gefährlich Depressionen sind, steht ein weiteres Projekt weit oben auf ihrer Agenda: mit dem Tabuthema aufräumen. Bei ihr selbst begann die Krankheit schleichend – zunächst mit Schlafstörungen, dann nahm auch die Fähigkeit ab, sich länger auf eine Sache konzentrieren zu können bis sie irgendwann die dunklen Gedanken so lähmten, dass sie keine Kraft mehr fand, morgens aufzustehen.

Obwohl sie das Thema schon länger verfolgte, immerhin gab es einen Suizidfall in ihrer Familie und andere Verwandte, die an Depressionen litten, war es nicht leicht, sich selbst einzugestehen, dass man krank ist. „Ich habe mich immer gefragt, was das soll, ich hatte doch alles, was ich wollte, warum war ich traurig?“

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Vorbild nicht nur für Teenager

Erst in der Therapie hat sie gelernt, die Gefühle hinzunehmen und sich davon zu distanzieren. Ein Trick dabei ist es, die Depression wie einen Besuch zu akzeptieren, über den man sich nicht freut, der aber immer mal wieder kommt. Zum Glück hat Stefanie Giesinger ein stabiles Umfeld wie ihre Familie, der sie sehr verbunden ist, und ihre große Liebe Marcus Butler, der ihr seit fünf Jahren bei allem zur Seite steht.

Sie ist öffentlich erwachsen geworden. „Es ist schwer, den Erwartungen, ein Vorbild zu sein, immer gerecht zu werden“, erzählt sie, „vor allem, wenn du gerade selbst aufwächst, dich kennenlernst und auch mal Scheiße baust.“ Sie hat es geschafft, gerade weil sie sich ständig hinterfragt.

Stefanie Giesinger: Mehr Respekt verdient

Vielleicht dauert es noch einige Jahre, aber es wäre Stefanie Giesinger wirklich zu wünschen, dass man akzeptiert, was sie leistet. Man muss sie nicht gleich bewundern, auch wenn das möglich wäre. „Ich bin kein Super-Hero, sondern eine ganz normale Frau“, meint sie, „und es ist ganz egal, ob man nun in der Öffentlichkeit steht oder nicht, ich habe ziemlich ähnliche Probleme.“

Ja, aber Stefanie Giesinger hat auch ziemlich viel Power und enorm viel Mut – man denke nur an den Stunt, mit Magnetschuhen kopfüber an an einer Gondel zu hängen, beim „Duell um die Welt“. Das unterscheidet sie vom Durchschnitt und ihr Erfolg ist kein Zufall. Respekt!