Hinter den KulissenThomas Gottschalk: Sein großes „Wetten, dass…?“-Erfolgsgeheimnis
Nach dem Zuviel-Redner Frank Elstner gelang es nur Thomas Gottschalk das Format in den Quotenhimmel zu hieven. Wolfgang Lippert wurde gegangen. Markus Lanz floppte.
Als Unterhaltungsshow hat „Wetten, dass..?“ alle Superlative erreicht.
Insgesamt haben die 214 Sendungen gut 3,1 Milliarden Zuschauer gesehen, natürlich waren darunter oft dieselben Fans. Es gab 1.012 Wetten, die Saal- und Stadtwetten ausgenommen, und Rechte an dem Format sicherten sich unzählige Länder – darunter fast ganz Europa, Australien, China, Russland und die USA.
Improvisation und Schlagfertigkeit ist alles
Natürlich kann man diese enorme Erfolgswelle nicht allein Thomas Gottschalk zuschreiben, immerhin stammt der Geniestreich von Frank Elstner (79), der den Unterhaltungsdampfer erfunden und zum Fahren gebracht hat. „Wetten, dass..?“ war der familiäre Pflichttermin am Samstagabend und das nicht nur, weil es in den 1980er Jahren keine Alternativen gab. Doch Thomas Gottschalk (71) hat dem Sahnestück der deutschen Fernsehgeschichte noch die Kirsche on top hinzugefügt: seine Leichtigkeit.
Frei nach der alten Musikerregel, wer probt, kann nix, hat sich der blondgelockte Rock’n’Roller der TV-Branche durch die Sendungen moderiert. Und genau das macht Thomas Gottschalk aus: Er ist einfach dieser spritzige Kumpeltyp, den man gern zu sich ins Wohnzimmer lässt, weil er gute Laune verbreitet und ehrlich ist.
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Ehrlichkeit ist nicht selbstverständlich
Seine spontanen Sprüche sind meist besser als vorgeschriebene Texte, die er halbherzig vom Teleprompter abliest, wenn er mal wieder einen Namen vergessen hat. Und wenn eine Wettidee doch eher schlecht als recht ist, dann hält er damit auch nicht hinter dem Höflichkeitsberg. Trotzdem ist er nie beleidigend und stärkt vor allem unprominenten Gästen den Rücken.
Dass er diesen schmalen Grat halten kann, gilt auch als Gottschalks Talent. Viele Kollegen bekommen fast automatisch den Stempel „arrogant“, wenn sie versuchen, den zwischenmenschlichen Drahtseilakt nachzuahmen.
Gerade diese Begabung hat Gottschalk auch bei seiner wohl schwersten Aufgabe gerettet: Er musste die Sendung, in der Wettkandidat Samuel Koch schwer verunglückte, zu Ende zu bringen. Dass er anschließend nur noch bestehende Verträge erfüllte und die Sendung aufgab, war für den Showprofi nur folgerichtig. Wie kann er Spaß an etwas haben, dass jemand anderen ins Unglück gestürzt hat. Und wie soll er unterhalten, wenn er spürt, dass „ein Schatten auf der Sendung“ liegt.
Der Name ist Programm
Mittlerweile ist der Show-Dino ein halbes Jahrhundert im Business. Sein größtes Erfolgsgeheimnis ist bis heute genau dieser Fun, den er selbst bei den Sendungen hatte. Egal, ob er sich gerade über den Besuch einer Musikgröße freute, die er bewundert, oder ob er improvisieren musste, weil irgendetwas in der Live-Sendung schiefgelaufen war: Thomas Gottschalk bleibt Thomas Gottschalk. Sein Name steht dafür ein, dass Sendungen anders sind, weil es zu Gottschalks Routine gehört, sich von Konzepten frei zu machen.
Das gelang Markus Lanz als Lösung nach Gottschalks „Wetten, dass …“-Abgang nicht. Das Format war ihm über den Kopf gewachsen, noch ehe er den Dienst angetreten hatte. Die Erwartungen an ihn, konnte der 52-Jährige kaum erfüllen. Lanz ist nicht Gottschalk und er wollte es auch nie sein. Gut für die Talkshow „Markus Lanz“, schlecht für die Samstagabendunterhaltung.
Hinter den Kulissen
Wolfgang Lippert, der eigentlich ganz gute Quoten einfuhr, soll übrigens auf Gottschalks Initiative gefeuert worden sein. Der fand es unsäglich, dass Lippert dem großen Beatle Paul McCartney in der Sendung den Schweiß von der Stirn tupfte. Gottschalk habe die Situation so schrecklich gefunden, dass er sich beim Produzenten der Sendung und beim ZDF-Chef beschwerte… so behauptet es jedenfalls Wolfgang Lippert in seiner Biografie.
Zurück zum großen Blonden mit den bunten Schuhen: Was Gottschalk kann, kann man nicht lernen. Er ist eine Rampensau und das sollte man in dem Job auch sein. Er verliert den Bogen der Sendung nie aus den Augen. Er weiß aber auch ganz genau, wenn er für eine Aufgabe nicht geeignet ist, ok, manchmal erst hinterher. Und er spricht mit den Stars auf der legendären Wett-Coach, als wären sie schon ewig miteinander befreundet – auch wenn er manchmal nicht so genau weiß, wer ihm gegenübersitzt. Ja, vielleicht ist das ebenfalls ein Geheimnis seines Erfolgs.
Gentleman der Showbranche
Dabei können die Gäste sicher sein, dass er sie nicht in Verlegenheit bringt. Ganz Gentleman kann er sich Absprachen im Gegensatz zu Abläufen immer sehr gut merken. Niemals würde er ein No-Go ansprechen und auch Helene Fischer hat er gerade erst öffentlich versprochen, nicht über ihre Schwangerschaft bei der Sonderausgabe des Showklassikers am 6. November 2021 zu sprechen, wenn sie es nicht möchte.
Dass er bei aller Lässigkeit doch ehrgeizig ist, merkt man, wenn man seine Karriere ansieht. Mit Talent allein schafft man es nicht von der kleinen Servicewelle von Radio München, deren Anfänge er als freier Mitarbeiter mitgestaltet hat, zur großen Samstagabendschau. Allerdings klappt so ein Aufstieg auch schwer ohne diese Lässigkeit, selbst seltsame Filmchen wie „Die Supernasen“ oder „Zwei Nasen tanken Super“ zum Kassenerfolg zu führen.
Neustart oder Einmalnummer
Geholfen hat es ihm sicher, dass er seinen Kindern zuliebe Mitte der 1990er Jahre nach Miami gezogen ist. Dort war er ein ganz normaler Familienvater und galt im Gegensatz zu seinen amerikanischen Kollegen nicht einmal als reich. Für eine „Wetten, dass…“-Sendung soll Gottschalk 100.000 Euro kassiert haben.
Ob er nach den nicht immer gelungenen Gastauftritten in RTL-Formaten nun an alte Zeiten anknüpfen kann? Das wird sich zeigen. Eins ist sicher: Er wäre nicht zurückgekommen, wenn er mit der Vergangenheit nicht abgeschlossen hätte. Nun kann er vermutlich von Sondersendung zu Sondersendung entscheiden, ob es mit „Wetten, dass..?“ weitergeht.